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GLOBAL/084: Aichi-Artenvielfaltsziele in Gefahr - CBD-Vertragsstaatenkonferenz in Hyderabad (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2012

Umwelt: Aichi-Artenvielfaltsziele in Gefahr - CBD-Vertragsstaatenkonferenz in Hyderabad

von Keya Acharya und Karina Böckmann



Hyderabad, Indien / Berlin, 10. Oktober (IPS) - Die Teilnehmer der Elften Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP 11 CBD) in der südindischen Stadt Hyderabad treibt derzeit die Frage um, woher die Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der 'Aichi-Ziele' herkommen sollen.

Die Aichi-Ziele sehen bis 2020 vor, die Ursachen des Artenschwunds zu bekämpfen, die Artenvielfalt nachhaltig zu nutzen, den Zustand der biologischen Vielfalt durch die Sicherung von Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt zu verbessern, den Nutzen aus der biologischen Vielfalt und den Leistungen der Ökosysteme zu steigern und die Umsetzung der Artenvielfalt durch Planung, Wissensmanagement und Kapazitätsaufbau effizienter zu gestalten.

"Die Entscheidungen, die wir hier treffen, bilden den Grundstein für die Umsetzung der Aichi-Ziele", sagte Indiens Umweltministerin und COP- 11-Vorsitzende Jayanthi Natarajan zum Auftakt der COP 11 CBD vom 8. bis 19. Oktober. "Was wir für die Biodiversität ausgeben, sollten wir als Investition betrachten, die uns und weiteren Generationen zum Wohl gereicht."

Doch der CBD-Exekutivsekretär Braulio Ferreira de Souza Dias räumte vor Beginn der Konferenz gegenüber IPS ein, dass es nicht leicht sein werde, die Gelder aufzutreiben, die notwendig seien, um den Schutz der Artenvielfalt gewährleisten zu können. Umweltschutzorganisationen wie der WWF schätzen den Finanzierungsbedarf aus öffentlichen Haushalten der Vertragsstaaten auf mindestens 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr.


"Strukturen ändern"

"Alle CBD-Vertragsstaaten sind übereingekommen, die Aichi-Ziele zu erreichen. Wir müssen die existierenden Strukturen ändern", sagte Ferreira de Souza Dias. "Es gilt andere Bereiche wie den Gesundheitssektor in den Finanzierungsprozess einzubinden. Ich erwarte nicht, dass für die Rechnung ausschließlich die Umweltorganisationen aufkommen."

Mehr als 170 Länder sind auf der Konferenz über die CBD vertreten, die aus dem Erdgipfel in Rio 1992 hervorgegangen ist und inzwischen 193 Vertragsstaaten zählt. Die CBD soll mit Hilfe der Wissenschaft, der Entwicklung wirksamer Instrumentarien und dem Transfer von Technologien den Schutz der Artenvielfalt und der Leistungen der Ökosysteme sicherstellen.

Das Cartagena-Protokoll der CBD über Biosicherheit ist ein Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt vor potenziellen Risiken, die von lebenden Organismen als Produkten der Biotechnologie ausgehen. Bis jetzt haben 163 Staaten das Protokoll ratifiziert. Das Nagoya-Protokoll der CBD von 2010 zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen, von dem die lokalen Gemeinschaften profitieren sollen, wurde bisher von nur 17 Staaten ratifiziert. 50 Ratifizierungen sind jedoch nötig, um es zu einem rechtsverbindlichen Instrument zu machen.

Auch die UN-Millenniumsentwicklungsziele sehen einen "signifikanten Rückgang" des Artenschwunds vor, doch werden sie sich aller Voraussicht nach nicht erreichen lassen.

Ferreira de Souza Dias betonte die Notwendigkeit neuer Finanzierungsmechanismen, die diejenigen ersetzen sollten, die sich bisher negativ auf die Artenvielfalt ausgewirkt hätten. Auch sollten Schritte unternommen werden, die die Verantwortung und das Engagement von Unternehmen für die Artenvielfalt erhöhten.


Vorwurf des "Kollektivversagens" vermeiden

"Wir haben von der COP 10 die Notwendigkeit der Ressourcenmobilisierung als wichtigste Herausforderung geerbt", meinte der indische Delegierte Hem Pande. "Wir müssen uns auf einige Ziele und Verpflichtungen einigen, wollen wir uns nicht Kollektivversagen vorwerfen lassen."

Auch die Europäische Union ist der Meinung, dass es wichtig ist, sich nach alternativen Finanzierungsquellen wie der 'grünen Wirtschaft' umzusehen. Die grüne Wirtschaft wird meist mit den von der G8 und den Umweltministern in Entwicklungsländern eingerichteten 'The Economics of Ecosystems and Biodiversity' (TEEB) in Verbindung gebracht.

TEEB ist eine internationale Initiative, die die Aufmerksamkeit auf den globalen wirtschaftlichen Nutzen der Artenvielfalt lenken will, um auf die zunehmenden Kosten hinzuweisen, die durch den Verlust der Artenvielfalt und die Degradierung der Ökosysteme entstehen. Indien ist eines der ersten Länder, das ein TEEB-Programm im Rahmen seiner Umweltpolitik starten wird.

TEEB ist jedoch gerade in zivilgesellschaftlichen Kreisen umstritten. Kritisiert wird der Ansatz, die natürlichen Ressourcen als Ware zu betrachten. "Die staatliche Finanzierung ist deshalb wichtig und nötig, weil die Biodiversität ein globales Allgemeingut ist und die Verantwortung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt primär in den Händen der CBD-Staaten liegt", sagte Günter Mitlacher von WWF Deutschland.

Der Vorsitzende der indischen Nationalen Biodiversitätsbehörde, Balakrishna Pisupati, empfahl, die lokalen Gemeinschaften in den TEEB-Prozess einzubeziehen, da die meisten innovative Wege gefunden hätten, Lebensunterhalt und Artenschutz in Einklang zu bringen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.cbd.int/2011-2020/goals/
http://www.cbd.int/
http://www.teebweb.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/funds-crunch-skews-aichi-targets-on-biodiversity/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2012