WWF Pressemitteilung, 29.12.2022
Gewinner und Verlierer 2022
- Ein schlechtes Jahr für Oderfische, Rentiere und Dugongs
- Gute Nachrichten von Tigern, Spix-Aras und Buckelwalen
Berlin, 29.12.2022: Für Rentiere, Breitmaulnashörner, Dugongs und Störe, insbesondere in der Oder, war 2022 laut einer heute veröffentlichten WWF-Jahresbilanz kein gutes Jahr. Die Bestände sind rückläufig und die Bedrohungen nehmen weiter zu. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das tausender Arten: Seit 1970 sind die untersuchten Wirbeltierbestände laut Living Planet Report 2022 weltweit im Durchschnitt um 69 Prozent zurückgegangen. Die Internationale Rote Liste verbucht mittlerweile mehr als 42.100 Tier- und Pflanzenarten als bedroht. Das betrifft knapp 30 Prozent aller dort erfassten Spezies.
Allerdings konnten 2022 auch einige Erfolge verzeichnet werden: Kommerziell gehandelte Hai- und Rochenarten werden in Zukunft besser geschützt, Spix-Aras wurden in ihrem ursprünglichen Lebensraum wiederangesiedelt und durch Asien streifen wieder mehr Tiger.
WWF-Vorstand Christoph Heinrich kommentiert: "Wenn wir unsere Natur weiter in dem Tempo zerstören, gehören wir Menschen auch zu den großen Verlierern. Denn von sauberer Luft über Trinkwasser und Nahrung bis zu einer funktionierenden Wirtschaft hängt alles an der gesunden Natur. Wir brauchen sie zum Überleben." Hoffnung auf einen Stopp der Artenkrise macht das kürzlich in Montreal verabschiedete Weltnaturabkommen. Heinrich sagt: "Die Umsetzung muss jetzt klappen. Für die Rettung unseres Planeten bekommen wir keine zweite Chance."
Rentier
Der Bestand der weltweit größten Population von wildlebenden
Rentieren ist von 417.000 im Jahr 2014 auf 250.000 Tiere
eingebrochen. Im Jahr 2000 bestand diese in der Taimyr-Region in
der russischen Arktis lebende Population noch aus einer Million
Tiere. Besonders die Klimakrise und Wilderei bedrohen Rudolfs
wilde Verwandte.
Schwebfliegen in Europa
Mehr als ein Drittel aller Schwebfliegenarten in Europa (314 von
890 Arten) sind laut der neuen Roten Liste der
Weltnaturschutzunion (IUCN) durch Landnutzungswandel,
Pestizideinsatz und Klimakrise bedroht. Ein schwerwiegender
Verlust: Schwebfliegen sind die zweitwichtigsten Bestäuber und
helfen bei der Kontrolle von Blattläusen. Die Flugkünstler können
zudem wie Kolibris in der Luft stehen und blitzartige Manöver
sowohl im Vorwärts- wie im Rückwärtsgang fliegen.
Breitmaulnashorn
Nashörner leben schon seit über 50 Millionen Jahren auf unserem
Planeten und haben Eiszeiten überlebt. Für ihr Horn werden die
Kolosse brutal verfolgt und gewildert. In den letzten neun Jahren
sind in Afrika die Bestände von Breitmaulnashörnern durch
Wilderei von 20.600 auf knapp 16.000 gefallen.
Kaiserpinguin
Ein schlechtes Jahr für den Kaiserpinguin: Im Sommer verpasste es
die Antarktis-Konferenz die größte Pinguinart als besonders
geschützte Art auszuweisen. Im Oktober verhinderten dann erneut
zwei Staaten die geplante Ausweisung von Meeresschutzgebieten im
Südpolarmeer. Im November endete dann auch noch die UN-
Klimakonferenz ohne die notwendigen Fortschritte. Bei den
derzeitigen Treibhausgasemissionen drohen zwischen 80 und 100
Prozent aller bekannten Kaiserpinguin-Kolonien bis 2100 nahezu zu
verschwinden.
Oderfische und Störe
Die Fische der Oder gehörten in diesem Jahr zu den großen
Verlierern. Die menschengemachte Katastrophe war auch ein herber
Rückschlag für die Wiederansiedlung des Baltischen Störs in der
Oder. Tausende Jungfische verendeten. Mehr schlechte Nachrichten
zu den Störartigen kamen von der IUCN: Seit diesem Jahr gilt der
Schwertstör weltweit, der Jangtse-Stör in freier Wildbahn und der
Glattdick als in der EU ausgestorben.
Dugong
Die Seekühe driften dem Aussterben entgegen: Laut Roter Liste vom
Dezember gibt es vor der ostafrikanischen Küste nur noch weniger
als 250 ausgewachsene Dugongs, vor Neukaledonien weniger als 900.
Forscher vermeldeten dazu im August, dass die Art in China sogar
funktionell ausgestorben sei. Dugongs enden als Beifang, werden
gewildert, von Booten verletzt oder finden wegen
Grundschleppnetzfischerei und Meeresverschmutzung in zerstörten
Seegraswiesen weniger Nahrung.
Wisente im Rothaargebirge
Keiner will sie haben: Im Nordrhein-Westfälischen Rothaargebirge
lebt seit 2013 eine frei umherstreifende Wisentherde von
mittlerweile 25 Tieren. Nach dem drohenden Aus des Trägervereins
weist das Land Nordrhein-Westfalen jede Verantwortung für die
streng geschützten Tiere von sich. Dabei verpflichten europäische
Artenschutzgesetze das Land dazu, sich für den Schutz der
Wildrinder einzusetzen.
Tiger
Im chinesischen Kalender war 2022 das Jahr des Tigers. Besondere
Erfolge im Tigerschutz konnte Nepal verbuchen: Dort leben wieder
355 Exemplare der bedrohten Großkatzen - fast dreimal mehr als
2009 geschätzt wurden. Auch die Bestände in Bhutan, Russland,
China und dem tigerreichsten Land Indien erholen sich gut.
Kommerziell gehandelte Hai- und Rochenarten
Die Weltartenschutzkonferenz CITES (Convention on International
Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) beschloss im
November den besseren Schutz von Grundhaien, Hammerhaien und
Geigenrochen. Erlaubt ist internationaler Handel mit ihnen nur
noch, wenn ihre Bestände dadurch nicht gefährdet werden. Über 90
Prozent aller international gehandelten Hai- und Rochenarten
werden damit vor unreguliertem und nicht-nachhaltigem Handel
geschützt. Eine wichtige Entscheidung, denn ein Drittel der über
1.200 Hai- und Rochenarten sind bedroht, die mit Abstand größte
Bedrohung ist die Überfischung.
Spix-Ara
Das Comeback des Jahres feierten die Spix-Aras in ihrer
brasilianischen Heimat. Nach mehr als 20-jähriger Abwesenheit
wurden insgesamt 20 der kleinen, blauen Papageien ausgewildert,
viele weitere sollen folgen. Durch Lebensraumzerstörung und
illegalen Handel gab es Anfang der 2000er nur noch 55 Spix-Aras
in Menschenobhut. Dank eines Nachzuchtprogrammes eines
Artenschutzvereins aus der Nähe von Berlin gibt es mittlerweile
wieder etwa 261 Tiere.
Banteng in Thailand
Ein Lichtblick für Bantengs und ein Argument für die Vernetzung
von Lebensräumen: Bantengs sind stark gefährdet und kommen in
Südostasien nur noch in kleinen, verstreuten Beständen vor. In
den 1970ern wurden die Wildrinder auch im Mae Wong Nationalpark
in Thailand ausgerottet. WWF-Mitarbeiter:innen konnten nun
nachweisen, dass Bantengs dorthin zurückgekehrt sind und sich
sogar fortpflanzen.
Buckelwal in Australien
Buckelwale in Australien konnten 2022 von der dortigen Liste der
bedrohten Arten gestrichen werden. Ihre Zahl ist in australischen
Gewässern von ehemals 1500 auf 40.000 bis 65.000 gestiegen.
Dennoch bleiben akute Gefahren wie Fischerei, Schifffahrt und
Umweltverschmutzung bestehen, wie ein WWF-Bericht [1] zeigte.
Mehr Schutz ist daher nötig.
Unechte Karettschildkröte
In den USA und auf den Kapverdischen Inseln wurden in letzter
Zeit so viele Nester der Unechten Karettschildkröten gefunden,
wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Regionen sind zwei ihrer
drei wichtigsten Brutgebiete. Alleine auf den Kapverden hat sich
die Anzahl der Nester seit 2015 etwa verzwanzigfacht. Die
Bestände der gefährdeten Meeresschildkröte erholen sich zwar, der
Erfolg könnte allerdings von der Klimakrise zunichtegemacht
werden.
[1] https://www.wwf.de/2022/februar/toedlicher-hindernisparcours
*
Quelle:
WWF Pressemitteilung, 29.12.2022
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 3. Januar 2023
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