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FISCHEREI/176: EU-Fischereipolitik - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-Koordination

EU-News - 01.06.2018 / Wasser & Meere

Fischereipolitik: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser


Moderner, leichter, effizienter - die Europäische Kommission hat am Mittwoch Verbesserungen vorgeschlagen, um die Überwachung und Einhaltung der Fischereivorschriften in der EU an aktuelle Bedingungen anzupassen und zu vereinfachen. Ein wirksames Kontrollsystem sei entscheidend, damit die Fischbestände der EU nachhaltig bewirtschaftet werden und die davon abhängigen Unternehmen langfristig schützt. WWF und BirdLife bezweifeln, dass die neuen Vorschläge dafür ausreichen: "halbgar" und "außer Kontrolle" lautet die harsche Kritik.

Der Vorschlag der Kommission beinhaltet unter anderem:

  • Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik mit einer gemeinsamen Liste von Kriterien für eine als schwerwiegend eingestufte Zuwiderhandlung und entsprechende Sanktionen; das bestehende Punktesystems für lizenzierte Schiffe soll gestärkt werden und ähnlich funktionieren, wie das in den meisten Mitgliedstaaten vorhandene Register für Verkehrssünder;
  • Ein zuverlässigeres und vollständigeres Fischereidatensystem einschließlich vollständig digitalisierter Fangmeldungen für alle Fischereifahrzeuge der EU (einschließlich Schiffe unter 12 Meter), ein elektronisches Nachweissystem für alle Schiffe, neue Wiegeverfahren für Fischereierzeugnisse und strengere Fangregistrierungsregeln für die Freizeitfischerei;
  • Verbesserte Rückverfolgbarkeit von EU- und importierten Fischerei- und Aquakulturerzeugnissen; dank Digitalisierung werden Kontrollen entlang der Lieferkette für alle Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse, unabhängig davon, ob sie eingeführt wurden oder aus der EU stammen, ermöglicht.
  • Strengere Vorschriften für als Müll im Meer treibende Fanggeräte und Netze; die Kommission schlägt vor, die Berichterstattung über verlorenes Fanggerät zu verbessern (im Einklang mit den neuen EU-Vorschriften für Einwegplastikprodukte [1], siehe EU-News 29.05.2018 [2]); außerdem sollen die Hersteller zur Deckung der Kosten für Säuberung und Abfallbewirtschaftung beitragen, die verlorene Fanggeräte verursachen;
  • Überarbeitung des Mandats der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur (EFCA) zur vollständigen Anpassung ihrer Ziele an die Gemeinsame Fischereipolitik und Ausbau ihrer Kontrollbefugnisse.

Die EU-Kommission hofft, damit auch illegale Fischereiaktivitäten besser ahnden zu können. Außerdem soll die Anlandeverpflichtung unterstützen, deren letzte Umsetzungsfrist Anfang 2019 ablaufen wird. Alle Fischereien müssen dann sämtliche Fänge an Land bringen, nicht genehmer Fisch darf nicht mehr über Bord geworfen werden. Zurzeit gilt noch die Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 [3], die 2010 in Kraft trat. Der Vorschlag bezieht aber noch vier weitere existierende Gesetzestexte mit ein. Der neue Verordnungsentwurf muss noch von Parlament und Rat abgestimmt werden.

Der WWF kritisierte den Vorschlag der EU-Kommission als "an Schlüsselstellen halbgar", vor allem die Anlandeverpflichtung müsse verschärft und mit gezielter Kameraüberwachung kontrolliert werden. "Die zuständigen Behörden müssen alle relevanten Daten, die den legalen Ursprung von Importfisch belegen, erhalten. Der Kommissionsvorschlag gewährleistet das nicht. Deutschland muss sich in Ministerrat und EU-Parlament für eine Verschärfung einsetzen, sonst haben wir hier illegal gefangenen Fisch in der Kühltheke liegen.", mahnte Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF Deutschland.

Auch BirdLife ist unzufrieden mit den aus seiner Sicht zu laxen Vorschlägen und nennt die Kontrollverordnung eine "außer-Kontrolle-Verordnung". Der Verband kritisiert beispielsweise, dass Verstöße gegen den Schutz sensibler Gebiete oder den Seevogelschutz nicht als ernsthafte zuwiderhandlung eingestuft würden. Eine Schließung von Fischereien bei systematischem Regelbruch mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Meeresumwelt sei ebenfalls nicht vorgesehen. Zudem würde es keine ausreichende Kontrollen von EU-Flotten geben, die außerhalb der EU-Gewässer fischten. Die zivilgesellschaft müsse unbedingt einbezogen werden, forderte BirdLife und hofft, dass Parlament und Rat das "langsam sinkende Schiff" der Kontrollverordnung noch retten können. [jg]



Pressemitteilung der EU-Kommission
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3978_en.htm

Verordnungsentwurf (PDF, englisch)
https://ec.europa.eu/fisheries/sites/fisheries/files/docs/com-2018-368_en.pdf

Reaktion WWF Deutschland und Reaktion WWF Europabüro
https://www.wwf.de/2018/mai/halbgare-fischereikontrolle/
http://www.wwf.eu/?uNewsID=328543

Reaktion BirdLife
https://www.birdlife.org/europe-and-central-asia/pr/30-May-2018

[1] http://ec.europa.eu/environment/circular-economy/pdf/single-use_plastics_proposal.pdf
[2] https://www.dnr.de/eu-koordination/eu-umweltnews/2018-abfall/eu-vs-plastik/
[3] http://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fischerei/Fischetikettierung/Verordnung-1224-2009.pdf?__blob=publicationFile&v=1

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Quelle:
EU-News, 01.06.2018
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2018

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