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KATASTROPHEN/077: UN-Komitee verharmlost Fukushima-Unfall (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 644-645 / 2013 / 27. Jahrgang, 7. November 2013

Folgen von Fukushima
UN-Komitee verharmlost Fukushima-Unfall

von Thomas Dersee



Kritik an Filz zwischen den Vereinten Nationen (UN) und der Atomindustrie

Ärzte bezweifeln die Einschätzung des wissenschaftlichen Komitees der Vereinten Nationen für die Wirkungen der Atomstrahlung (UNSCEAR), daß der Atomunfall von Fukushima keine direkten Gesundheitsschäden bewirken werde. Der Bericht des UN-Komitees gehe von mehreren falschen Annahmen aus, sagte der Arzt Dr. Alex Rosen von der deutschen Sektion der internationalen Ärztevereinigung IPPNW in einer Sendung des Fernsehsenders 3sat.nano am 1. Oktober 2013: "Sie behaupten zum Beispiel, daß das ungeborene Kind eine ähnlich hohe Strahlenempfindlichkeit hat wie ein Kleinkind, das läuft jeder strahlenbiologischen Erkenntnis zuwider. Natürlich haben Föten eine viel höhere Strahlensensibilität, ihr Gewebe, ihre Zellen teilen sich viel schneller und sind deswegen viel empfänglicher für Strahlung und für Mutation."

Auch der Greifswalder Epidemiologe Professor Dr. med. Wolfgang Hoffmann teilt die Zweifel an dem UN-Bericht: "Jetzt Prognosen zu machen über die Zukunft ist unseriös, insbesondere wenn da drin steht daß es kein Risiko geben wird. Das ist sicherlich nicht der Fall, es wird mit Sicherheit eine erhöhte Krebsrate geben."

Der Grund für die Verharmlosung des Unfalls wird in der Verflechtung zwischen UNSCEAR und Atomindustrie gesehen. "Im UNSCEAR sitzen vermehrt Wissenschaftler, die eine Karriere haben in den Atomenergiebehörden der unterschiedlichen Staaten, in Atomregulierungsbehörden, bei der IAEO, einer Organisation die es sich auf die Fahnen schreibt, weltweit die Atomenergie zu fördern, oder sogar in Atomkraftfirmen, die Atomkraftwerke bauen und betreiben", so Rosen. Auch gebe es einen "Knebelvertrag" zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO): Die WHO habe keine eigene Abteilung, die die gesundheitlichen Folgen von Radioaktivität erforscht. Sie sei auf die Daten der Atomenergiebehörde angewiesen.

Das UN-Komitee hatte im Mai 2013 vorab verkündet, als direkte Folge des Atomunfalls von Fukushima würden weder Menschen sterben noch vermehrt an Krebs erkranken. Die sei vor allem auf die schnelle Evakuierung des Gebiets durch die japanischen Behörden zurückzuführen, zitiert der Fernsehsender den derzeitigen UNSCEAR-Vorsitzenden Wolfgang Weiss. Die Veröffentlichung des Abschlußberichts ist inzwischen für Januar 2014 angekündigt.

Strahlentelex hatte bereits in der Ausgabe vom 1. August 2013 über den Protest schockierter UNSCEAR-Mitglieder aus Belgien berichtet.(8) Man gehe sogar noch hinter die Lehren aus Tschernobyl und anderen Studien zurück.

Nach Einschätzung der UN-Wissenschaftler leiden die Menschen eher psychisch und sozial, etwa unter der Evakuierung oder einer Stigmatisierung, nicht aber gesundheitlich durch die Strahlenbelastung. "Die Erfahrung von Tschernobyl hat uns gezeigt, daß neben einer möglichen direkten Auswirkung auf die Physis, die sozialen Folgen mit den einhergehenden Gesundheitseffekten in der betroffenen Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit brauchten", hatte der damalige UNSCEAR-Chef Carl-Magnus Larsson seinerzeit erklärt, zitierte 3sat.nano.

"Wir sehen statistisch keine direkten Risiken oder Gesundheitsfolgen", erklärte Weiss jetzt in der Fernsehsendung. Nach der Katastrophe habe die zusätzliche Strahlenbelastung durch den Unfall für die meisten Japaner unter der natürlichen Umgebungsstrahlung gelegen. Man gehe auch nicht davon aus, daß man künftig Krebserkrankungen auf den Unfall zurückführen könne. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sei die Strahlenbelastung deutlich höher gewesen.

Allerdings wollte Weiss nicht völlig ausschließen, daß einzelne Personen Krebs wegen einer zu hohen Strahlendosis bekommen könnten: "Wir können nicht die Gesundheit von 60.000 Menschen individuell ein Leben lang verfolgen." Doch statistisch erhöhe sich die Rate nach den Untersuchungen nicht, meinte Weiss.

Der Großteil der Daten stammt von japanischen Behörden, aber auch die USA, die WHO oder die IAEA hätten Informationen beigetragen. Die Aussagen des UN-Berichts basierten hauptsächlich auf Rechenmodellen, Messungen in der Umwelt und teilweise Untersuchungen der Menschen. "Das heißt nicht, daß wir alles haben was wir gerne hätten", so Weiss. In Tschernobyl hätten sich manche Auswirkungen erst fünf Jahre nach dem Unfall gezeigt. Strahlentelex hatte bereits über die falschen Strahlenmessungen im japanischen behördlichen Umweltmonitoring und Manipulationen bei den Dosismessungen der Katastrophenhelfer berichtet.(9)

Zur generellen Aussagekraft von Untersuchungen zur Auswirkung von Radioaktivität auf den Menschen sagte Weiss: "Wir haben uns 50 Jahre damit befaßt, aber das heißt nicht, daß wir alles wissen. Das gilt sowohl für ganz hohe Strahlenexpositionen wie auch den niedrigen Dosisbereich." Umstritten sei etwa, ob man bei niedrigen Dosen überhaupt von einem Effekt auf das Krebsrisiko sprechen könne: "Da ist die Position der UNSCEAR ganz klar - daß das eben nicht geht." Es sei wissenschaftlich nicht haltbar, einen Krebs, der 30 oder 40 Jahre später auftrete, mit einer lange zurückliegenden niedrigen Strahlenbelastung begründen zu wollen.

Kommentar: Nachdem der deutsche Beamte Dr. Wolfgang Weiss Vorsitzender des UNSCEAR geworden ist, fällt er nun durch törichte Verlautbarungen und falsche Sachaussagen auf. Zuvor hatte er sich als Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz und Gesundheit beim deutschen Bundesamt für Strahlenschutz nicht unbedeutende Verdienste um die Durchführung der 2007 veröffentlichten epidemiologischen Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK-Studie) erworben. Man muß deshalb davon ausgehen, daß er die wirklichen Zusammenhänge und die Wahrheit kennt. Weiss rechtfertigt jetzt mit seinen Einlassungen Forderungen nach einer Abschaffung des UNSCEAR.



Literatur:

(8) www.strahlentelex.de/Stx_13_638-639_S01-03.pdf

(9) www.strahlentelex.de/Stx_13_624-625_S01-03.pdf

www.strahlentelex.de/Stx_12_614_S01-02.pdf

www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/172409/index.html

Der vollständige englischsprachige IPPNW-Kommentar zum UNSCEAR-Bericht kann heruntergeladen werden von:
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Ausfuehrlicher_Kommentar_zum_UNSCEAR_Fukushima_Bericht_2013__Englisch_.pdf

Der UNSCEAR-Bericht ist zu finden unter
http://daccess-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/V13/857/27/PDF/V1385727.pdf?OpenElement)

Vergl. auch: Annette Hack: Menschenrechte vor ALARA: Der Bericht von Anand Grover für den Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen, Strahlentelex 636-637 v. 4.7.2013,
www.strahlentelex.de/Stx_13_636-637_S01-05.pdf.


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_13_644-645_S08-09.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, November 2013, Seite 8-9
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2014