NATURSCHUTZ heute - Winter 2019
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.
Wenn das Image zum Problem wird
von Britta Hennigs
Hyänen haben ein Imageproblem: Sie gelten als dumm und feige. Ihr breites Grinsen, das laute Lachen, ihr linkischer Gang und dass sie in großen Rudeln über die erlegte Beute als mutiger und ehrenhafter geltender Raubtiere wie Löwen herfallen machen es nicht besser.
Als Autorin und Artenschützerin frage ich mich: Wo soll man bei
diesen denkbar schlechten Voraussetzungen überhaupt anfangen, eine
Lanze zu brechen für eine Tierart, die wichtig und schützenswert ist?
Zunächst einmal: Es geht hier nicht um die allseits bekannte, nicht
zuletzt durch Disneys "Der König der Löwen" in Verruf geratene
Tüpfelhyäne, sondern um ihre Verwandte, die Streifenhyäne. Sie ist,
wie ihr Name schon sagt, an ihrem gestreiften Fell zu erkennen,
unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von den anderen
Hyänenarten: Als Einzige kommt sie nicht ausschließlich in Afrika,
sondern auch in Asien vor, wo sie in offenen Landschaften wie
Halbwüsten und Savannen, aber auch im Gebirge auf Nahrungssuche geht.
Sie lacht nicht, sondern ist eher ein leiser Vertreter der Hyänen,
lebt oft einzelgängerisch und schläft in Erdbauten. Außerdem ist sie
die kleinste der drei Eigentlichen Hyänen (Tüpfel-, Streifen- und
Schabrackenhyäne), besitzt aber die längste Schultermähne von allen,
die sie aufstellen kann, um größer zu wirken.
Es stimmt, dass die als nachtaktiv geltende Streifenhyäne selten selber jagt (im Gegensatz zu Tüpfelhyänen, die sogar häufiger jagen als Löwen) und sich hauptsächlich von Aas ernährt. Dies ist ihr jedoch zugutezuhalten: So kann die Streifenhyäne zerkauen und verdauen, woran die meisten anderen Tiere scheitern, und verhindert so das Ausbreiten von Krankheiten. Aasfresser übernehmen sozusagen die Funktion der Müllabfuhr im Tierreich.
Hyänen werden seltener
Dennoch: Streifenhyänen werden fast überall seltener. Die Verbreitung
der Art, die sich von Nord- und Ostafrika über den Mittleren Osten und
die Arabische Halbinsel, den Iran und Pakistan bis nach Indien zieht,
ist bruchstückhaft, es gibt zahlreiche isolierte Populationen. Eines
der Länder, in denen die Art lange als verschollen galt, ist
Tadschikistan. In dem zentralasiatischen Hochgebirgsland werden
Hyänen, wie anderswo auch, als Grabräuber und Bedrohung der Ernten -
interessanterweise vorzugsweise Melonenernten - und Weidetiere
verfolgt. Das Verhältnis zwischen Mensch und Hyäne ist zerrüttet, die
Hyänen leiden unter Giftanschlägen, Angriffe durch Hirtenhunde und
Wilderei. Als Folge davon gab es jahrzehntelang keine
wissenschaftlichen Nachweise mehr über das Vorkommen der Streifenhyäne
in Tadschikistan.
Suche nach einem Dorf
Bis eines Tages ein Video im Internet auftauchte: Zu sehen waren drei
Streifenhyänen, die angeblich von Herdenschutzhunden getötet worden
waren. Doch das eigentlich Besondere des Videos waren ein in der
Überschrift genannter Ortsname und die Behauptung, dass es in
Tadschikistan aufgenommen worden war. Ein Hobby-Naturschützer namens
Umed Karimov machte sich auf die Suche nach dem Ort und konnte ihn im
Südwesten des Landes, am Rand der Aktau-Berge, tatsächlich ausfindig
machen. Er befragte die Bewohner des Dorfes, die ihm von den
Streifenhyänen erzählten, und fand sogar das im Video gezeigte
Hirtenhaus. Doch Karimov reichte das nicht. Ein weiterer Beweis musste
her, einer, der naturwissenschaftlich anerkannt werden würde. Karimov
baute Wildtierkameras auf und wartete ab. Im Dezember 2016 gelang es
schließlich: Das erste bekannte Foto einer lebenden Hyäne in
Tadschikistan war geschossen und damit der wissenschaftliche Beleg
dafür, dass in diesem Gebiet noch immer Streifenhyänen vorkommen.
Starke Unterstützung
Mittlerweile hat Karimov bei seiner Arbeit zum Schutz von
Streifenhyänen Unterstützung bekommen: Der NABU und die Zoologische
Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) haben in der
Region, aus der das Video stammt, ein gemeinsames
Streifenhyänen-Schutzprojekt gestartet. Im ersten Schritt geht es
darum, mit weiteren Fotofallen und Interviews Informationen zu
sammeln, denn Streifenhyänen sind die am wenigsten erforschte der drei
Hyänenarten. Um die seltene Art zu retten, haben Anwohner, vor allem
Hirten und Jäger, gemeinsam mit dem NABU, der ZGAP und tadschikischen
Partnern, den Naturschutzverein "Obi Safed" ("Weißes Wasser")
gegründet. Anwohner sollen über die Vermeidung von Schäden durch
Hyänen aufgeklärt und die Hirtenhunde, die immer wieder Streifenhyänen
töten, besser kontrolliert werden. Für naturinteressierte Touristen
sollen Führungen angeboten werden. In einem Wildschutzgebiet sollen
Streifenhyänen und ihr wichtigstes Beutetier, das Urialschaf, vor
Wilderei geschützt werden. Erst wenn sich die Wildschafbestände erholt
haben, dürfen neben den zahlreich anzutreffenden Wildschweinen auch
einzelne Wildschafe kontrolliert gejagt werden - ein Anreiz für den
Wiederaufbau und den Erhalt einer gesunden Wildschafpopulation, der
auch den Hyänen zugutekommt.
Es bleibt viel zu tun
Im Sommer 2018 gelangen den Mitgliedern von Obi Safed im Rahmen des
Projektes weitere Aufnahmen von Streifenhyänen. Auf einer davon trägt
ein Tier ein totes Lamm davon. Ein Bild, das nicht gut dazu taugt, das
beschädigte Image der Hyänen aufzupolieren. Wahrscheinlich war das
Lamm bereits tot, denn Streifenhyänen jagen selten selber und tragen
durch ihre Ernährungsweise zur Gesunderhaltung von Herden bei. Aber
das zu beweisen und die Hirten davon zu überzeugen, ist nicht leicht.
Es bleibt also viel zu tun für den Imagewandel der missverstandenen
Hyänen in Tadschikistan.
Art: Streifenhyäne (Hyena hyena)
Größe: 100 bis 120 Zentimeter, dazu kommt der Schwanz mit einer
Länge von 30 bis 40 Zentimetern
Gewicht: 25 bis 55 Kilogramm
Nahrung: Aas, lebende Tiere, meist Reptilien und Fische, aber
auch Pflanzen, u.a. Melonen
Lebenserwartung: Bis zu 20 Jahre
Sozialstruktur: Einzelgänger, paarweise oder in kleineren
Familiengruppen
Fortpflanzung: 1-4 Jungtiere, die nach 90-94 Tagen Tragzeit zur
Welt kommen.
Gefährdung: In der Roten Liste der International Union for
Conservation of Nature (IUCN) werden Streifenhyänen mit
abnehmendem Bestand von ungefähr 10.000 erwachsenen Individuen im
Freiland als potenziell gefährdet eingestuft.
*
Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/19, Seite 42 - 43
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
E-Mail: Naturschutz.heute@NABU.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: NABU@NABU.de
Internet: www.NABU.de
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2019
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang