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FISCHEREI/054: Subventionierte Überfischung - Steuerzahler finanzieren Plünderung der Meere (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. November 2012

Umwelt: Subventionierte Überfischung - Steuerzahler finanzieren Plünderung der Meere

von Christopher Pala


Subventionierte Fangflotten gefährden Kleinfischer in ihrer Existenz - Bild: © Christopher Pala/IPS

Subventionierte Fangflotten gefährden Kleinfischer in ihrer Existenz
Bild: © Christopher Pala/IPS

Washington, 9. November (IPS) - Die Subventionen für internationale Fangflotten, die mit Bodennetzen und anderen destruktiven Fangmethoden ausländische Küstengewässer leer plündern und dadurch die Existenz der lokalen Kleinfischer gefährden, gehören nach Ansicht von Experten abgeschafft.

China, Taiwan und Korea sowie Europa, Japan und die USA zahlen zwei Drittel der weltweiten Fischereisubventionen, geht aus in einer Untersuchung der Universität von British Columbia (UBC) hervor. Mit dem Großteil der Gelder werden immer effizientere Fangschiffe gebaut, die in der Lage sind, die steigende Nachfrage trotz schwindender Fischbestände zu decken. Auch die Spritkosten werden bezuschusst, müssen die Fangflotten in immer tiefere Gewässer vordringen, um ihre Container zu füllen.

"Die Dezimierung der weltweiten Fischpopulationen und die Verarmung der Küstendörfer wird von den Steuerzahlern finanziert", kritisiert Rashid Sumaila, Hauptautor der UBC-Studie, im Telefoninterview mit IPS. Viel von dem Fisch, der in Europa, den USA und Japan gegessen wird, stammt aus vorwiegend armen Ländern, nachdem die Industriestaaten ihre eigenen Gewässer vor langer Zeit überfischt haben. Je stärker ein Seegebiet überfischt wird, desto schwieriger wird es für die großen Trawler, dort fündig zu werden. Sie schreien dann nach höheren Subventionen. Das ist verrückt."

Dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, zufolge wird es höchste Zeit, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Wie er erläutert, übersteigt der Pro-Kopf-Fischverzehr der Industriestaaten den der Entwicklungsländer um ein Dreifaches und führt dazu, dass die Ausbeutung der Weltmeere die Lebensgrundlage der Küstenbewohner zerstört.


Fischerei als Instrument der Ernährungssicherheit gefährdet

"Sollten diese destruktiven Praktiken nicht gestoppt werden, kann die Fischerei nicht mehr dazu beitragen, das Recht von Millionen Menschen auf Nahrung zu sichern", warnt de Schutter. Werden die Subventionen nicht abgeschafft, "müssen künftige Generationen den Preis für die Überfischung der Meere zahlen".

Die Vereinten Nationen haben in ihrem Bericht 'Fisheries and the Right to Food' darauf hingewiesen, dass in internationalen Seerechts- und Welthandelsabkommen ein Verbot der Subventionierung der Fangflotten gefordert wird, die in aller Regel eine nicht nachhaltige Fischerei praktizieren.

Nicht nur, dass sich die industrielle Fischerei ohne Subventionen nicht rechnen würde. Sie verschafft zudem weitaus weniger Menschen ein Auskommen. Die Produktion von 1.000 Tonnen Fisch beschäftigt 200 Menschen. Hingegen sichert die mit Kleinbooten gefangene Menge 2.400 Fischern eine Existenz, wie aus dem UN-Bericht hervorgeht.

Der industrielle Sektor beschäftigt eine halbe Million Fischer, die 30 Millionen Tonnen Fisch fangen, weitere 15 Millionen Tonnen als Beifang verklappen und 37 Millionen Tonnen Treibstoff verbrauchen. Die Ausbeute der Kleinfischerei ist in etwa ebenso groß, doch ermöglicht sie zwölf Millionen Menschen einen Broterwerb, die so gut wie nichts entsorgen müssen. Die kleinen Boote benötigen zudem nur ein Siebtel des Benzins, den die großen Trawler verbrauchen, und die Kleinfischerei erhält gerade einmal ein Fünftel der Subventionen. Zudem leistet sie für die Ernährung der lokalen Bevölkerung einen weit höheren Beitrag als die industrielle Fischerei, die ihre Fänge in den Industriestaaten teuer verkauft.

Zudem wird fast alles, was die kleinen Fischer an Land holen, verzehrt, während die industriellen Fangflotten neben dem essbaren Fisch noch 35 Millionen Tonnen marine Organismen - von Fisch zu Plankton zur Herstellung von Sprit und Fischmehl für Dünger und Viehfutter - aus dem Meer holen. Die Folge: Die Lebensgrundlage der essbaren Fische schwindet.

Reis wird zu 95 Prozent und Weizen zu 80 Prozent direkt in den jeweiligen Anbaugebieten verzehrt. Für Fisch trifft dies nur zu 60 Prozent zu. Der Rest wird exportiert. Die industriellen Fangflotten beteiligen die Entwicklungsländer für das Recht, in ihren Gewässern zu fischen, mit zwei Prozent (Guinea Bissau) bis sechs Prozent (Pazifikinseln, aus deren Gewässern die Hälfte der weltweiten Thunfischfänge stammt) an ihren Gewinnen.

Oftmals verschwinden die Gelder in den Taschen korrupter Regierungsbeamter. Sie fallen ohnehin schon recht bescheiden aus, wenn man bedenkt, dass Staaten von ausländischen Unternehmen, die in ihrem Hoheitsgebiet Erdöl fördern, einen Anteil zwischen 30 und 70 Prozent des Ölwertes erhalten.


Vereinzelt leisten Länder Widerstand

In einigen Entwicklungsländern regt sich inzwischen Widerstand. So haben 50.000 senegalesische Kleinfischer, empört über den Ausverkauf der nationalen Ressourcen an europäische Schiffsflotten und unterstützt von Umweltorganisationen wie Greenpeace die neue Regierung dazu gezwungen, die von der Vorläuferregierung an ausländische Trawler vergebenen Fischereilizenzen zu löschen.

Namibia wiederum hat ausländische Flotten nach seiner Unabhängigkeit 1990 quasi aus seinen Hoheitsgewässern verbannt und eine eigene industrielle Fischerei auf die Beine gestellt. Die Malediven im Indischen Ozean haben den ausländischen Flotten den Fang von Thunfisch zugunsten der kleinen Fischer untersagt, die qualitativ hochwertigeren Fisch fangen. Die Meeresressourcen müssen de Schutter zufolge zum Wohl der lokalen Gemeinschaften vor der weiteren Überfischung bewahrt werden. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.fao.org/righttofood/publi09/Fisheries_en.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/11/billions-in-subsidies-prop-up-unsustainable-overfishing/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012