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KLIMA/075: EU muss handeln, UN behält Schlupfloch-Regelungen beim Klimakompensationsprogramm bei (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Pressemitteilung vom 19. Juli 2011

Die EU muss handeln, denn das UN-Gremium behält die Schlupfloch-Regelungen beim Klimakompensationsprogramm bei


18. Juli 2011, Brüssel/Washington. Das CDM Executive Board der UN hat erneut dabei versagt, gegen Schlupfloch-Regelungen bei umstrittenen Kohle- und HFC-23-Projekten vorzugehen. Umweltorganisationen fordern jetzt die Europäische Union auf, Emissionsgutschriften für Kohleprojekte im Rahmen des EU-Emissionsrechtehandels zu verbieten. Die Organisationen fordern außerdem zusätzliche Schutzklauseln, die ermöglichen, dass Emissionszertifikate für Projekte, die mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen, ausgeschlossen werden können.

Letzte Woche entschied sich das CDM Executive Board gegen die Empfehlungen seines eigenen Methodologie-Panels, die Zuteilungsrichtlinien für Kohle-Projekte auszusetzen. Das Executive Board ignorierte die Warnungen der technischen Experten, dass die gegenwärtigen Richtlinien zu stark überhöhten Emissionsgutschriften führen könnten.

Der frühere Vorsitzende des CDM Executive Board, Lex de Jonge, kommentierte in den Diskussionen: "Wenn die Annahmen korrekt sind, muss man von einer möglichen überhöhten Veranschlagung von fast 100 Megatonnen (bei allen Projekten, die seit 10 Jahren in der Pipeline sind) ausgehen. Das verläuft auf fast demselben Niveau wie die Auseinandersetzung, die wir über HFC-23-Projekte hatten. Das ist ernst."

Etliche Mitglieder des Executive Board drängten das Gremium, den Rat des Methodologie-Panels ernst zu nehmen. Das chinesische Mitglied des Leitungsgremiums lehnte eine Aussetzung der gegenwärtigen Richtlinien rigoros ab. Mehr als ein Drittel aller CDM-Kohle-Projekte sind in China angesiedelt. Die 37 Kohle-Projekte, die gegenwärtig in der Pipeline sind (11 in China und 26 in Indien), könnten zu mehr als 40 Millionen Emissionsgutschriften jährlich führen.

"Die fünf Kohle-Projekte, die bereits unter den Schlupfloch-Richtlinien registriert wurden, werden ihren Eignern in den nächsten zehn Jahren (bei 10 Euro pro Tonne) 680 Millionen Euro unverhoffte Gewinne einbringen," sagte Steve Herz vom Sierra Club. "Aber dieses Geld wird die Emissionen kein bisschen reduzieren - die Projekte werden genau für etwas Geld erhalten, das sie auch getan hätten, wenn es keinen CDM gäbe. Es macht keinen Sinn."


Keine Verbesserungen bei HFC-23

Im letzten Jahr setzte das CDM Executive Board die Richtlinien für CDM-Projekte aus, die das hochwirksame Treibhausgas HFC-23 beseitigen - nach gravierenden Vorwürfen, dass die Methodologie regelrecht dazu einlädt, den Sinn des CDM ins Gegenteil zu verkehren und zudem die Ziele des Montrealer Protokolls zum Schutz der Ozonschicht unterminiert. Eine Revision der Schlupfloch-Richtlinien wurde zwar in die Wege geleitet, beim Treffen letzte Woche wurden jedoch keine Verbesserungen verabschiedet.

"Die Tatsache, dass das CDM Executive Board beim Treffen letzte Woche erneut keine Verbesserungen verabschiedete und weiterhin Emissionszertifikate nach den Richtlinien der eindeutig mit Schlupflöchern versehenen, nicht überarbeiteten Methodologie zuteilt, ist inakzeptabel," sagt Anja Kollmuss von CDM Watch. "Die Richtlinien müssen wesentlich strenger sein und sofort auf alle Projekte angewendet werden, um die großen, perversen Anreize zu stoppen, die es gegenwärtig gibt."

Fast 50% (309 Millionen) aller Emissionszertifikate, die bisher zugeteilt wurden, beziehen sich auf HFC-23-Projekte. Es wird erwartet, dass bis 2020 mehr als eine Milliarde weitere Emissionsgutschriften zugeteilt werden.

Wegen Menschenrechtsverletzungen angeprangertes CDM-Projekt bewilligt Trotz Bedenken von Umwelt- und Industrieverbänden bewilligte das CDM Executive Board ein umstrittenes Klimakompensationsprojekt in Honduras, das mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird. Bei den Menschenrechtsverletzungen, die mit dem Projekt zu tun haben, geht es u.a. um die Ermordung von Bürgern vor Ort bei Konflikten über Landbesitz und um unzureichende Beteiligung von Betroffenen vor Ort.

"Die Registrierung dieses Projekts zeigt erneut, dass die Entscheidungen des Executive Board von finanziellen Interessen gesteuert werden, und dass Richtlinien zur Beteiligung der Öffentlichkeit nur eine reine Formalität sind." sagte Eva Filzmoser von CDM Watch. "Das Executive Board hatte die Möglichkeit, das Projekt abzulehnen und ein Signal zu setzen, dass eine wirksame öffentliche Beteiligung wichtig ist und dass Menschenrechtsverletzungen in der CDM nicht toleriert werden. Es entschied sich jedoch, dies nicht zu tun," fügte sie hinzu.


Die Europäische Union muss handeln

Da es im CDM keine Schutzklauseln gibt, werden Projekte, die bedeutenden Schaden anrichten, trotzdem registriert. Umweltorganisationen fordern die Europäische Union nun auf, zusätzliche Verbote bestimmter Projektaktivitäten und Schutzklauseln einzuführen, um zu verhindern, dass Emissionszertifikate, die sich auf Projekte beziehen, die mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht werden, Zugang zum europäischen Emissionshandelsmarkt erhalten.

Die Europäische Kommission wird sich voraussichtlich bei der Beantwortung einer vom Europaabgeordneten Bas Eickhout eingereichten Frage mit diesem Thema beschäftigen. Er hat eine Anfrage an die Europäische Kommission gerichtet, ob sie es für erforderlich hält, zusätzliche Nachhaltigkeitskriterien für Klimakompensationsprojekte einzuführen und wenn ja, wann, und wie diese berücksichtigt werden sollten.

"Sowohl HFC-23- als auch Kohle-Projekte sind kritisiert worden, weil sie das zweifache Mandat des CDM, für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu sorgen, ernstlich untergraben. Die EU hat bereits Emissionsgutschriften aus HFC-23- und Adipinsäure-Projekten verboten. Wir fordern die EU nun auf, Kohle-Projekte zu verbieten und strenge Menschenrechtsschutzklauseln zu verabschieden," ergänzte Anja Kollmuss von CDM Watch.


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Quelle:
Pressemitteilung, 19.07.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2011