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ASIEN/122: Das Mekong Delta im Kampf gegen den Klimawandel (Stefan Kühner)


Das Mekong Delta im Kampf gegen den Klimawandel

- Versalzung, Dürren und Taifune zerstören den Reisanbau
- Landflucht: Mekong Bauern verlassen ihr Land
- Alternative: Better Rice Initiative Asia - hochwertiger Reis für Asien

von Stefan Kühner, 4. April 2018


Seit Hunderten von Jahren ist das Mekong Delta die Reiskammer Vietnams. Der Klimawandel droht allerdings die fruchtbaren Reisfelder zu zerstören. Weltweit zählt Vietnam zu den fünf Ländern, die vom Klimawandel und den damit verbundenen Risiken am meisten betroffen sind. Und in Vietnam selbst ist es das Mekong-Delta. Zirka 120.000 Hektar Reisanbauland, die von Wassermangel und Salzwassereinbrüchen im Mekong-Delta betroffen sind, werden nach Meldungen der vietnamesischen Online-Plattform Viet Nam News für den Anbau von Reis wegfallen.

Anfang des Jahres 2018 hat in etlichen Regionen des Deltas eine regenarme Periode den Pegel der Kanäle stark sinken lassen. Nun dringt Salzwasser tief ins Landesinnere ein. In der Provinz Tien Giang, in der die, auch hierzulande bekannte, Stadt My Tho liegt, waren es bereits 20 km. Die Behörden versuchen vor allem durch temporäre Dämme und das Schließen von Schleusen ein weiteres Vordringen zu stoppen. An anderen Stellen werden abgeschottete Kanäle ausgebaggert, um Frischwasser am Abfließen zu hindern und es für die Bewässerung der Felder einzusetzen. [1]

Bereits 2016 und 2017 waren schlimme Jahre für die Bauern im Mekong Delta. Wie vietnamesische Online-Zeitungen in immer kürzeren Abständen meldeten, droht durch den Klimawandel Vietnam ein Verlust von über 7 Millionen Tonnen Reis. Die Lebensmittel-Sicherheit des Landes und eine anhaltende Entwicklung der Landwirtschaft seien ernsthaft betroffen, erklärte der Minister für Wissenschaft, Technik und Umwelt, Do Xuan Lan. Nach seinen Aussagen gab es in den letzten 15 Jahren in der Küstenregion und den Einmündungen der Wasserläufe ins Meer erhebliche Erosionen. Naturkatastrophen seien eine zusätzliche Ursache für die Beeinträchtigungen der Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Strukturen. Offizielle Statistiken zeigen auf, dass durch die Wetterkatastrophen 300 Menschen ihr Leben verloren und Schäden in Höhe von nahezu einer Milliarde Dollar verursacht wurden. [2]

Mekong Staudämme verschärfen die Situation

Die Ursachen für die schwierige Situation im Mekong Delta sind aber nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Veränderung der Umwelt durch den Menschen.

Die Auswirkungen des Klimawandels im Delta werden verschärft durch die große Zahl an Wasserkraftwerken entlang des Mekong. Dr. Le Anh Tuan von der Universität in Can Tho erklärt in einem Gespräch mit Viet Nam News, es werde in Zukunft im Delta einen dramatischen Rückgang an Wasser und Sedimenten geben. Dies werde die Landwirtschaft stark beeinflussen. Das Delta, so der Wissenschaftler, wurde seit mehreren tausend Jahren geprägt durch den Schlamm, den der Mekong in seinem Flusslauf von seiner Quelle bis zur Mündung transportierte. Diesen Schlamm wird es zukünftig nicht mehr geben, befürchtet er. Die Dämme stoppen nicht nur das Wasser, sondern durch Ausbaggerung von Sand für den Bau der Staudämme würde die Flussrinne vertieft und dies würde dazu führen, dass die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöht werde, was wiederum zu Erosionen an den Flussufern führe. Vor allem Dammbauten in China und Laos seien die Hauptgefahr für das Mekong Delta, kritisiert Dr. Tuan.

Er forderte eine bessere Zusammenarbeit aller Anrainerstaaten des Mekong und eine grenzüberschreitende Entwicklung von Strategien für eine gleichberechtigte und nachhaltige Wasserwirtschaft. [3], [4]

Ein weiterer Grund für das Eindringen von Salzwasser und die Erosion ist ein ungehemmter Abbau von Sand für Infrastrukturprojekte wie Straßen, Brücken und Häuser/Hochhäuser.

Landflucht

Eine der gravierendsten Folgen des Klimawandels ist die Landflucht. Über 1,7 der 18 Millionen Bewohner haben in den letzten 10 Jahren dem Delta den Rücken gekehrt. Viele hatten seit Generationen im Delta gelebt und sehen jetzt keine Zukunft mehr, da Erosion die Felder und Häuser wegspült, die Böden versalzen und immer wieder auftretende Überschwemmungen im Wechsel mit extremen Trockenperioden das Leben unerträglich machen. Ein gravierendes Beispiel ist die Gemeinde Thanh Dong in der Provinz Soc Trang. Sie hat 2013 ihre gesamte Zuckerrohrernte verloren, nachdem unerwartet viel Salzwasser in den Boden sickerte und die Pflanzen tötete. [5]

Eine Studie von Oanh Le Thi Kim und Truong Le Minh von der Van Lang Universität zeigt, dass der Klimawandel der dominierende Faktor bei den Entscheidungen von 14,5 Prozent der Migranten ist. Die Menschen sehen keine Chancen unter diesen Bedingungen der Armut zu entkommen. Die Studie nennt die Auswirkungen des Klimawandels auf die Produktionstätigkeit, die Lebensqualität und die Beschaffenheit der Umwelt. Als konkrete Auslöser für die Migration nennen die Autoren der Studie: Starkregen, Hurrikane und Taifune, Trockenheit und Dürre. Wenn diese Zahl stimmt, zwingt der Klimawandel jedes Jahr zirka 24.000 Menschen, die Region zu verlassen. [6]

Vietnam versucht durch Umsiedlungsprogramme den schlimmsten Auswirkungen entgegenzusteuern. Zirka 5.600 Familien müssen wegen der fortschreitenden Landerosion an der Südspitze des Mekong Deltas in Vietnam in den kommenden 2-3 Jahren umgesiedelt werden. Die Provinzbehörden suchen (verzweifelt) nach Land und Geld für die Umsiedlungsmaßnahmen, schrieb die Online Ausgabe von Viet Nam News Ende März 2018. [7]

Nun ist geplant, Bewohner aus den am meisten gefährdeten Gebieten in ein Gebiet an der südlichen Westküste des Golfs von Thailand, in der Provinz Khanh Tien, anzusiedeln. Mit einem Volumen von ca. 4.4 Millionen US$ soll Platz für mehrere Hundert Familien geschaffen werden. Zu den Maßnahmen gehören auch die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine gezielte Förderung in der Berufsbildung. Dies hat gute Gründe. Solche Umsiedelungen verliefen in der Vergangenheit nämlich oftmals schlecht. Vorangegangene Projekte sind gescheitert, da sie keine stabile Lebensgrundlage für die versetzten Familien boten. Mehrere der Familien kehrten in ihre alten Dörfer zurück.

Der Mangel an Investitionskapital und Land sind die Hauptgründe für die Langsamkeit und Ineffektivität. Darüber hinaus sind viele umgesiedelte Haushalte arm und haben keine Ausbildung und schon gar nicht einen festen Arbeitsplatz. Sie lebten vor allem von der Landwirtschaft, so dass es für sie schwierig ist, ihren Lebensunterhalt in Umsiedlungsgebieten sicherzustellen

Qualität statt Quantität

Es ist deshalb erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Laut einem Plan des vietnamesischen Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (MARD) soll die bislang weitgehend ungesteuerte Reisproduktion zukünftig besser auf den Bedarf in den internationalen Märkten ausgerichtet werden, um die Einkommen der Reisbauern besser planbar zu machen. Kernelement ist eine Reduzierung des Exportvolumens. Dafür soll aber die Qualität von unverarbeitetem Reis und von Reisprodukten deutlich verbessert werden. Derzeit und noch bis 2020 sind zirka 4,5 bis 5 Millionen Tonnen Reis für den Export vorgesehen, 2030 sollen es 4 Millionen Tonnen sein. Die damit erzielten Einnahmen von 2,3 bis 2,5 Milliarden US-Dollar sollen dennoch stabil bleiben. Hochwertige Reissorten wie Jasmin- oder Duftreis sowie Langkornreis sollen zukünftig mit 40 Prozent bzw. 25 Prozent den Hauptanteil am Export einnehmen. Derzeit liegt dieser Anteil bei 10 Prozent. Der wesentliche Grund für diesen Strategiewandel: Die Weltmärkte verlangen die hohe Qualität. Außerdem ist geplant, die Reisexporte nach Afrika auszuweiten.

In einem über vier Jahre ausgelegten Projekt (2013 bis 2017) unterstützt die Bundesregierung Deutschland über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) diese Pläne. Unter dem Titel "Better Rice Initiative Asia - hochwertiger Reis für Asien" sollen die Produktivität im Reisanbau und das Einkommen kleinbäuerlicher Familien gesteigert und die Ernährungslage in Thailand, Vietnam, Indonesien und den Philippinen verbessert werden. In Vietnam wurden im Rahmen des Vorhabens 3.000 Reisbauern in den drei Provinzen Dong Thap, Hau Giang und Kien Giang geschult. Zusätzlich sollen die Bauern durch eine ökologisch nachhaltige Steigerung der Reisproduktion sowie einen besseren Zugang zu Märkten für Qualitätsprodukte unterstützt werden. In Zusammenarbeit mit dem (vietnamesischen) Institut für Agrarpolitik, Strategie und ländliche Entwicklung hat das Projekt gemeinsam mit der Privatwirtschaft ein Modell für Reisanbau entwickelt, das die Partner in den drei Provinzen pilothaft erproben. [8]

Strukturwandel

Der notwendige Strukturwandel im Mekong Delta führt allerdings keineswegs nur zu Sorgen und Apokalypse-Szenarien, sondern bei einigen internationalen Investoren zu Dollar-Träumen. Unternehmen und Einwohner im Mekong Delta sollen auf den traditionellen Ackerbau verzichten, schlagen sie vor. Zu Ihnen gehören auch Firmen und Investoren aus Deutschland. In einer Broschüre vom März 2016 wirbt eine in Frankfurt und Linz ansässige "Business Development Group Vietnam" (BDG) für Investitionen in Vietnam - insbesondere im Mekong Delta. "Die Region überzeugt durch ihre 10 Millionen Arbeitskräfte und vorteilhafte Lohnkosten", heißt es in einer Broschüre der Frankfurter. [9]


[1] Viet Nam News Online, 14.03.2018 Mekong Delta braces for salt intrusion
http://vietnamnews.vn/environment/423774/mekong-delta-braces-for-salt-intrusion.html#rPoZR9hYaGHtgtDG.97

[2] Vietnam Net Online; 16.06.2017; Climate change forecast to shrink rice yield
http://english.vietnamnet.vn/fms/environment/180398/climate-change-forecast-to-shrink-rice-yield.html

[3] Vietnam net Online, 09.03.2016; Damming places Mekong Delta in peril
http://english.vietnamnet.vn/fms/environment/162537/experts--damming-places-mekong-delta-in-peril.html

[4] Vietnam Net Online; 30.05.2015; Mekong dams pose danger
http://english.vietnamnet.vn/fms/environment/179412/mekong-basin-dams-pose-danger--experts.html

[5] Independent Online, 18.01.2018 ; How climate change is triggering a migrant crisis in Vietnam
https://www.independent.co.uk/environment/climate-change-vietnam-migration-crisis-poverty-global-warming-mekong-delta-a8153626.html

[6] Oanh Le Thi Kim, Truong Le Minh:
Correlation between Climate Change Impacts and Migration Decisions in Vietnamese Mekong Delta
IJISET - International Journal of Innovative Science, Engineering & Technology, Vol. 4 Issue 8, August 2017

[7] Viet Nam News Online, 21.03.2018; Ca Mau households to be resettled
http://vietnamnews.vn/environment/424713/ca-mau-households-to-be-resettled.html#H3Px5FTMfBogdDPc.97

[8] Homepage GIZ, Stand 03.04.2018
Projektbeschreibung "Better Rice Initiative Asia"
https://www.giz.de/de/weltweit/57047.html

[9] Christoph Lam; Vietnams Mekong Delta - Ein Investitionsstandort mit Zukunft
http://bdg-vietnam.com/de/about/news/details/items/vietnams-mekong-delta-ein-investitionsstandort-mit-zukunft/

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Quelle:
© 2018 by Stefan Kühner
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2018

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