Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde - 24.11.2017
HNEE hilft, Europas Urwälder zu bewahren - Urwaldkarte von der rumänischen Regierung anerkannt
Ein Forscherteam der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) erarbeitete zusammen mit der Al. I. Cuza Universität in Iasi und Greenpeace Rumänien eine Karte der potenziellen Urwaldgebiete. Bislang sorgte das Fehlen einer offiziellen Karte für erhebliche Rechtsunsicherheit und trug zum Verlust wertvoller Flächen bei. Mit der vorgelegten Studie wird sich das künftig ändern. Die rumänische Regierung hat die Karte in ersten Gesprächen anerkannt. Ein Interview mit den federführenden Experten der HNEE, Freya Kathmann und Prof. Dr. Pierre Ibisch
Welche Bedeutung haben die Primärwälder in Rumänien für Europa?
Freya Kathmann: Alte Buchenwälder oder gar Primärwälder sind in Europa rar geworden. Durch intensive Holznutzung wurden diese in die Europäischen Bergwaldregionen wie Alpen, Balkan oder Karpaten zurückgedrängt. Vor allem in den Karpaten gibt es noch große, zusammenhängende Primärwaldgebiete. Rumänien beherbergt eine Schatzkammer europäischer Buchenwälder, die es in diesen Größenordnungen anderswo nicht mehr gibt. Buchen(primär)wälder sind einzigartig in Europa. Deshalb ist es wichtig die noch verbleibenden Wälder zu erhalten; nicht nur als Heimat für wertvolle Waldökosysteme, für Braunbären, Luchse und Wölfe aber auch als Kohlenstoffsenke und Lieferant von vielen weiteren Ökosystemleistungen.
Welche Hürden gibt es derzeit, diese Bestände zu schützen?
Freya Kathmann: Die rumänischen Wälder sind noch immer durch
Holzeinschlag bedroht. Nicht nur illegaler sondern auch legaler
Holzeinschlag ist in diesen Wälder kritisch zu sehen. Selbst vor
Nationalparks machen zerstörende Einschlagpraktiken nicht halt,
befeuert durch Korruption und schwache Gesetzgebung.
Im Jahr
2012 wurde ein "Nationaler Katalog von Urwäldern und alten Wäldern"
von dem rumänischen Ministerium für Umwelt, Wasser und Wälder
implementiert (Order no. 1417/11.07.2016). In diesem Katalog sollen
alle rumänischen Urwälder registriert werden, und ein Schutz dieser
Gebiete soll gewährleistet werden. Diese Gebiete werden zurzeit von
verschiedenen NGOs und Privatpersonen kartiert. Eine systematische,
landesweite Inventur der Wälder fehlt allerdings. Die letzte
rumänienweite Inventur von Primärwäldern wurde im Jahr 2005 im Rahmen
des niederländischen PinMatra-Projekts durchgeführt. Da auf diesen
Flächen weiterhin Holzeinschlag stattfindet, wird diese Inventur
heute, 12 Jahre später, nicht mehr aktuell sein. Eine offizielle
landesweite Inventur aller alten Buchen- und Primärwälder, die auf dem
heutigen Stand ist gibt es nicht. Das Ziel unserer Karte ist es, diese
Lücke zu schließen.
Wie sind Sie bei der Kartierung zusammen mit Greenpeace Rumänien vorgegangen?
Freya Kathmann: Da von offizieller Seite keine Methodik zur landesweiten Inventur der Wälder gestellt wurde, haben wir eine Methodik entwickelt. Mittels Fernerkundung wurden Walgebiete anhand ihrer Struktur als potentielle Urwaldgebiete eingestuft und anthropogene Störungen, die einen Urwald ausschließen, wurden aus den Gebieten entfernt. Mittels Satellitenbildanalyse kann allerdings nicht endgültig festgestellt werden, ob diese Wälder nicht doch menschliche Einflüsse aufweisen, die auf dem Satellitenbild nicht erkennbar waren. Der nächste Schritt ist also die Begehung dieser Wälder. Dazu ist jede*r herzlich eingeladen, vor allem aber muss die rumänische Regierung eine Inventur durchführen und bestenfalls diese fortführen.
Wie hat denn die rumänische Regierung bislang auf Ihre Arbeit reagiert?
Pierre Ibisch: Wenige Tage nach Veröffentlichung der von uns herausgegebenen Karte zu den rumänischen Urwaldpotenzialgebieten wurde Greenpeace Rumänien von der Umweltministerin Doina Adriana Pana zum persönlichen Gespräch eingeladen. Die Ministerin bezeichnete die Karte als dringend nötig und äußerte die Absicht, die Karte als Arbeitsgrundlage zu verwenden. Dies ist angesichts der derzeitigen forstlichen Dynamik in Rumänien mit entsprechender Intransparenz von Prozessen, illegalem Holzeinschlag und auch der massiven Kritik an FSC-zertifizierten Unternehmen ein großer Erfolg.
Was sind die nächsten Schritte, damit die Urwälder Rumäniens nachhaltig geschützt werden können?
Freya Kathmann: Das Ziel ist es nun, aus den identifizierten Urwaldpotentialgebieten die tatsächlichen Urwälder heraus zu filtern. Danach fordern wir die Aufnahme der Wälder in den Katalog und damit deren unter Schutzstellung. Zudem ist ein Managementkonzept für diese Wälder nötig, um deren tatsächlichen und nachhaltigen Schutz zu garantieren. Pierre Ibisch: Als Hochschule werden wir uns weiter mit unseren Partnern in Rumänien sowie in ganz Europa für die Bewertung und die Bewahrung von Urwäldern einsetzen. Dies geschieht auch bereits im Rahmen des von uns mitbegründeten European Beech Forest Network.
Zu den Personen:
Freya Kathmann, HNEE-Studierende im Studiengang International Forest
Ecosystem Management, deren Bachelorarbeit sich mit der
satellitenbildgestützten Kartierung und räumlichen Analyse der
Urwälder Rumäniens befasst.
Prof. Dr. Pierre Ibisch, Professor am Fachbereich für Wald und Umwelt
mit Schwerpunkt Naturschutz. Er ist der Direktor des 2011 gegründeten
Centre for Econics and Ecosystem Management in Eberswalde
(www.centreforeconics.org) und befasst sich weltweit mit Projekten zu
Naturschutz und Ökosystemmanagement. Seit über 10 Jahren ist er auch
in den Karpaten aktiv.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.hnee.de
Homepage der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)
http://www.centreforeconics.org
Centre for Econics and Ecosystem Management in Eberswalde
Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news685234
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution419
Anmerkung der Redaktion Schattenblick:
weitere Informationen zum Projekt im Schattenblick unter
Infopool → Umwelt → Lebensräume→
MELDUNG/335: Kartenmaterial liefert überzeugende Argumente zur Rettung
der letzten Urwälder Europas (idw)
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Annika Bischof M.A., 24.11.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2017
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