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GLOBAL/106: UN-Entwicklungsagenda - Wasser-, Sanitär- und Stromversorgungsziele verfehlt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2014

Entwicklung: Wasser-, Sanitär- und Stromversorgungsziele verfehlt - Herausforderungen für die Post-MDG-Nachhaltigkeitsziele

von Thalif Deen


Bild: © Travis Lupick/IPS

Die Einwohner von Clara Town, einem einkommensschwachen Viertel der liberianischen Hauptstadt Monrovia, stehen besonders in der Regenzeit vor sanitären Herausforderungen
Bild: © Travis Lupick/IPS

New York, 20. Februar (IPS) - Wenn im nächsten Jahr die Frist für die Umsetzung der UN-Entwicklungsagenda zur Armutsbekämpfung abläuft, wird es für einige der sogenannten Millenniumsziele nicht gereicht haben. Somit bleibt Millionen Menschen weltweit der Zugang zu Trinkwasser-, Sanitär- und Stromanschlüssen versperrt.

Die Rückstände waren Thema einer Konferenz der 193 Staaten zählenden UN-Vollversammlung in New York. Dort wurde zwei Tage lang, vom 18. bis 19. Februar, über die Notwendigkeit diskutiert, den universellen Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Anlagen und erneuerbaren Energien spätestens bis 2030 zu erreichen.

Denn dass sich die Defizite bis Ende nächsten Jahres aufholen lassen, halten Wasserexperten angesichts der derzeitigen Umsetzungsgeschwindigkeit insbesondere in den Regionen Südasien und Subsahara-Afrika für unwahrscheinlich.

Nach Angaben der Hilfsorganisation 'WaterAid' sind derzeit 768 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. 2,5 Milliarden Menschen oder ein Drittel der Menschheit müssen ohne Sanitäranlagen auskommen. Jährlich 700.000 Kinder - täglich sind es 2.000 - sterben an Durchfallerkrankungen, die von unsauberem Wasser herrühren.


Wasserziel erreicht

Die Vereinten Nationen hatten im letzten Jahr in einem Bericht erklärt, dass das Ziel, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis 2015 zu halbieren, bereits erreicht worden sei. Demnach profitierten mehr als zwei Milliarden Menschen von den Wasserversorgungsbemühungen der letzten 14 Jahre.

Doch noch immer sind 327 Millionen Afrikaner in den Subsahara-Ländern ohne Wasseranschluss, wie Girish Menon von WaterAid betonte. Bei der derzeitigen Anschlussrate wird sich seiner Meinung nach das Ziel frühestens 2030 erreichen lassen.

Der Präsident der UN-Vollversammlung, John Ashe, sprach zum Auftakt der Konferenz von einem großen Problem, das durch einen akuten Wassermangel in vielen Ländern noch verschärft werde. Ashe wies darauf hin, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten leben, in denen sie von Wasserknappheit bedroht seien. "Der universelle Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitärer Grundversorgung und modernen Energien gehört zu den facettenreichsten Entwicklungsherausforderungen der Menschheit."

Menon zufolge ist es gerade mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) wichtig, aus den Rückschlägen bei der Umsetzung der MDGs zu lernen und eine weitere Vernachlässigung des Hygiene- und Sanitärbereichs zu verhindern.

Clarissa Brocklehurst, Wasser- und Sanitärspezialistin und ehemalige Abteilungsleiterin für Wasser, Sanitäres und Hygiene des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, erklärte gegenüber IPS: "Auch wenn die MDGs eine wunderbare Sache waren, um Initiativen in den Bereichen Wasser- und Sanitärversorgung in Gang zu setzen, gibt es vor Ablauf der MDG-Frist einige Herausforderungen zu meistern."

Das MDG-Ziel für Wasser sei zwar erreicht, doch eine flächendeckende Überprüfung der Wasserqualität ausgeblieben. Zudem basierten die Angaben über die Zahl der Menschen, die Zugang zu sauberem Wasser haben, auf Schätzungen, betonte sie. "Ferner sind die Fortschritte im Sanitärbereich unzulänglich und wir sind weit davon entfernt, das MDG fristgerecht zu erreichen."

Bild: © Alejandro Arigón/IPS

Ein Mann aus dem Chico-Mendes-Camp für landlose Bauern im brasilianischen Pernambuco
Bild: © Alejandro Arigón/IPS

Brocklehurst kritisierte darüber hinaus, dass Hygiene keine Komponente der MDGs gewesen sei. Folglich habe dieser Aspekt nicht die Aufmerksamkeit erlangt, die ihm eigentlich zukommen müsste. Und sie merkte weiter an, dass sich die in den Bereichen Wasser und Sanitärversorgung erzielten Fortschritte hochgradig ungleich verteilten. So seien Städter und die Reichen in den Entwicklungsländern eher versorgt als die Landbevölkerung und die Armen. In manchen Staaten sei es zudem eine Realität, dass marginalisierte ethnische Gruppen eher ohne Wasser- und Sanitäranschlüsse leben müssten, als andere Bevölkerungsgruppen.

Menon von WaterAid zufolge wird bei dem derzeitigen Entwicklungstempo das Sanitärziel um acht Prozent verfehlt. Betroffen sei eine halbe Milliarde Menschen. In Afrika südlich der Sahara sind gerade einmal 30 Prozent der Menschen sanitär versorgt. Eine Zahl, die seit 1990, dem Referenzjahr für die MDGs, lediglich um vier Prozent gestiegen ist.


Misserfolge bremsen andere Fortschritte aus

Die langsamen Fortschritte bei dem Sanitärziel bremsen Erfolge bei anderen Zielen aus, fügte der Experte hinzu. Wasser, sanitäre Grundversorgung und Hygiene seien wichtig, um Erfolge bei der Armutsbekämpfung, Ernährung, Bildung, Gleichberechtigung und beim Wirtschaftswachstum zu erreichen. "Angesichts des ganzen Ausmaßes der Herausforderungen fordern wir ein globales Ziel, dass sicherstellt, dass alle Menschen in den Genuss einer nachhaltigen Wasser- und Sanitärversorgung kommen."

Brocklehurst zufolge ist es wichtig, dass die neuen Nachhaltigkeitsziele so gestaltet werden, dass sie Regierungen ermuntern, den armen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen ihre Hauptaufmerksamkeit zu schenken. Wasser, sanitäre Grundversorgung und Hygiene untermauern die Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Geschlechtergleichheit und Bildung und müssten deshalb bei der Formulierung der künftigen Entwicklungsziele Priorität genießen.

Dass die Wasser- und Sanitärziele nicht erreicht werden, ist zum Teil auf die globale Finanzkrise zurückzuführen. Wie Menon erläuterte, sind die globalen Zuwendungen für diese beiden Bereiche zwischen 2009 und 2011 in Reaktion auf die Finanzkrise 2008 um eine Milliarde Dollar gesunken. Zwar habe sich die Hilfe 2012 wieder erhöht, unterschneide jedoch den Betrag, der zur Erreichung des MDG-Ziels erforderlich wäre, um die Hälfte.

Auch wenn die staatlichen Investitionen in die Beseitigung der Wasser- und Sanitärdefizite unbekannt sind - Menon zufolge kann davon ausgegangen werden, dass kein einziges Land in Subsahara-Afrika das selbst gesteckte Ziel erreicht hat, 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Sanitärbereich auszugeben.


Aktionismus innerhalb der UN

Innerhalb der Vereinten Nationen hat der UN-Vizegeneralsekretär Jan Eliasson die Führung unternommen, um den Themen Wasser, Sanitäres und Hygiene die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie brauchen, um Erfolg zu haben. Er hat unter anderem einen Aufruf "Call to Action on Sanitation' gestartet und setzte sich in UN- und anderen internationalen Foren für die Umsetzung der Ziele ein.

In der Debatte um die neuen SDGs setzen sich derzeit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF dafür ein, dass Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene einen besonderen Stellenwert in der Post-2015-Agenda erhalten. "WaterAid unterstützt diese Bemühungen", versicherte Menon. "Wir sind überzeugt, dass der universelle Zugang ein ehrgeiziges, aber durchaus erreichbares Unterfangen ist." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/u-n-focuses-faltering-goals-water-sanitation-energy/

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IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2014