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ATOM/042: Tschechien rüstet auf - Neue Atomanlagen in Planung (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 172 - Februar/März 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Tschechien rüstet auf
Neue Atomanlagen in Planung

von Volker Voss



Tschechien plant den Atomstromanteil von derzeit 30 auf etwa 55 Prozent zu erhöhen. Das ehrgeizige Ziel der Regierung, die Stromversorgung noch stärker mit einer menschengefährdenden Risikotechnologie zu erzeugen, stößt auf Kritik im In- und Ausland. Dabei braucht Tschechien gar nicht so viel Strom, sondern baut auch auf Abnehmer im Ausland. Im AKW Temelin sind bereits zwei Meiler vom russischen Typ WWER am Netz. Diese sollen durch zwei weitere ergänzt werden.

Dagegen hatten vorigen Sommer über 18.000 Bundesbürger beim tschechischen Umweltministerium Einspruch eingelegt. Besonders groß ist die Sorge im Nachbarland Österreich, wo sich bereits 1978 in einem Referendum eine Mehrheit der Bürger/innen gegen Atomkraft aussprach. Temelin liegt nur 60 Kilometer von der gemeinsamen Grenze entfernt. Es kam bereits zu zahlreichen Protestaktionen deutscher, österreichischer und tschechischer AKW-Gegner. Auch die Landesregierung von Oberösterreich ist strikt gegen die gesamte Anlage, die sie offen als "Risikoreaktor" bezeichnet. Allein zwischen 2000 und 2005 kam es in Temelin zu 15 Störfällen.

Ungebildete AKW-Gegner"

In Tschechien hingegen herrscht Atomkraftbegeisterung. Die Zustimmung liegt nach Umfragen bei 65 Prozent. "Es gibt fast keinen Widerstand mehr", sagt Milan Smrz, Vorsitzender von EUROSOLAR Tschechien. Er berichtet auch von Plänen, eine Wiederaufbereitungsanlage zu errichten. Ebenso sei ein neuer Reaktor im Pannen-AKW Dukovany geplant. "Es ist kaum zu glauben, dass so etwas in Mitteleuropa heute möglich ist", bedauert Smrz. Zudem gebe es eine starke Abneigung gegen erneuerbare Energien, deren Anteil lediglich fünf Prozent beträgt, berichtet er.

In den 90er Jahren gab es in dem Land mal eine starke Anti-AKW-Bewegung. 1995 kam es sogar zu einer Blockade des AKW Temelin. 120.000 Unterschriften wurden seinerzeit für ein Referendum gesammelt, das jedoch von der Regierung abgelehnt wurde. 2000 versprach die damalige Regierung vor der Wahl gar einen Baustopp.

Die Bewegung sei im Laufe der Jahre ausgestorben. "AKW-Gegner sind sehr ungebildete Leute", zitiert Milan Smrz "Argumente" der Regierung.

"Ungebildetes" aus Österreich: Im Bundesgesetzblatt der Alpenrepublik steht: "In Österreich dürfen Atomwaffen nicht hergestellt, gelagert, transportiert, getestet oder verwendet werden. Einrichtungen für die Stationierung von Atomwaffen dürfen nicht geschaffen werden. Anlagen, die dem Zweck der Energiegewinnung durch Kernspaltung dienen, dürfen in Österreich nicht errichtet werden. Sofern derartige bereits bestehen, dürfen sie nicht in Betrieb genommen werden."

Allerdings ist die Einfuhr von Atomstrom nicht verboten. Doch kann das Land auf 62 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen verweisen. Offiziell bezieht Österreich sechs Prozent Atomstrom aus dem Ausland. Nach Schätzungen von Greenpeace sollen es gar 20 Prozent sein. Bleibt zu hoffen, dass die Export-Rechnung der tschechischen Regierung nicht aufgehen wird.

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 172 - Februar/März 2013, Seite 19
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013