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KATASTROPHEN/123: Fukushima - Studie deckt Kontamination durch Erdarbeiten des Betreibers auf (Uni Hannover)


Leibniz Universität Hannover - Presseinformation Nr. 173/2015, 16. Dezember 2015

Fukushima: Studie deckt Kontamination durch Erdarbeiten des Reaktorbetreibers auf

Fachzeitschrift "Environmental Science & Technology" stellt neue Studie von Prof. Dr. Georg Steinhauser vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz vor


Forscher der Leibniz Universität Hannover wirbeln mit ihrer Arbeit zu den Umweltauswirkungen von Fukushima gehörig Staub auf: Bei Erdarbeiten des Reaktorbetreibers TEPCO sind im August 2013, mehr als zwei Jahre nach dem Reaktorunfall, 300 Gigabecquerel an Cäsium-137 auf dem AKW-Gelände freigesetzt und durch den Wind weitergetragen worden. Die Zahlen sind Ergebnisse einer aktuellen Studie, die zur Titelstory der aktuellen Dezember-Ausgabe der Fachzeitschrift "Environmental Science & Technology" (Volume 49, Nr. 24) erkoren wurde und die Prof. Dr. Georg Steinhauser mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Fakultät für Mathematik und Physik der Leibniz Universität Hannover unter dem Titel "Post-Accident Sporadic Releases of Airborne Radionuclides from the Fukushima Daiichi Nuclear Power Plant Site" durchgeführt hat. Die Studie ist entstanden in Kooperation mit der Kyoto University, der University of Tokyo und der Fukushima University. "Die Ergebnisse in diesem Ausmaß haben uns überrascht, das haben wir nicht für vorstellbar gehalten. TEPCO hat offensichtlich die einfachsten Vorsichtsmaßnahmen wie etwa Abdeckungen mit Planen zur Staubunterdrückung und das Warten auf günstige Windverhältnisse außer Acht gelassen", sagt Professor Steinhauser, Co-Initiator der Studie.

Woher wissen die Wissenschaftler, dass der Staub vom Kraftwerksgelände stammt und damit von TEPCO zu verantworten ist? "Unsere japanischen Co-Autoren haben wenige Monate nach dem Unfall 2011 drei Luftfilterstationen nördlich, westlich und südlich des AKW in Fukushima installiert, die seitdem in wöchentlichem Abstand ausgewertet wurden. So sind die hohen Werte nördlich von Fukushima im August 2013 erstmals aufgefallen", berichtet Steinhauser. "Auch die Bodenproben und verschiedene Modellrechnungen legen nahe, dass es sich um eine sekundäre Verfrachtung von nach dem Unfall bereits abgelagertem radioaktiven Material handelt, das bei Erdarbeiten im August 2013 freigesetzt wurde und direkt vom AKW-Gelände stammt." Dafür sprechen auch die Kontaminationen selbst, die ihren Ursprungsort verraten haben: das schwerflüchtige Strontium-90 (Sr-90) wurde nach Fukushima meist nur in unmittelbarer Reaktornähe gefunden. "Wir haben aber mehrere Bodenproben in Minamisoma nicht nur auf Cäsium, sondern auch auf Sr-90 untersucht und festgestellt, dass jene Probe, die genau im Zentrum der von uns simulierten Wolke war, ganz außergewöhnlich hohe Strontium-90-Konzentrationen aufwies", erläutert Steinhauser. Das lege den Schluss nahe, dass diese Bodenprobe mit Partikeln kontaminiert worden ist, deren Ursprung in Reaktornähe liegen musste. "Wir gehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Staubwolken vom AKW-Gelände stammen", sagt Steinhauser.

Darüber hinaus hätten die japanischen Kollegen bei der Auswertung von Meldungen von TEPCO Hinweise gefunden, dass in den fraglichen Zeiträumen auch die Arbeiter vor Ort einer hohen Belastung mit radioaktivem Staub ausgesetzt waren. Mit Blick auf die Zukunft ergänzt Steinhauser: "In Fukushima wird noch viele Jahrzehnte gebaggert werden - es kann nicht sein, dass TEPCO dabei jedes Mal eine derartige kontaminierte Staubwolke erzeugt."

Die aktuelle Ausgabe von Environmental Science & Technology finden Sie hier:
http://pubs.acs.org/toc/esthag/current


Hintergrund:

Der Reaktorunfall in Fukushima im März 2011 hat die Umgebung großflächig mit Radioaktivität kontaminiert. Die Menschen aus den am meisten betroffenen Gebieten wurden evakuiert und mussten ihren Wohnort verlassen. Die Stadt Minamisoma hingegen war weitgehend von radioaktiven Freisetzungen verschont geblieben. Entsprechend öffneten die japanischen Behörden diese Gegend auch als eine der ersten wieder für Rückkehrer. Ein Großteil der ehemaligen Bewohner kehrte somit ab Frühjahr 2012 nach und nach in die Stadt zurück. Mit ihren heute rund 63.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (vor der Katastrophe waren es über 71.000) gilt Minamisoma als lebhafte Stadt mit einer überwiegend jungen Einwohnerschaft.

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Quelle:
Presseinformation Nr. 173/2015, 16.12.2015
Leibniz Universität Hannover
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2015

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