Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde
Wo Fachwissen auf Politik trifft
Die globale Wissens-Politik-Schnittstelle für Biodiversität IPBES
Von Malte Timpte und Dr. Katja Heubach
Im Januar 2015 trafen sich die derzeit 123 Mitglieder der Zwischenstaatlichen Plattform für Biodiversität und Ökosystemleistungen (IPBES) zum dritten Mal in Bonn. Beschlossen wurde die Umsetzung weiterer thematischer Assessments(1) sowie einige grundlegende Regeln der Plattform. Und es wurde darüber diskutiert, wie WissensträgerInnen und Stakeholder, die nicht bereits Teil der ExpertInnengruppen sind, zukünftig in den Prozess eingebunden werden sollen. Außerdem wie mit Interessenkonflikten im Rahmen der Erstellung der Assessment-Reports umgegangen werden soll. Neben einigen deutschen NGOs verfolgte auch das Team von NeFo (Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland) die Verhandlungen und setzte sich aktiv für mehr Transparenz und Beteiligung ein.
Die Staatengemeinschaft der UN etablierte 2012 einen
internationalen Wissenschaftsrat für Biodiversitätsfragen als
Wissenschaft-Politik-Schnittstelle: IPBES. Dieser soll
Forschungsergebnisse, aber auch Expertise aus anderen Wissenssystemen
zu Fragen der Biodiversität zusammenführen, Wissens- und Datenlücken
identifizieren sowie weltweit Forschungs- und Anwendungskapazitäten
ausbauen. Vorrangigstes Ziel ist jedoch, Politik und
EntscheidungsträgerInnen Handlungsmöglichkeiten für eine nachhaltige
Nutzung und den Schutz der Biodiversität aufzuzeigen. Die
IPBES-Mitgliedsstaaten haben im Dezember 2013 ein umfangreiches
Arbeitsprogramm beschlossen, das die Durchführung von zahlreichen
thematischen, methodologischen und regionalen Assessments beinhaltet.
Einige, wie das zur Rolle von Bestäubern für die
Nahrungsmittelproduktion, werden bereits umgesetzt. Studien zu
nachhaltiger Nutzung und zum Schutz von Biodiversität sowie zu
invasiven Arten sind noch in der Vorbereitung.
Beim letzten Treffen der IPBES-Mitgliedsstaaten im Januar 2015 (IPBES-3) wurden der Fortschritt des Arbeitsprogrammes und die Ergebnisse der Arbeitsgruppen diskutiert. Verhandelt wurde unter anderem die Straffung der bestehenden Struktur der Assessment-Prozesse, um den Arbeitsaufwand für die ExpertInnengruppen zu verringern. Dies soll durch die Verbindung regionaler und thematischer Assessments erreicht werden.
Außerdem sollen für vier der fünf diskutierten biogeografischen Regionen regionale und sub-regionale Assessments angefertigt werden: Afrika, Asien und Pazifik, Europa und Zentralasien sowie Nord-, Mittel- und Südamerika. Vertagt wurde die Entscheidung über ein Assessment zu Gebieten auf hoher See.
Im Fokus von IPBES-3 stand ebenfalls die Verabschiedung einer Strategie zur Einbindung von Stakeholdern, die nicht aktiv in IPBES-ExpertInnengruppen mitwirken, denn IPBES soll auch die Expertise anderer relevanter Organisationen, Verbände, zivilgesellschaftlicher Initiativen, indigener und lokaler Gruppen einbeziehen. Bislang fehlte ein klares Mandat zur Beteiligung, obwohl sich bereits zahlreiche Organisationen in den Prozess eingebracht haben. Nun soll eine Beteiligungsstrategie umgesetzt und dabei eng mit einem offenen und selbstorganisierten Stakeholder-Netzwerk zusammengearbeitet werden.
Kontrovers diskutiert wurde der Umgang mit Interessenkonflikten. ExpertInnen werden nun generell als AutorInnen von Assessments oder ähnlichen Funktionen in IPBES ausgeschlossen, wenn ein solcher Konflikt vorliegt. Zudem wird ein Komitee einberufen, das sich mit möglichen Interessenkonflikten befassen soll.
Alle IPBES-Assessments werden von internationalen Arbeitsgruppen umgesetzt, für die ExpertInnen durch Regierungen wie auch durch Stakeholder-Organisationen vorgeschlagen werden können. Die ExpertInnengruppen sollen ausgewogen nach Region, Geschlecht, Disziplin beziehungsweise Wissenssystem besetzt werden. Eine Bewerbung als GutachterIn für IPBES Berichte ist direkt möglich.
Eigene Studien können in einem sogenannten Katalog über Assessments zu Biodiversität und Ökosystemleistungen IPBES zur Verfügung gestellt werden.
Zentral für den IPBES-Prozess ist zudem, dass er von Stakeholdern begleitet, seine Produkte kritisch diskutiert und seine Ergebnisse möglichst weit gestreut werden. IPBES ist angetreten, um offen und transparent Wissen für politische EntscheidungsträgerInnen verfügbar zu machen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn Assessments auf breiter Expertise basieren und von vielen ExpertInnen begutachtet werden. Dies erfordert, dass relevante WissensträgerInnen identifiziert und ermutigt werden, sich in den Prozess einzubringen. Besonders NGOs können hier mit ihren lokalen PartnerInnen unterstützend tätig werden. Interessierte Stakeholder sind aufgerufen, sich im IPBES Engagement Network zu beteiligen.
Malte Timpte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im
Forschungsbereich Wissenschaftskommunikation und Wissensforschung am
Museum für Naturkunde Berlin.
Dr. Katja Heubach ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig. Beide arbeiten für das BMBF geförderte Projekt Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland - NeFo.
Anmerkung
(1) Ein Assessment unter IPBES bezeichnet die Erfassung des
vorhandenen Wissens zu einem bestimmten Thema.
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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 32
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2015
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