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ASIEN/107: Myanmar - Goldenes Land mit grüner Zukunft? (WWF magazin)


WWF magazin, Ausgabe 1/2016
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Myanmar - Goldenes Land mit grüner Zukunft?

Von Kathrin Hebel und Stefanie Lang (WWF)


Lange isoliert von der Außenwelt, hat sich Myanmar bis heute einen Naturreichtum bewahrt, wie er sonst in Südostasien kaum mehr zu finden ist. Mit der Öffnung des Landes wächst auch der Hunger nach den natürlichen Ressourcen. Der WWF will einen drohenden Ausverkauf verhindern.


Da tauchte ein goldenes Mysterium am Horizont auf, ein funkelndes, großartiges Wunder, das in der Sonne glänzte. "Das ist die Shwedagon-Pagode", sagte mein Gefährte. Und die goldene Kuppel sagte zu mir: "Das hier ist Birma, ein Land, das anders ist als alle anderen, die du kennst." So beschrieb 1898 Rudyard Kipling in "Briefe aus dem Orient" das heutige Myanmar. Noch immer zeugen die unzähligen goldenen Pagoden, schwimmenden Gärten und religiösen Monumente vom "Goldenen Land" und seinem kulturellen Reichtum.

Land der wilden Flüsse

Beeindruckend reich ist das "Land der drei wilden Flüsse" auch an Natur - dank seiner einzigartigen geografischen Lage zwischen bis zu 5900 Meter hohen Bergketten. Von dort bringen Mekong, Saluen und Irawadi (auch Irrawaddy genannt) neben Frischwasser reichlich Nährstoffe nach Myanmar. In Jahrmillionen haben sie unzählige fruchtbare Täler geschaffen. Es entstand ein Mosaik aus Lebensräumen - von Bambus- und Nadelwäldern in den höheren Bergregionen bis zu weiten Auen, Savannen und Tieflandregenwäldern in der Ebene. Vor allem das riesige Becken des Irawadi mit seinem großen Delta sichert durch seine üppigen Fischbestände und fruchtbaren Böden die Nahrungsversorgung der Bevölkerung.

Von diesem Naturreichtum Myanmars profitierte einst ganz Asien: Das frühere Birma war in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts der Brotkorb des Kontinents und exportierte mehr landwirtschaftliche Produkte als Europa. Heute ist Myanmar durch politische Wirren und eine fast 50-jährige Herrschaft des Militärs eines der ärmsten Länder Asiens. Während dieser Zeit schirmten die Machthaber das Land von der Außenwelt ab.

Myanmar ist eine ökologische Schatzkammer mit gewaltigen Bergketten, mächtigen Flüssen und weiten fruchtbaren Ebenen. 40 Prozent des Landes sind noch bewaldet.

Erst seit 2011 öffnet sich Myanmar langsam wieder. Das gibt dem WWF die Chance, die einmalig gut erhaltene biologische Schatzkammer des Landes dauerhaft zu schützen. Seit 2013 baut ein wachsendes Team die jüngste Vertretung der WWF-Familie in Myanmars größter Stadt Yangon (Rangun) auf und hat bereits mit konkreter Naturschutzarbeit im Land begonnen. Die Voraussetzung ist für die WWF-Kollegen einerseits gut: Durch die jahrzehntelange Isolation sind viele der Regenwälder des Landes meist noch intakt. Sie beherbergen zudem eine Vielzahl von Tieren, darunter viele seltene, stark bedrohte Arten - Tiger und Nebelparder, die sich den Lebensraum teilen, sowie Elefant, Nashorn, Leopard, Tapir, Irawadi-Delfin, Banteng und Siamesisches Krokodil. Insgesamt wurden bisher 250 verschiedene Säugetier- und über tausend Vogelarten gezählt. Vermutlich ist die Vielfalt sogar viel größer, da manche Gebiete noch kaum erforscht sind.

Goldgräberstimmung

Doch andererseits hat längst der Ansturm auf die Wälder begonnen. Deren Holz und Bodenschätze, vor allem Gold und Jade, ziehen Investoren an. Unternehmen aus China, Indien und Thailand sowie zunehmend auch aus Vietnam, Indonesien und Malaysia erwerben Lizenzen, um in Myanmar abzuholzen und dort riesige Monokulturen aus Ölpalmen oder Gummibäumen anzupflanzen oder um nach Metallen und Edelsteinen zu graben. Dazu vertreiben sie die ansässigen Kleinbauern, teilweise mit Gewalt. Bis 2010 wurden bereits offiziell 700.000 Hektar Land für den Intensivanbau ausgewiesen, fast die Hälfte davon wurde allein für Ölpalmenplantagen freigegeben. Seit 2012 ermöglicht ein neues Gesetz auch direkte ausländische Investitionen. Damit ist der Weg frei für eine noch umfassendere Vergabe von Landkonzessionen. Dies wird schon bald verheerende ökologische und soziale Folgen haben. Die günstige Lage zwischen Indien und China verschafft Myanmar einen guten Zugang zu den beiden rasch wachsenden Volkswirtschaften. Internationale Finanzinstitutionen wie die Asiatische Entwicklungsbank fördern den Ausbau großer Hauptverkehrsachsen, Stromtrassen und Häfen. Ein Tiefseehafen und eine Sonderwirtschaftszone in der Hafenstadt Dawei sind bereits geplant. Beides wird vom Bau einer Pipeline und einer Schnellstraße von Dawei nach Thailands Hauptstadt Bangkok begleitet.

Drohende Zerstückelung

Diese Pläne bedrohen die natürliche Vielfalt der Region. Die Schnellstraße wird direkt durch die Bergwälder der Dawna-Tenasserim-Ökoregion führen, eine der letzten großen, noch zusammenhängenden und intakten Waldlandschaften Südostasiens. Dort leben auf einer Fläche von etwa der Größe Bayerns nicht nur Indochinesische Tiger - mit schätzungsweise 200 Tieren die fünftgrößte Population der Welt -, sondern weitere vom Aussterben bedrohte Arten wie der Asiatische Elefant, Sambarhirsch oder Malaienbär.

Auf thailändischer Seite setzt sich der WWF bereits seit mehr als 20 Jahren für den Erhalt dieser ökologischen Schatzkammer ein. Seit 2013 dehnt die Umweltstiftung ihre Schutzbemühungen auch auf die Seite Myanmars aus, um die Zerstückelung der Ökoregion zu verhindern. Das ist auch deshalb wichtig, weil jegliche Erschließung eines noch ungestörten Gebiets Eintrittspforten für Wilderer und illegalen Holzeinschlag schafft. Bereits jetzt werden seltene Arten, besonders der Tiger und der Nebelparder, aber auch Reptilien, Schildkröten oder das Schuppentier, gewildert und illegal gehandelt.

Umsicht im Strassenbau

Der Bau der geplanten 350 Kilometer langen Straße zwischen Dawei und Bangkok lässt sich nicht verhindern. Deshalb setzt sich der WWF bei der Regierung Myanmars dafür ein, dass sie so naturschonend wie möglich realisiert wird. Eine umsichtige Planung des Straßenverlaufs soll Wildtieren das Wandern und den Zugang zu ihren Nahrungs- und Paarungsgebieten sichern. Dazu gehört es nach WWF-Ansicht, Schutzgebiete sowie wichtige Wald- und Wassereinzugsflächen zu umgehen. Über- oder Unterführungen, Zäune und Schutzwälle an neuralgischen Punkten würden das Risiko, von Unfällen mit Tieren weiter senken. All das hätte Signalwirkung für einen naturverträglichen weiteren Ausbau der Infrastruktur. NK

Myanmar wird immer mehr zur Drehscheibe des internationalen illegalen Wildtierhandels. Vor allem Elfenbein wird massiv geschmuggelt. Der WWF geht davon aus, dass jedes Jahr eine große Menge des gesamten gewilderten Elfenbeins weltweit sowie eine riesige Anzahl von Nashorn- und Tigerprodukten durch Myanmar nach China geschleust werden. Erleichtert wird der illegale Handel durch die mangelnde Strafverfolgung, schlecht ausgebildete Zollbeamte, grassierende Korruption sowie die durchlässigen Grenzen Myanmars nach Thailand und zum Riesenabsatzmarkt China.

Ausbeutung verhindern

Um die Wilderei zu unterbinden, arbeitet der WWF mit seinen Partnern vor Ort (vom Zoll bis zu Bürgerinitiativen) vor allem an einer Verbesserung der Grenzkontrollen und einer effizienteren Strafverfolgung von Händlern, Wilderern und Schmugglern. Grenzbeamte, Artenspürhunde und Ranger in den Schutzgebieten müssen ausgebildet und bezahlt werden, um dem kriminellen Treiben ein Ende zu setzen. Hier wollen wir möglichst schnell handeln, um Nebelpardern, Tigern und anderen seltenen Arten eine Überlebenschance zu sichern. Ein zentraler Bestandteil der WWF-Arbeit vor Ort ist auch die Stärkung der Zivilgesellschaft. Der Bevölkerung muss bewusst werden, was der Raubbau an Tier- und Pflanzenwelt für das Leben jedes einzelnen Bürgers bedeutet und welche Rechte jeder hat, um sich gegen diese Ausbeutung zu wehren. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann den Drahtziehern des illegalen Artenhandels genauso das Handwerk gelegt werden wie den Spekulanten, die ganze Wälder zerstören.

Das alles sind enorme Aufgaben für das kleine Team in Myanmar. Der WWF Deutschland hat deshalb den Aufbau des WWF-Büros in Yangon maßgeblich gefördert und begleitet heute, dank der Unterstützung seiner Förderer, die Kollegen in Myanmar auch bei ihrer Projektarbeit. So zum Beispiel entlang des Banchaung-Flusses: Zusammen mit Gemeinden der Tanintharyi-Region wird der Wald dort Voraussichtlich ab 2017 nachhaltig bewirtschaftet. Bereits zerstörte Flächen werden wieder bepflanzt und miteinander verbunden. Auf diese Weise können wir wichtige Waldgebiete erhalten und wiederherstellen.

Schutzgebiete verbinden

Um wiederum die Zerstückelung der Dawna-Tenasserim-Ökoregion zu verhindern, muss vor allem ein groß angelegtes Schutzgebietsnetzwerk gesichert werden. So arbeitet der WWF aktuell gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation Fauna & Flora International (FFI) an der Ausweisung der beiden Gebiete Tanintharyi und Lenya als Nationalparks. Zusammen mit den benachbarten thailändischen Nationalparks Kaeng Krachan und Kui Buri würde dies einen grenzübergreifenden Schutzgürtel von mehr als 9000 Quadratkilometern schaffen - eine Fläche halb so groß wie Sachsen. Die letzten Indochinesischen Tiger und ihre Beutetierbestände könnten sich erholen und wieder ausbreiten, Asiatische Elefanten und andere bedrohte Arten würden langfristig ausreichend Lebensraum finden und die intakten Wälder blieben erhalten. Zugleich würde die Verbindung dieser vier grenzübergreifenden Schutzgebiete die Gefahr großer Infrastrukturprojekte bannen. Außerdem sollen der geplante Einsatz von Rangern, die Errichtung von Wachposten sowie die großflächige Installation von Kamerafallen im Wald neben verschärfter Grenzkontrolle den Schutz für Tiger, Elefanten und andere vom Aussterben bedrohte Arten vor Wilderei und illegalem Handel verbessern. Der WWF setzt hier auf Lobbyarbeit in den zentralen Regierungsstellen: Nicht nur die Nationalparkausweisung muss vorangetrieben, auch die Wälder in den Korridoren zwischen den Schutzgebieten müssen künftig nachhaltig und ressourcenschonend genutzt werden.

Grüne Wirtschaft aufbauen

Das geht aber nur, wenn die Wirtschaft des Landes wächst, ohne die Natur zu zerstören. Deshalb hat der WWF eine nationale Strategie für eine grüne Wirtschaft entworfen und beim Ministerium für Umweltschutz und Forstwirtschaft in Myanmar 2014 eingereicht. In dem Entwurf schlägt der WWF zum Beispiel vor, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien und kohlenstoffarme Technologien zu ersetzen. Wichtige ökologische Regionen wie Wälder oder Flusseinzugsgebiete, die für das Land ökologische Dienstleistungen wie sauberes Wasser, Nahrung oder nachwachsendes Baumaterial erbringen, sollen erfasst und möglichst wenig beeinträchtigt werden. Intensive Nutzungen müssten auf ökologisch weniger wertvolle Flächen beschränkt sowie die Rechte und Lebensgrundlagen der Menschen gewahrt bleiben.

Wandel durch Annäherung

Auf etwa der doppelten Fläche Deutschlands leben in Myanmar 58 Millionen Menschen aus 135 verschiedenen Ethnien. Entsprechend bewegt ist die Geschichte des Landes: Nach dem Ende der Kolonialherrschaft durch Großbritannien im Jahre 1948 gab es eine kurze Zeit der Demokratie, die von Konflikten unter den ethnischen Gruppen geprägt war. Diese Zeit endete 1962 mit einem Putsch des Militärs und mündete in eine Phase der Unterdrückung und Isolation. Nach fast 50 Jahren fanden 2010 erstmals wieder freie Wahlen statt. Seitdem vollzieht sich in Myanmar ein dynamischer politischer und wirtschaftlicher Wandel. Doch der Wandel ist nicht frei von Rückschlägen. So führt die schwierige Situation der islamischen Rohingya-Minderheit zu dramatischen Flüchtlingsbewegungen innerhalb Asiens.

Unterdessen hat der Minister für Umweltschutz und Forsten Myanmars angekündigt, Umweltaspekte bei künftigen Planungen und Entscheidungen besser zu berücksichtigen. Bei der Dawei-Straße hat es der WWF geschafft, dass die Regierung seine Vorschläge nun in ihrer Planung bedenkt. Auch wenn es bis zur Sicherung der ökologischen Schätze Myanmars noch ein weiter Weg ist: Wir glauben fest daran, dass sich unser Engagement für Mensch und Natur im "Goldenen Land" lohnt.

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DIE METHODEN DER HOLZMAFIA

Elf Millionen Kubikmeter Holz wurden laut der Umweltorganisation EIA größtenteils illegal zwischen 2000 und 2014 von Myanmar nach China exportiert, insbesondere wertvolle Edelhölzer wie Teak und Rosenholz, aber auch einfaches Rohholz. Das entspricht einem Wert von 2,7 Milliarden US-Dollar. Das Geschäft wird von China angeheizt, denn dort ist der Bedarf an preiswerten Holzrohstoffen groß.

Eine kriminelle Gruppe hat ein gut organisiertes Netzwerk geschaffen, um die unverarbeiteten Holzstämme nach China zu schaffen: Mit Goldbarren werden die militärischen Brigaden Myanmars geschmiert, an Mittelsmänner werden Holzeinschlagkonzessionen für ganze Berge vergeben und das Holz wird auf Lastwagen dann an den Grenzposten vorbeigeschleust. Die Regierung von Myanmar schafft es bisher nicht, diesen Holzdiebstahl zu stoppen. Der WWF plant daher eine Zusammenarbeit mit den Zollbehörden, um den illegalen Handel von Holz wesentlich zu erschweren. QUELLE: EIA

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Nebelparder im Angebot → Myanmar ist Drehscheibe des internationalen illegalen Artenhandels.

- Auf dem Weg in die Moderne → Myanmar wird erschlossen. Straßen werden durch die Wildnis gebaut, die Städte wachsen. Die Natur hat das Nachsehen - wenn wir jetzt nicht gegensteuern.

- Wunder der Natur → Malaienbär, Goldkehlpitta, Schuppentier und Muntjak sind ins Visier von Wilderern geraten.

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Quelle:
WWF Magazin 1/2016, Seite 10 - 17
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Fördermitglieder und Freunde der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2016

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