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ASIEN/053: Indien - Fischer und Wasserschildkröte in Orissa in ihrer Existenz bedroht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2011

Indien: Fischer und Wasserschildkröte in ihrer Existenz bedroht - Küstenmanagement in Orissa

Von Manipadma Jena


Bhubaneshwar, Indien, 8. März (IPS) - Im ostindischen Bundesstaat Orissa zerstören Fischerei, Wasserverschmutzung und Entwicklungsprojekte den Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Olive-Ridley-Wasserschildkröte. Seit November sind hier nach Angaben lokaler Umweltschützer 5.000 Tiere verendet.

Der Tod der Wasserschildkröten illustriert ein Problem, mit dem nicht nur Orissa zu kämpfen hat: der zunehmenden Schwierigkeit, den Bedürfnissen von Mensch und Natur gleichermaßen gerecht zu werden. So gilt es nicht nur, die wildlebenden Tiere der Küstenregionen zu schützen, sondern auch den meist armen lokalen Fischern ein Auskommen zu sichern.

"Wir sind für den Schutz der Schildkröten, doch gilt es auch die Interessen der Fischer zu wahren", beschreibt Narayan Haldar von der Gewerkschaft der traditionellen Fischer von Orissa das Dilemma, in dem sich der Bundesstaat gefangen sieht.


Fischer verzweifeln

Mindestens 40 Prozent des 480 Kilometer langen Küstenstreifens sind für die Fischer zwischen November bis Juni tabu. Das Verbot dient dem Schutz der lokalen Meeresschutzgebiete. Eingeschränkt werden die Fischereiaktivitäten zudem durch die alljährlichen Wirbelstürme nahe der Bucht von Bengalen.

"Diese Küstengebiete verbuchen einen drastischen Rückgang der Einnahmen. Die Menschen wandern ab, es kommt wegen der Unzufriedenheit mit den Fischereizonen zu Zusammenstößen und sogar zu Selbstmorden", berichtet Trilochan Das, ein weiterer Gewerkschaftsvertreter.

"Da die Fischer an neun Monaten des Jahres dazu verurteilt sind, Däumchen zu drehen, hat die Konkurrenz aus dem Nachbarstaat Andhra Pradesh den Fischmarkt von Orissa übernommen", kritisiert Haldar. Seiner Meinung nach wird es höchste Zeit, die Dauer des Fischereiverbots zu verkürzen und der lokalen Bevölkerung beim Umstieg auf alternative Verdienstmöglichkeiten zu helfen.

Den gordischen Knoten soll nun ein von der Weltbank unterstütztes Integriertes Küstenmanagementprojekt (ICZMP) zerschlagen, dass seit Mitte letzten Jahres auf nationaler sowie auf lokaler Ebene in den drei Bundesstaaten Orissa, Gujarat und Westbengalen verwirklicht wird. Die Lehren, die aus den Pilotprojekten gezogen werden, sollen für die Umsetzung weiterer ICZMPs in anderen Landesteilen genutzt werden.

Wie der Projektleiter Ajit Kumar Pattnaik betont, liegt der Schwerpunkt der Initiative auf dem Schutz von Küstenbewohnern und Umwelt und der Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Gesamtkosten für das Vorhaben belaufen sich auf 286 Millionen US-Dollar. Davon sind 49 Millionen Dollar für die beiden Küstenabschnitte zwischen den Städten Paradip und Dhamra und zwischen Gopalpur und Chilka bestimmt, die 14 Prozent der Küstenlinie Orissas ausmachen. Mehr als die Hälfte der im Bundesstaat lebenden 'Unberührbaren' (Dalits), verteilt sich auf 641 Fischerdörfer. 60 dieser Ortschaften werden von dem Pilotprojekt profitieren.


Alternative Verdienstmöglichkeiten

Die ausgewählten Küstenabschnitte sind ressourcenreich und deshalb besonders gefährdet. Während der Chilka-See zu den größten Brackwasserseen der Welt zählt, ist das Gahirmatha-Wildtierschutzgebiet das zweitgrößte Mangroven-Ökosystem Asiens. Doch um diese natürlichen Reichtümer zu schonen, sollen die Fischer zum Umstieg auf Aquakulturen ermutigt werden. Die Zucht von Krabben, Wolfsbarschen, Scampi und Südwassergarnelen soll die Menschen von der Fischerei unabhängig machen und den Druck auf die natürlichen Fischbestände senken.

Zudem werden Frauenverbände Möglichkeiten schaffen, den Fisch unter hygienischeren Bedingungen als bisher zu trocknen. Auch sollen die Küstenbewohner auf Milchproduktion und Gänsezucht ausweichen. Als weitere Option bieten sich der Ökotourismus und der Schutz von Kulturdenkmälern an.

Die 60-jährige Satyabhama Das hat als Leiterin einer lokalen Selbsthilfegruppe an den ICZMP-Vorgesprächen teilgenommen. Sie wirft den zuständigen Stellen vor, die Menschen nicht gut genug auf Probleme wie die Präsenz von Krokodilen in den Bhitarkanika-Mangrovenwäldern vorbereitet zu haben.

Im Rahmen des Projekts sollen die Menschen zudem vor den alljährlich auftretenden Wirbelstürmen geschützt werden. Vier von insgesamt 14 Mehrzweck-Schutzräumen entstehen im Bezirk Puri. Sie sind dazu vorgesehen, Mensch und Vieh während hereinbrechender Umweltkatastrophen eine sichere Unterkunft zu bieten. 1999 tötete ein Zyklon in Orissa 10.000 Menschen. Auch sind die Schutzräume als Kommunikationszentren zur Koordinierung von Notfallhilfen relevant.

Ein weiteres Problem, dem sich ICZM widmen wird, ist der Verlust der Artenvielfalt und der Meeresökosysteme infolge der Verwendung der Küstengebiete für Infrastruktur- oder Industrieprojekte. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2011