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GLOBAL/122: Wie die Aufwertung von UNEP zu mehr Umwelt in der Post-2015-Agenda führen könnte (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Machtgerangel und historische Momente
Wie die Aufwertung von UNEP zu mehr Umwelt in der Post-2015-Agenda führen könnte

Von Marie-Luise Abshagen



Während selbst von Regierungen anerkannt wird, dass die ökologischen Probleme immer größer werden, beobachten ExpertInnen mit Sorge, dass die Umweltdimension in der Diskussion um eine neue Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda nach 2015 immer schwächer zu werden scheint. Eine Stärkung der Umwelt in allen UN-Prozessen könnte durch die Schaffung einer schon lange geforderten, globalen UN-Umweltschutzorganisation erreicht werden. Dem gegenüber stehen klare Interessen, den Einfluss des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) klein zu halten. Es geht um Machterhalt und die Unfähigkeit aus traditionellen Denkmustern auszubrechen. Doch es gibt Grund zur Hoffnung.(1)


UNEP wurde 1972 als Ergebnis der Weltumweltkonferenz in Stockholm gegründet, um sich als zentrales Gremium mit internationaler Umweltkooperation zu befassen. Die Idee dahinter: der Umwelt innerhalb der Vereinten Nationen (UN) eine Stimme zu geben und gleichzeitig ein Forum zu bilden, in welchem die internationale Gemeinschaft wichtige Umweltthemen debattieren kann. Dem gegenüber stand allerdings, dass UNEP von Anfang an nur ein schwaches Mandat zugeschrieben bekam, welches es lediglich als ein Sonderorgan unter der UN-Generalversammlung (UNGA) etablierte, ohne festes Budget oder selbstständige Handlungsfähigkeiten in der Umweltpolitik.(2)

Schaffung einer Umweltorganisation als Lösung?

Schon lange werben Staaten und Staatengemeinschaften wie Deutschland oder die EU, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure für eine Aufwertung von UNEP hin zu etwas wie einer selbstständigen, globalen Umweltorganisation (UNEO). Reformideen gibt es viele, doch an der Umsetzung scheiterte es bislang immer. Ein richtungsweisender Schritt wurde auf dem Rio+20-Gipfel im Juni 2012 getätigt, in dessen Abschlusserklärung eine Verbesserung des Status von UNEP gefordert wird. Eine Übereinkunft, die durch zwei Resolutionen der UNGA 2012 und 2013 tatsächlich umgesetzt wurde, auch wenn es aufgrund unzureichender Unterstützung nicht, wie von manchen angestrebt, für die Schaffung einer UNEO reichte.

Eine der wichtigsten Neuerungen bildet die Umstrukturierung des sogenannten Governing Council (GC), dem hauptsächlichen Steuerungsorgan UNEPs, zu einer Umweltversammlung der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Assembly, UNEA). In UNEA können im Gegensatz zu einer bis dato nach Regionenschlüssel ausgewählten TeilnehmerInnenzahl von 58 Staaten jetzt alle 193 UN-Mitgliedsstaaten mitwirken. UNEA, deren erste Sitzung Ende Juni 2014 in Nairobi stattfand, ist der Versuch, der lange beschworenen Stimme für die Umwelt innerhalb des UN-Systems endlich eine angemessene Lautstärke und politische Relevanz zu verschaffen.

Warum ist es wichtig, wie einflussreich UNEP ist?

Natürlich kann man die Entscheidung UNEP zu stärken als unwichtiges Geplänkel innerhalb der UN-Politik abtun. Tatsächlich aber haben eine schwache oder aber starke Rolle von UNEP spürbare Konsequenzen für konkrete politische Maßnahmen. Ein gutes Beispiel für die beschränkte Rolle von UNEP in globalen, zukunftsgestaltenden Prozessen ist die Post-2015-Agenda. Ab 2015 sollen für alle Staaten gültige Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele gelten, die aktuell in einem weltweiten, von UN, Staaten, Zivilgesellschaft und anderen Akteuren getragenen Verfahren erarbeitet werden. Eines der Kernprobleme dieser im Grundgedanken gewissenmaßen alle Probleme der Welt umfassen wollenden Agenda ist, dass gerade die Umwelt- und Nachhaltigkeitsdimension in allen bisherigen Zielvorschlägen zu kurz kommt. Obwohl ursprünglich die seit langen forcierte und doch nie verwirklichte Zusammenführung von Umwelt und Entwicklung das Fundament der Agenda bilden soll. Eine Erklärung dafür, dass die zukünftige Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda nach bisheriger Verhandlungslage kaum wirklich nachhaltig zu werden scheint, ist unter anderem, dass sich die zentrale UN-Behörde für Umwelt, also UNEP, bisher nur unzureichend in die Diskussion um diese Ziele eingebracht hat. Woran liegt das?

Entwicklungspolitik ist prioritär

Spricht man mit ExpertInnen wird klar: Innerhalb der UN gibt es in Sachen Post-2015-Agenda klare Macht- und Interessenskonflikte, die entstanden sind nach der Verbindung der Millenniumentwicklungsziele (MDG) mit dem Rio+20-Prozess und den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG). Klassische MDG-Akteure wie das Entwicklungsprogramm der UN (UNDP) oder der UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) streben die Führung der Post-2015-Agenda an. Zum einen aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung mit dem Thema, zum anderen aus institutionellen Gründen, sollen doch alleine innerhalb von UNDP aus Reformgründen zwischen 10-30% der Stellen gestrichen werden. Problematisch dabei ist, dass beide in erster Linie Entwicklungsziele und Entwicklungsexpertise für die Post-2015-Agenda mitbringen, nicht aber das Wissen über Nachhaltigkeit.

Die Schaffung eines prioritären Entwicklungsteils in der Post-2015-Agenda hat auch unter den UN-Mitgliedsstaaten starke Unterstützer. Wichtige Akteure in den internationalen Verhandlungen wie die Gruppe der Entwicklungsländer (G77) oder die Schwellenländer (BRICS) setzen sich bislang für eine Entwicklungsagenda ohne allzu progressive Umweltziele ein. Und auch die Staaten des globalen Nordens pochen in erster Linie auf alten Entwicklungsmodellen mit grünem Anstrich, sicherlich auch weil eine wahrlich nachhaltige Agenda spürbare Konsequenzen für Lebensstile und Wohlstandsmodelle im Norden bringen würde.

Neben der Dominanz der Entwicklungsakteure kommt für UNEP erschwerend die Zersplitterung der Umweltthemen innerhalb der UN hinzu, und dass es, selbst wenn seine Kompetenz im Umweltbereich uneingeschränkt anerkannt würde, nicht Herr des UN-Nachhaltigkeitsprozesses ist; dieser gehörte traditionell in den Arbeitsbereich der UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD), die allerdings letztes Jahr ihre Arbeit eingestellt hat.

Alles neu macht UNEA?

Diese Konkurrenz innerhalb der UN um die Führung in der Post-2015-Agenda war auch auf der UNEA-Konferenz spürbar. So ist etwa in einer unabhängigen UNEA-Konferenzberichterstattung von einem "zunehmend konkurrierendem institutionellen Gefüge" und Empfindlichkeiten rund um das Thema Post-2015-Prozess die Rede.(3) Dabei hatte UNEP einen großen Schritt getan und die Post-2015-Agenda mit einem Fokus auf nachhaltigem Konsum und Produktion zu einem der beiden Kernthemen der ersten UNEA-Sitzung auserkoren. Mit eigentlich gar nicht so schlechten Ergebnissen.

Befasst man sich mit der ersten UNEA-Sitzung, so fällt immer wieder das Stichwort, diese Sitzung müsse als "historischer Moment" gewertet werden. Diese etwas pathetische Aussage könnte durchaus begründet sein. Die Schaffung von UNEA ist ein klares Zeichen, dass UNEP eine bedeutendere Rolle zukommt und damit auch eine größere Verantwortung, sich stärker in den Post-2015-Prozess einzubringen. Dies zeigte sich nicht nur angesichts der expliziten Unterstützung durch beispielsweise den EU-Umweltkommissar Janez Potocnik,(4) sondern ganz grundlegend durch die rege Teilnahme von 160 Ländern, darunter 120 durch Umwelt- oder EntwicklungsministerInnen oder deren direkte StellvertreterInnen, sowie von hohen UN-Funktionären wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

UNEP scheint sich durch die Aufwertung des Mandats auch mehr politischen Raum zu erarbeiten. So beobachteten langjährige BegleiterInnen des UNEP-Prozesses wie Leida Rijnhout vom Europäischen Umweltbüro (EEB) oder Peter Pueschel vom Internationalen Tierschutzfonds (IFAW) eine veränderte politische Atmosphäre bei UNEA. So habe UNEP auf der UNEA-Sitzung erstmals auch sogenannte grüne Umweltthemen aus Natur- und Artenschutz als oberste Priorität aufgegriffen. Diese sind eigentlich von anderen Konventionen wie der Biodiversitätskonvention (CBD), der Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS) oder dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) besetzt, und UNEP konzentrierte sich bisher auf nachhaltiges Wirtschaften und Umweltverschmutzung. Auch sei das Diskussionsniveau ein völlig anderes gewesen. Wo früher Debatten über zukünftige Projekte und Budgetpläne geführt wurden, sei es nun um konkrete, globale Politik gegangen.

Wie weit sich UNEP in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird, bleibt offen. Es könnte in Zukunft die Schnitt- und Koordinierungsstelle für Umweltthemen innerhalb des UN-Systems sein. Oder die selbstverständliche UN-Instanz für Umweltfragen. Vielleicht ist mit UNEA die Schaffung einer globalen Umweltschutzorganisation tatsächlich einen kleinen Schritt näher gerückt.


Autorin Marie-Luise Abshagen ist Referentin für die Post-2015-Agenda beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Anmerkungen

(1) Dieser Artikel beruht unter anderem auf zwei Interviews mit Leida Rijnhout und Peter Pueschel. Vielen Dank dafür!

(2) Den Unterschied zwischen Specialized Agencies und Programmes erklärt dieses Dokument sehr gut:
http://www.rona.unep.org/documents/partnerships/IEG/UN_Specialised_Agencies_Vs_UN_Programmes.pdf

(3) http://www.iisd.ca/download/pdf/enb16122e.pdf.

(4) http://www.iisd.ca/download/pdf/enb16122e.pdf.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 20-21
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2014