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DESERTIFIKATION/007: China - Kampf gegen Wüstenbildung, Staat hilft bei Aufforstung und Begrünung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2012

China: Erfolgreich gegen Wüstenbildung - Staat unterstützt Aufforstung und Begrünung

von Manipadma Jena


Rückgewinnung von Land in der chinesischen Sudu-Wüste - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Rückgewinnung von Land in der chinesischen Sudu-Wüste
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Chifeng, Innere Mongolei, 9. Juli (IPS) - Im Kampf gegen die Wüstenbildung hat China eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Bewohner des kleinen Dorfs Chifeng in der Inneren Mongolei haben mit staatlicher Unterstützung 120.000 Hektar Land mit Bäumen bepflanzt und Berghänge gesichert, um die Bodenerosion aufzuhalten.

Das halbtrockene Klima in Chifeng und die spärliche Vegetation haben die Böden erheblich geschädigt. Landwirtschaft und Viehzucht, die beiden Eckpfeiler der Region, sind zunehmend bedroht, obwohl die Wiederaufforstung bereits um 1940 in Angriff genommen worden war.

Die Hauptauslöser des Problems sind nach Erkenntnissen der Stadtverwaltung die Entwaldung, die Überbeanspruchung der versandeten Böden und die Überweidung. Degradiertes Land, das seine Vegetation verloren hat, ist den heftigen Winden in den Monaten März bis Mai immer stärker ausgesetzt. Wissenschaftlern zufolge lagern sich dadurch während eines Monats im Durchschnitt 35 Tonnen Sand auf jeweils einem Quadratkilometer Land ab.

Qihetang, ein von 228 Familien bewohntes Dorf im Bezirk Linxi, erlebte aufgrund von Waldschwund und Überweidung ein ökologisches Desaster. 1990 betrug das Pro-Kopf-Einkommen umgerechnet etwa 50 US-Dollar. Jede Familie erntete auf Anbaugebieten, die jeweils durchschnittlich zwei Hektar groß waren, lediglich 150 Kilo Getreide. Zahlreiche Einwohner verließen daher die Region.

1992 beschloss das Dorfkomitee jedoch, Zäune an den Berghängen zu errichten, Obstbäume zu pflanzen und die offene Weidewirtschaft zu verbieten. Ein Jahr später stellte die chinesische Regierung finanzielle und fachliche Hilfe für den grünen Umbau bereit. Im Rahmen des Programms 'Getreide für Grün' wurden zunächst Beihilfen von jeweils acht Dollar sowie 200 Kilo Getreide zur Verfügung gestellt. Später seien den Familien pro Parzelle 25 Dollar zugeteilt worden, sagte Cao Wenzhong, der Generaldirektor der Forstbehörde in der Inneren Mongolei.


Einkommen durch Obst- und Holzhandel gestiegen

Das Gebiet des Dorfs Qihetang mit einer Fläche von insgesamt 2.154 Hektar ist inzwischen zu 80 Prozent begrünt. Neben wiedergewonnenem Grasland sieht man dort Obstbäume und Pinien. "Das Durchschnittseinkommen hat sich pro Kopf durch den Obst- und Holzhandel auf umgerechnet 1.260 Dollar erhöht", sagte der Dorfälteste Zhang Chun Jie. "Die Bauern kaufen sich jetzt sogar Traktoren."

Wie Jie berichtete, verbringen zwar viele Menschen die strengen Winter in anderen Gegenden. Nicht wenige blieben aber zu Hause, um Obst einzumachen, Viehfutter herzustellen und Holz zu verarbeiten. Auch der Tourismus beginne sich zu entwickeln.

"Mehr als zwei Milliarden Hektar Fläche eignen sich für Maßnahmen zur Wiederaufforstung oder zur Regenerierung von Landschaften. In den meisten Fällen geschieht dies durch eine Kombination von Agro-Forstwirtschaft und Bewirtschaftung durch Kleinbauern", sagte Mansour N'Diaye vom Büro der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) Anfang des Jahres auf einem Workshop in Chifeng.

Der Distrikt Wengniute mitten in der Region Chifeng, in dem es häufig zu Sandverwehungen kommt, ist damit besonders anfällig für Wüstenbildung. Er steht im Fokus der Bemühungen Chinas zur Kontrolle der Desertifikation. Seit Oktober vergangenen Jahres werden 400.000 Hektar stark versandeten Landes zu beiden Seiten der Straße durch die Sudu-Wüste nach und nach in Wälder und Grünflächen verwandelt. Die Schutzbarriere aus Bäumen, die den mit hoher Geschwindigkeit heranwehenden Sand aufhalten soll, erstreckt sich bereits über 120.000 Hektar.

"Die Wiedergewinnung des Landes kostet pro Hektar etwa 1.180 Dollar", erklärte Wang Feiyue von der Behörde, die für die Umwandlung von Land zuständig ist. Die Überlebensrate einheimischer Pflanzenarten wie chinesische und mongolische Pinien, gelbe Weiden und acht Buschvarietäten, die auch auf sandigen Böden gedeihen, liege bei 75 Prozent.

Einige Experten sind der Ansicht, dass der Erfolg der Maßnahmen darauf zurückzuführen ist, dass die Regierung die Bauern überzeugen konnte, ihre Viehbestände zu reduzieren oder trockene Gebiete zu verlassen. Andere Beobachter sind allerdings der Ansicht, dass die zeitweise Umsiedlung von Bauerngemeinden wiederum sozio-kulturelle Probleme auslösen kann.

In den meisten Fällen kauft die Regierung Land von Farmern und Viehzüchtern. Fünf Jahre lang sind dort Anbau und Grasen untersagt. Vom sechsten Jahr an dürfen die Bauern das Land saisonweise und nach dem Rotationsprinzip nutzen.

Im Zuge des zwölften Fünf-Jahres-Plans der chinesischen Regierung ist auch vorgesehen, bis 2015 etwa 1,1 Millionen Nomaden wiederanzusiedeln. Die Tatsache, dass immer weniger Grasland zur Verfügung stand, hat nach Ansicht von Experten auch dazu beigetragen, dass die Innere Mongolei im Mai vergangenen Jahres von einer Protestwelle erfasst wurde. Ethnische Mongolen machen dort 20 Prozent der insgesamt rund 23 Millionen Einwohner aus.

"Wir müssen die traditionelle Nomadenkultur besser verstehen. Die Hirten fühlen sich nicht wohl, wenn sie an einem Ort bleiben müssen", sagte Yang Youlin, der Asien-Koordinator von UNCCD. Allein im Bereich der Stadt Chifeng gibt es nach dem Stand von 2008 etwa 14 Millionen Nutztiere. Laut Youlin stellten sich die Hirten gegen die staatlichen Forderungen nach einer Verkleinerung der Herden, da sie in kalten Wintern zwei Drittel der Tiere verlören.


Ein Viertel von Chinas Staatsgebiet durch Desertifikation bedroht

In ganz China beträgt der Anteil von Land, das sich in Wüste und versandete Flächen verwandelt hat, inzwischen rund 2,6 Millionen Quadratkilometer. Dies entspricht fast einem Viertel des nationalen Territoriums. Betroffen sind 400 Millionen Menschen, die in 18 Provinzen leben. Das nationale Programm gegen Wüstenbildung erhält jährlich Zuschüsse von fünf Milliarden Dollar. 19 Ministerien arbeiten auf dem Gebiet zusammen.

Nach Angaben des stellvertretenden Leiters des Programms, Xu Qing, will China bis 2020 auf der Hälfte einer insgesamt 530.000 Quadratkilometer großen Fläche nutzbares Land wiedergewinnen. Das gesamte Areal soll bis 2050 wiederaufgeforstet und begrünt werden.

China hat sich im Kampf gegen die Wüstenbildung zum Vorreiter entwickelt, indem es wissenschaftliche Methoden zur Landkonversion mit passenden Gesetzen und Strategien verbindet.

Nach Angaben von Youlin sind mittlerweile 40 Prozent der gesamten Landflächen der Erde von Wüstenbildung betroffen. An der Spitze steht Asien mit 1,7 Milliarden Hektar, gefolgt von Afrika, das zu zwei Dritteln aus trockenen Gebieten besteht, die wiederum zu 71 Prozent durch Desertifikation, Landdegradation und Dürre bedroht sind. Weltweit haben demnach 110 Staaten Trockenregionen, die ein potenzielles Wüstenbildungsrisiko tragen. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.unccd.int/en/Pages/default.aspx
http://www.ipsnews.net/2012/07/china-battles-desertification/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2012