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KLIMA/124: UN-Klimakonferenz 2011, Durban, Südafrika - Die Lähmung der Klimaverhandlungen (Pambazuka News)


Pambazuka News - Ausgabe 559 - 24. November 2011

Die Lähmung der Klimaverhandlungen

von Yash Tandon


Yash Tandon schreibt, dass das wichtigste Thema für Afrika die Befreiung vom Imperialismus ist. Die Klimaverhandlungen als isolierte Frage zu betrachten, wie es linke Aktivisten oft tun, ist daher gefährlich kurzsichtig.


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Warum hat der Klimawandelaktivismus der Linken bisher nicht dazu geführt, die Regierungen zu einer Kursänderung zu zwingen? Eine dem eigenen Trost dienende Antwort lautet, die Vision der Linken zum Klimawandel sei kurzfristig nicht zu realisieren. Der Klimawandel sei ein langfristiges Projekt. Diese Erklärung ist leider kein Selbsttrost - sie ist eine Selbsttäuschung. Die Wahrheit ist, dass die Linke nicht weiß, was sie in der Klimawandelfrage erreichen will.

Ich veranschauliche das hier bezogen auf nur eine Dimension des Problems: Die Nord-Süd-Frage. Unter den Linken, vor allem im Westen, herrscht große Verwirrung darüber, was die Menschen des Südens in Hinblick auf den Klimawandel erreichen wollen. Für die Menschen im Süden ist der Klimawandel eine wichtige Angelegenheit, aber es ist nur eine von vielen, sogar dringenderen Fragen, die sich um das tägliche Überleben drehen. Für einen ländlichen Haushalt in Uganda zum Beispiel, der in den meisten Fällen von einer alternden Frau geführt wird, deren ältere Kinder auf der Suche nach Arbeit in die Stadt gegangen sind, ist die Wahl zwischen dem Schutz des Waldes oder dem Abholzen der Bäume, um Brennholz für den unmittelbaren Bedarf zu gewinnen, ganz sicher nichts, wofür den Rat eines Klimaaktivisten wünscht.

Die Grundbedürfnisse des Überlebens - Zugang zu Nahrung, Wasser, Wohnung und billiger Energie - sind die tägliche, stündliche Sorge des Großteils der Menschen im Süden, einschließlich großer Länder wie Indien und China. Man könnte vielleicht anführen, dass die Menschen überall auf der Welt genau das gleiche wollen - in den USA und Deutschland genauso wie in Ägypten oder Südafrika. Ja, aber es gibt enorme Unterschiede. Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Wirtschaft in den USA und in Deutschland voll industrialisiert ist, während Ägypten und Südafrika bestenfalls semi-industrialisiert sind.

Aber es gibt noch einen grundlegenderen Aspekt als der wirtschaftliche Unterschied. Der wesentliche Unterschied ist politischer Natur. Die USA sowie Deutschland sind unabhängige Länder - die Menschen dort kämpfen gegen ihre eigenen Regierungen. Ägypten und Südafrika sind dagegen Neokolonien - die Menschen hier kämpfen immer noch für die Befreiung aus den Klauen des Imperialismus. Sie kämpfen gegen ihre Regierungen (wie auf dem Tahrir-Platz), doch hinter ihren Regierungen steckt US-amerikanische, europäische und japanische - mit anderen Worten, imperialistische - Macht. Diese Tatsache wird von der Linken im Westen oder von ihren unterschiedlichen Ausprägungen in Afrika nie vollständig realisiert.

Ein klareres Denken in dieser Frage entwickelt sich ironischerweise infolge der jüngsten Ereignisse in Europa im Zuge der Finanz- bzw. Wirtschaftskrise. Die Menschen in Griechenland sind im Kampf gegen die Sparpolitik ihrer Regierung auf die Straße gegangen, nur um festzustellen - durch die Praxis -, dass sie gegen viel größere Kräfte kämpfen, verkörpert durch die Europäische Zentralbank, die EU-Bürokratie und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Menschen in Afrika erleben seit Jahrzehnten das Gleiche durch die vom IWF und den sogenannten 'Geldgeber'-Krediten - die beschönigend 'Entwicklungshilfe' genannt werden - auferlegten 'strukturellen Anpassungsprogramme' und Sparmaßnahmen. Tatsächlich wird Afrika seit seiner Aufteilung durch europäische Kolonialisten nach der verhängnisvollen Berliner Konferenz von 1884 vom imperialistischen Kapital abgezockt. Die Befreiung vom Imperium steht in Afrika vor allen anderen Themen. Den Klimawandel als isolierte Frage zu betrachten, was Klimaaktivisten oft tun, ist gefährlich kurzsichtig.

Die linken afrikanischen Aktivisten, die mit der Linken in den imperialistischen Zentren zum Thema Klimawandel zusammenarbeiten, sollten das größere Ganze im Auge behalten. 'Erkenne dich selbst' klingt wie ein simples Rezept, der Hintergrund ist jedoch eine tiefe Identitätskrise 'der Linken'. Die Linke in Afrika muss wissen, woher sie kommt und wohin sie gehen muss.

Yash Tandon schreibt über Theorie und Praxis von Entwicklung, ist Vorsitzender von SEATINI und leitender Berater am South Centre.


Anmerkungen der SB-Redaktion:

SEATINI: Southern and Eastern African Trade Information and Negotiations Institute. SEATINI ist eine afrikanische Initiative zur Stärkung der Rolle Afrikas in Welthandel und Globalisierung. Schwerpunkt: Afrika und die WTO.

Das South Centre (the Centre): Seit 31. Juli 1995 von Entwicklungsländern als Einrichtung auf Regierungsebene ins Leben gerufene Organisation zur Förderung der Süd-Süd-Kooperation, mit Sitz in Genf.

Link zum englischen Text bei Pambazuka News:
http://www.pambazuka.org/en/category/features/78175
The paralysis of climate change negotiations

Übersetzung von Susanne Schuster, bei Tlaxcala veröffentlicht:
http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=6297


übersetzt von: Susanne Schuster
Übersetzung überarbeitet von: Redaktion Schattenblick

Der Artikel entstand ursprünglich auf Initiative des 'New Left Project', das anläßlich der Klimakonferenz in Durban um Stellungnahmen zum Stand der Klimagerechtigkeitsbewegung bat.
weitere Informationen siehe:
http://www.newleftproject.org/index.php/site/article_comments/where_now_for_the_climate_justice_movement


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Quelle:
Pambazuka News, 24.11.2011
mit freundlicher Genehmigung von Dr. Yash Tandon und Pambazuka News
in einer Übersetzung aus dem Englischen
Kontakt: Pambazuka News
E-Mail: editor[at]pambazuka[dot]org
Internet: www.pambazuka.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2011