Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/223: Klima - Bei Teersand sieht der Sierra Club rot, Chef der Organisation Brune im Interview (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2013

Klima: Bei Teersand sieht der Sierra Club rot - Chef der Organisation Brune im Interview

von George Gao



New York, 18. Februar (IPS) - Der 'Sierra Club', die älteste Umweltorganisation der USA, hat erstmals in ihrer 120-jährigen Geschichte an einem Akt zivilen Ungehorsams teilgenommen. Bei einer Demonstration vor dem Weißen Haus in Washington gegen den geplanten Bau einer Erdölpipeline von Kanada durch die USA bis zum Golf von Mexiko wurde der Exekutiv-Direktor des Sierra Club, Michael Brune festgenommen. Im Interview mit IPS erklärte er, dass er ein Bekenntnis von Staatspräsident Barack Obama zu sauberen Energien erwarte. "Die letztliche Entscheidung zu dem Projekt liegt beim Präsidenten", betont er.

Mit Brune kamen am 13. Februar etliche prominente Aktivisten zu ihrem Protest gegen die 'Keystone XL'-Pipeline in Washington zusammen. Nach Fertigstellung der umstrittenen Leitung soll sie täglich etwa eine Million Barrel Erdöl aus Teersand transportieren. Die Demonstranten, unter ihnen auch der für die Weltraumbehörde NASA tätige Klimaforscher James Hansen, der Lyriker Bob Haas und der Rechtanwalt Robert F. Kennedy Jr., wurden festgenommen, nachdem sie eine Durchgangsstraße vor dem Weißen Haus blockiert hatten.

Von 'zivilem Ungehorsam' hatte erstmals der Lyriker, Philosoph und Umweltschützer Henry David Thoreau gesprochen, der 1848 seinen Essay 'Resistance to Civil Government' veröffentlichte. Ziviler Ungehorsam wurde in den USA häufig als friedliches Protestinstrument gegen verbreitete Ungerechtigkeit eingesetzt, etwa in der Bürgerrechtsbewegung in den fünfziger und sechziger Jahren.

IPS dokumentiert das Interview mit Michael Brune in Auszügen:

IPS: Können Sie beschreiben, was am Morgen des 13. Februar vor dem Weißen Haus geschah?

Michael Brune: Wir hatten etwa 50 Gemeindeführer aus dem ganzen Land hergeholt, um gegen Teersand und andere destruktive Projekte vor dem Weißen Haus zivilen Widerstand zu leisten.

Uns ging es um den Appell an Präsident Barack Obama, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, damit wir von extremen Energiequellen wegkommen und uns sauberen Energien zuwenden.

IPS: Warum schenken Sie den Teersandvorkommen im kanadischen Alberta und der Keystone XL-Pipeline eine so große Aufmerksamkeit?

Brune: Teersand ist die kohlenstoffreichste Energiequelle der Erde. Er ist schwer zugänglich, und man braucht eine Menge Energie, um das dicke, klebrige Öl aus dem Boden zu holen. Deshalb sind wir zutiefst beunruhigt über die Ausweitung der Teersandproduktion. Es wird fast unmöglich werden, den außer Kontrolle geratenen Klimawandel zu stoppen."

Wir plädieren dafür, die rund sieben Milliarden Dollar für die große Pipeline stattdessen in saubere Energien wie Solar- und Windkraft zu stecken. Außerdem sollten Energieeffizienz und fortschrittliche Technologien gefördert werden. Wir kämpfen zum einen gegen die zerstörerische Pipeline und zum anderen gegen eine Art von Investitionen, von denen wir als Gesellschaft Abstand gewinnen müssen.

IPS: Die Befürworter der Pipeline argumentieren, dass der Bau in einer schwierigen Wirtschaftslage rasch neue Jobs schaffen kann. Ist das eine Fehlinformation?

Brune: Wir müssen in dieser Debatte ehrlich sein: es gibt neue Jobs, wenn die Pipeline gebaut wird, und vielen Leuten ist sie wichtig. Jede Investition in Energie schafft Arbeitsplätze. Wenn man ein Kohlekraftwerk baut, werden dort ebenfalls Menschen Arbeit finden. Zugleich sollten wir aber auch so ehrlich sein zu sagen, dass mehr Jobs im Bereich der alternativen Energien als bei der Produktion von schmutzigem Treibstoff anfallen - und es können noch mehr werden.

In der Solar- und Windkraftbranche gibt es mindestens drei Mal so viele Jobs wie bei der Herstellung einer vergleichbaren Menge von Gas, Kohle oder Öl. Wenn wir über den Klimawandel sprechen, wollen wir uns natürlich zu sauberen Energien hinbewegen. Und wenn man sich um die Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen sorgt, sollte man ebenfalls saubere Energien in Betracht ziehen. Die Menschen, die sich am meisten gegen den Übergang zu sauberen Energien sträuben, sind diejenigen, die von unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen profitieren.

IPS: Verläuft die Pipeline in den USA durch ökologisch fragile Zonen oder Naturschutzgebiete?

Brune: Die Leitung soll durch das Ogallala-Aquifer im US-Bundesstaat Nebraska verlaufen, einer wichtigen Trinkwasserquelle, außerdem durch Farmen, die es zum Teil seit vielen Generationen gibt. Mehrere Rancher aus Nebraska, die bei dem Protest neben mir standen, erklärten, dass sie keine Pipeline auf ihrem Land haben wollen. Ihrer Ansicht nach haben große Unternehmen wie 'TransCanada' kein Recht, sich ihren Besitz einzuverleiben und ihre Wasserversorgung zu gefährden. Und all das für eine Substanz, die unsere Luft und unsere Atmosphäre verschmutzen wird.

IPS: Welche Vollmachten hat US-Präsident Barack Obama in dieser Situation?

Brune: Enorm viele. Der Präsident kann die Pipeline sogar verhindern. Derzeit prüft das Außenministerium den Vorschlag und wird eine Empfehlung abgeben, den so genannten 'Supplemental Environmental Impact Standard'. Die letztliche Entscheidung liegt aber beim Präsidenten. Einer muss entscheiden. Deshalb haben wie vor dem Weißen Haus demonstriert.

IPS: Kann diese Entscheidung die künftige Politik der USA zum Klimawandel beeinflussen?

Brune: Absolut. In diesem Zeitraum muss der Präsident mehrere wichtige Entscheidungen treffen: zum Bergbau, bei dem Bergkuppen gesprengt und abgetragen werden, zum 'Fracking' bei der Erdöl- und -gasförderung, zu Bohrungen in der Arktis und zu der Frage, ob eine tödliche und zerstörerische Pipeline gebaut werden sollte. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.sierraclub.org/
http://www.ipsnews.net/2013/02/qa-venerable-sierra-club-gets-radical-on-tar-sands/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2013