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KLIMA/284: Schlechte Nachrichten im Weltklimabericht (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Schlechte Nachrichten im Weltklimabericht
IPCC: Das Eis Schmilzt schneller, der Meeresspiegel steigt höher

von Till Kleemann



Der erste Teil des neuen Weltklimaberichts wurde am 27. September veröffentlicht. 840 Wissenschaftler aus 38 verschiedenen Ländern haben tausende und abertausende Studien gewälzt, um das Wissen der weltweit führenden Experten zusammenzutragen. Alle arbeiten ehrenamtlich, zugunsten von Umwelt und Gesellschaft. Sie diskutieren Tage, Wochen und Monate, um die richtigen Formulierungen zu finden, immer auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sie in ihren Studien gekommen sind. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auf mehr als 2.200 Seiten fasst dieser erste Teil die Erkenntnisse über die naturwissenschaftlichen Faktoren des Klimawandels zusammen. Es wurden die Ursachen und physikalischen Grundlagen des Klimas untersucht und dabei Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft unserer Erde näher betrachtet. Fakt ist, dass es seit 800.000 Jahren nicht mehr so viel CO2 und Methan in der Atmosphäre gab wie heute.

Auch den Skeptikern wird die Luft aus den Segeln genommen. Der Bericht kommt zu der Aussage, es sei sehr wahrscheinlich (größer als 95 Prozent), dass der Mensch der Hauptverursacher für die globale Erwärmung ist, die man seit der Mitte des 20. Jahrhunderts beobachten kann. Denn auf die langfristige Erwärmung haben natürliche Faktoren wie Schwankungen der Sonneneinstrahlung oder Vulkanaktivitäten eher geringen Einfluss. Neu ist auch, dass der IPCC (Weltklimarat) neben verschiedenen Zukunftsszenarien auch Klimaschutzszenarien untersuchte, bei denen die Folgen abgeschätzt werden, die eintreten würden, wenn man die Emissionen stark eingeschränkt. In Bezug auf den letzten Klima-Sachstandsbericht von 2007 musste sich das IPCC-Gremium in mehreren Fällen nach oben korrigieren. Die Meeresspiegelerhöhung sowie das Schmelzen von Eis wird noch drastischer sein als bisher angenommen.

Der Temperaturanstieg

Die letzten drei Jahrzehnte waren auf der Nordhalbkugel die wärmsten seit ungefähr 1.400 Jahren. Die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche ist derzeit um 0,85 Grad Celsius höher als 1880. Und das obwohl die meiste Energie der Treibhausgase, etwa 93 Prozent, von den Ozeanen aufgenommen wird. "Sonst wäre es viel wärmer", so Thomas Stocker, IPCC Vizepräsident. Das Meerwasser erwärmt sich und versauert zunehmend durch den stetigen Anstieg von Kohlensäure in den Ozeanen. Die Untersuchungen zeigen, dass die Temperatur des Meereswassers seit 1971 in den oberen 75 Metern durchschnittlich um 0,11 Grad Celsius pro Jahrzehnt ansteigt. Nahezu sicher ist auch, dass sich die oberen 700 Meter erwärmen, wahrscheinlich ist eine Erwärmung der oberen 2.000 Meter. Die Wärme wird in tiefere Schichten vordringen und die ozeanische Zirkulation beeinflussen. Langfristig wird die globale Erwärmung den Golfstrom verlangsamen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts wird er sich je nach Szenario um 12 bis 54 Prozent verlangsamen. Das wärmere Wasser lässt außerdem mehr Feuchtigkeit aufsteigen, was zu einer Energiezunahme in den unteren Luftschichten führen wird. Diese Energie entlädt sich in wärmeren Erdregionen in Form von Orkanen, Hurrikanen und Taifunen. Ein aktuelles Beispiel neben vielen ist der Monstertaifun "Haiyan", der Anfang November in Süd-Ost-Asien auf den Philippinen wütete.

Die Erwärmungen werden bis auf unabsehbare Zeit irreversibel sein. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Emissionsausschüttung Null sein wird, bleibt die bis dahin entstandene Temperatur für Jahrhunderte bestehen. In den Ozeanen wird sie wahrscheinlich sogar dann noch einige Zeit weiter steigen. Von diesem Nullpunkt sind wir allerdings noch weit entfernt. Dennoch geht aus dem Bericht hervor, dass das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu beschränken durchaus möglich ist. Die Autoren des IPCC drücken sich hierbei optimistischer aus als noch 2007. Ob es allerdings realistisch ist, die Emissionsausschüttungen derart stark einzuschränken, bleibt fragwürdig. Würde man stattdessen weiterhin fast unverändert CO2 und Methan in die Atmosphäre pusten, ist ein Temperaturanstieg von bis zu 5,4 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 möglich.

Eispanzer schmelzen

Die Gletscher und Eisschilde der Erde schmelzen, die Permafrostböden tauen auf und das immer schneller. Es gibt kaum Gebirgsschnee oder Gletschereis, das nicht unter der globalen Erwärmung leidet. Vom Eis in den Hochgebirgen des Himalayas, über den Schnee der Antarktis, dem Meereis des Nordpols bis zum grönländischen Eispanzer: In den letzten 20 Jahren haben die Gletscher der Welt 275 Milliarden Tonnen jedes Jahr verloren. Allein der grönländische Eispanzer ist von 2002 bis 2011 jährlich um ganze 215 Milliarden Tonnen kleiner geworden und ist somit in größter Gefahr. Im vierten Weltklimabericht hieß es noch, die kritische Temperaturgrenze bei der ein Totalverlust des Grönlandeises zu befürchten ist, liegt bei 1,9 bis 4,6 Grad Celsius Klimaerwärmung. Basierend auf diesen Forschungsergebnissen wurde das "Zwei-Grad-Ziel" von der UN-Konvention beschlossen, um die Erhaltung des Grönlandeises zu gewährleisten. Das Schmelzen hätte für den Golfstrom fatale und nur schwer abzuschätzende Folgen. Damit verbunden wäre unter anderem die Erhöhung des Meeresspiegels um bis zu sieben Meter, von den klimatischen Veränderungen in Europa, Amerika und der Welt ganz zu schweigen. Neuesten Studien zufolge ist der Gletscher aber weniger stabil als bisher angenommen. Die Grenze, bei der der Verlust des Eises droht, liegt laut des fünften IPCC-Berichtes schon bei ein bis vier Grad.

Schlechte Neuigkeiten hält der Forschungsbericht auch für den Arktischen Ozean bereit. Bei ungebremsten Emissionen wird die Arktis schon bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Sommer über eisfrei sein. Seit 1979 verringert sich das arktische Meereis um 3,5 bis 4,1 Prozent pro Jahrzehnt.

Einhergehend mit der Eisschmelze ist der Meeresspiegelanstieg. Heute ist der Wasserstand bereits 19 Zentimeter höher als noch 1901. Und der Anstieg beschleunigt sich zunehmend. In den letzten zwei Jahrzehnten betrug der jährliche Zuwachs aller Wahrscheinlichkeit nach 3,2 Millimeter pro Jahr. Für die Zukunft hält der IPCC noch wesentlich schlimmere Aussichten bereit. Das Wasser soll schneller und höher ansteigen als noch 2007 erwartet. Bis 2100 wird der Meeresspiegel je nach Szenario zusätzlich um 26 bis 82 Zentimeter höher sein als heute. Im letzten Bericht lagen die schlimmsten Befürchtungen bei "nur" 59 Zentimeter. Diese Korrektur nach oben liegt darin begründet, dass 2007 das Schmelzwasser des Grönlandeises und der Antarktis nicht vollständig genug berücksichtigt wurde. Bei ungebremsten Emissionen befürchten die Forscher bis 2300 sogar einen Meeresspiegelanstieg von ein bis mehr als drei Meter.

Die daraus entstehenden Folgen liegen auf der Hand und werden in der kommenden Zeit noch heftiger zu spüren sein. Sturmfluten sind bereits häufiger und höher geworden. Eine Steigerung ist in Zukunft allerdings abzusehen. Durch den raschen Klimawandel werden Wetterextreme immer wahrscheinlicher. Die Niederschläge werden in den feuchten Tropen und den mittleren Breiten der Nördlichen Hemisphäre steigen. In Europa und Nordamerika ist die Niederschlagsmenge in den letzten Jahren bereits spürbar angestiegen. Gleichzeitig nehmen sie in den trockenen Regionen der Welt und in den subtropischen Klimazonen weiter ab. Trockengebiete werden heißer und lange Hitzeperioden werden immer wahrscheinlicher und häufiger auftreten.

Ein Fazit

Der 5. IPPC-Bericht beweist, dass es markante Klimaveränderungen gibt und geben wird. Die großen Schwankungen in den Angaben für die Zukunft, die durch Berechnungen verschiedener Emisionsszenarien zustande gekommen sind zeigen, dass es momentan in der Hand des Menschen liegt, wohin die Entwicklung unseres Planeten gehen wird. Wollen wir mit wehenden Fahnen untergehen oder auf den Klimawandel einen Wandel in der Gesellschaft folgen lassen. Solange es noch nicht völlig zu spät ist, sollte man die Initiative ergreifen. Wird zu wenig getan, sieht es jedenfalls schlecht aus für unsere Erde und für die Menschheit. Dürren, Überschwemmungen, Lebensmittelknappheit und andere Katastrophen werden vor allem die ärmeren Regionen plagen, noch heftiger als es schon heute der Fall ist. Die die am wenigsten am Klimawandel beteiligt sind, sind die, die am meisten darunter leiden. Während die Hauptverantwortlichen nicht bereit sind entschieden genug einzuschreiten.

Die Menschheit hat Prozesse in der Natur eingeleitet, deren Ausmaß wir noch nicht völlig begreifen. Hinzu kommt die Unfähigkeit, aus dem gewonnenen Wissen die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Stattdessen verrennen sich die großen Staaten dieser Welt in nationale Egoismen, spekulieren auf wirtschaftliche Vorteile und konzentrieren sich lieber auf ihre eigenen kleinen Probleme innerhalb ihrer Staatsgrenzen, anstatt die großen Probleme zu sehen, die weltweit um sich greifen. Tatsache ist, die WMO und UNEP warnen schon seit bald dreißig Jahren vor den Folgen des Klimawandels. Nun steht er vor der Tür und aus Vorsorge als politisches Ziel ist Anpassung geworden.

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Der IPCC

Was ist es?
Der "Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)" ist ein regierungsunabhängiges und wissenschaftliches Gremium, das Folgen und Ursachen des Klimawandels untersucht. Die Organisation wurde bei der UN-Generalversammlung am 6. Dezember 1988 auf Antrag von Malta ins Leben gerufen. Die UN-Mitgliedsstaaten beschlossen, dass die Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) und das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen Ausschuss gründen sollen, um den Kampf gegen die globale Erwärmung auf internationaler und wissenschaftlicher Ebene zu unterstützen. Jeder Staat, der in der UN oder der WMO ist, kann Mitglied des IPCC werden. Neben den Mitgliedsstaaten haben knapp 100 Organisationen Beobachtungsstatus. Die Bandbreite reicht von UNESCO, WWF, Greenpeace über die EU bis hin zu Industrieverbänden wie die Luftfahrt- oder Aluminiumbranche. In den Gremien sitzen allerdings ausschließlich Fachexperten, keine Politiker oder Regierungsbeauftragte. Somit kann der wissenschaftliche Wert des IPCC-Berichtes nicht untergraben werden.

Was macht es?
Der IPCC forscht nicht selbst, sondern trägt aktuelle wissenschaftliche, technische und sozioökonomische Literatur zusammen, um einen umfassenden Forschungsüberblick zu verfassen. Anhand dessen kann man einen objektiven Einblick in den neuesten Kenntnisstand zum Klimawandel erlangen. Alle fünf bis sechs Jahre wird ein auf den neuesten Stand gebrachter Bericht veröffentlicht. Die Arbeiten sind umfassend, offen und transparent und sollen den Staaten so eine Richtlinie für ihre Politik geben.

1990: Der erste Weltklimabericht wird veröffentlicht. Es wird festgestellt das sich die Erde so schnell erwärmt wie schon seit 10.000 Jahren nicht mehr. Daraufhin wir die Klimarahmenkonvention in Rio de Janeiro verabschiedet.

1995: Die Kernaussage des zweiten Berichts: "Mehrere Anzeichen sprechen dafür, dass es einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das Klima gibt." Der Bericht wird zur Grundlage des Kyoto-Protokolls, worin sich die Industriestaaten verpflichten ihre Schadstoff Emissionen zu verringern.

2001: Die Aussage, der Mensch hätte erheblichen Einfluss auf den Klimawandel, wird im dritten Weltklimabericht weiter bekräftigt. Die Klimaveränderungen werden andauern, die Durchschnittstemperatur und der Meeresspiegel werden steigen.

2007: Im vierten Bericht heißt es der "Klimawandel ist eindeutig". Der Mensch verstärkt den Treibhauseffekt und erhitzt den Planeten. Die Folgen sind unabsehbar. Die Weltklimaberichte bieten außerdem die wissenschaftliche Grundlage für die UN-Verhandlungen über den Klimaschutz. Der aktuelle Sachstandsberichts zur Klimawissenschaft soll den Regierungen als Orientierung für die Verhandlungen über das neue Klimaschutzabkommen dienen, welches bis 2015 verabschiedet und 2020 in Kraft treten soll.

tk


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Grönland: Die Gletscher ziehen sich immer weiter zurück
- Von Gletschern abgebrochenes Eis schmilzt vor sich hin
- Demonstranten machen klar: Kohleenergie ist tödlich für unseren Planeten

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Quelle:
DER RABE RALF - 24. Jahrgang, Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014, Seite 16-17
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2014