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KLIMA/329: Die Klimakonferenz - Inszenierte Parade oder Reality Show? (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2014

Klima: Die Klimakonferenz - Inszenierte Parade oder Reality Show?

von Thalif Deen


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Landverödung, Klimawandel, schwere Monsunregen und Pflanzenkrankheiten sind nur einige Herausforderungen, die der Klimawandel für die Bauern weltweit bereithält
Bild: © Catherine Wilson/IPS

New York, 18. September (IPS) - UN-Generalsekretär Ban Ki-moon drängt die mehr als 120 politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger, die auf dem Klimagipfel am 23. September in New York erwartet werden, zu bedeutsamen und substanziellen Zugeständnissen. Es gelte die Voraussetzungen dafür zu schaffen, "dass die Welt einen Pfad einschlagen kann, der die globale Erwärmung begrenzt".

Den Vereinten Nationen zufolge wird der Gipfel das erste Mal in fünf Jahren markieren, dass die Führer der Welt zusammenkommen, um über das zu sprechen, was als ökologisches Desaster gilt: den Klimawandel. Dieses berüchtigte Phänomen setzt sich unter anderem durch den Anstieg des Meeresspiegels, extreme Wetterphänomene, eine Übersäuerung der Meere, das Abschmelzen der Pole, die Zerstörung der Artenvielfalt und die Gefährdung der internationalen Ernährungssicherheit in Szene.

Doch was ist von einem Event zu erwarten, das nur einen einzigen Tag dauert? Nach Ansicht von Timothy Gore von der GROW-Kampagne von 'Oxfam International' wird es nicht dazu kommen, Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu lösen. Allerdings könnte das Treffen einen Wendepunkt markieren, sollte der politische Wille zu handeln erkennbar werden.


Freiwilligkeit der Initiativen in der Kritik

Gore zufolge werden einige politische Staats- und Regierungschefs versuchen, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, um genau dies zu tun. Gleichzeitig jedoch gebe es genügend Anzeichen dafür, dass die erforderlichen Zugeständnisse und Zusagen ausblieben. "Das Fokussieren auf freiwillige Initiativen bedeutet, dass es keine Garantien dafür geben wird, dass die auf dem Gipfel gemachten Ankündigungen robust genug sein werden", fügte er hinzu.

Der Grüne Klimafonds (GCF), der 2011 aufgelegt worden war, soll den UN zufolge ab 2020 rund 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus den Industriestaaten mobilisieren. Doch wäre es jetzt schon an der Zeit, den Entwicklungsländern Mittel für Klimaaktionen bereitzustellen.

Dazu meint Dipti Bhatnagar, Co-Koordinatorin für Klimagerechtigkeit und Energie bei 'Friends of the Earth International' (FoEI) und 'Justiça Ambiental/FOE Moçambique': "Am 23. September werden wir erleben, wie Politik und Wirtschaft mit ihren Zusagen weit hinter das zurückfallen werden, was wir brauchen, um den gefährlichen Klimawandel anzugehen." Der Klimagipfel sei völlig inadäquat und die zu erwartenden Zusagen von Regierungen und Unternehmern würden sich als extrem unzureichend herausstellen.

"Allein schon der Gedanke, dass sich unsere Entscheidungsträger mit freiwilligen unverbindlichen Zusagen begnügen, ist an sich schon ein Unding angesichts der Hunderttausenden von Menschen, die jedes Jahr durch die Auswirkungen des Klimawandels zu Tode kommen", betont Bhatnagar. "Wir brauchen von den Industrieländern faire, ehrgeizige und verbindliche Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen - nicht eine Parade von Entscheidungsträgern, die versuchen, sich in einem guten Licht darzustellen. Doch auf dem eintägigen Gipfel werden wir nichts anderes erleben."

Am 21. September, also zwei Tage vor den Klimagesprächen, werden in New York und anderen Städten der Welt die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, um entschlossene und wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel einzufordern.

Martin Kaiser, Leiter des Globalen Klimaprojekts von 'Greenpeace', meint: "Wir begrüßen, dass Ban Ki-moon in diesem Monat einen globalen Gipfel ausrichtet. Wir selbst werden am 21. September auf den Straßen von New York unterwegs sein und mit dem längsten Klimamarsch aller Zeiten den Führenden unmissverständlich klar machen, dass sie endlich handeln müssen."


Konkrete Zielsetzungen gefragt

Wie er weiter betont, müssen Regierungen und Unternehmen mit konkreten Zusagen nach New York kommen. Von den Unternehmern erwarte man genaue Angaben, wann sie die 100-prozentige Umstellung ihrer Aktivitäten auf erneuerbare Energien vollzogen haben werden.

Außerdem müssten sich die Staaten dazu verpflichten, sich bis spätestens bis 2050 von fossilen Brennstoffen als Energieträger verabschiedet zu haben. Sie müssten konkrete Schritte einleiten wie etwa Finanzierungsstopps für Kohlekraftwerke. "Wir erwarten von den Regierungen ebenso die Bekanntgabe neuer und zusätzlicher Mittel für den Grünen Klimafonds, um den klimaanfälligen Ländern bei der Anpassung an die Klimakatastrophen zu helfen und die Welt auf saubere und sichere Energieträger umzustellen."

"Desgleichen brauchen wir eine sichere, verlässliche öffentliche Finanzierung durch die Industrie- und Entwicklungsländer über das UN-System", meint Bhatnagar im IPS-Gespräch. Die Staats- und Regierungschefs aus den reichen Ländern vernachlässigten die verantwortungsvolle Aufgabe, die Welt vor einer Klimakatastrophe zu schützen. Sie ließen sich zunehmend von einer Minderheit wohlhabender Wirtschafts- und Finanzeliten, von der fossilen Brennstoffindustrie und multinationalen Konzernen bestimmen.

"Im Kampf gegen den Klimawandel brauchen wir ehrgeizige, gerechte und verbindliche Emissionseinschnitte durch die Industriestaaten bei gleichzeitigem Technologietransfer in die Entwicklungsländer", fügt Bhatnagar hinzu. "Wir brauchen zudem eine vollständige Umstellung unserer Energie- und Ernährungssysteme."

Gore von Oxfam International erklärte gegenüber IPS, dass es auch eine Verbesserung der Transparenz bedürfe, um überhaupt beurteilen zu können, ob die Ankündigungen mit den jüngsten wissenschaftlichen Klimaerkenntnissen Schritt hielten und die Interessen derjenigen, die die Hauptlast des Klimawandels zu tragen hätten, gewahrt werden könnten.

Auf die Frage nach der künftigen Rolle des Privatsektors erklärte Gore, dass die Unternehmen wichtig seien und sich einige bereits im Kampf gegen den Klimawandel engagierten. So sei es Oxfam im Bereich der Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion gelungen, Unternehmen wie 'Kellogg' und 'General Mills' zu konkreten Zusagen hinsichtlich der CO2-Einsparungen in ihren Lieferketten zu bewegen.

Doch insgesamt werde der Gipfel zeigen, dass noch viel zu viele Teile des Privatsektors zu stark hinterherhinkten und die Initiativen, die in New York zu erwarten seien, sich kaum als geeignet erweisen würden, um den erforderlichen Transformationsprozess anzugehen. "Das sollte uns daran erinnern, dass wir starke Regierungen gegen den Klimawandel brauchen. Auf Freiwilligkeit abzielende Bottom-Up-Ansätze können wirkliche Regierungsaktionen nicht ersetzen", fügt Gore hinzu.


Ende der Subventionen für Klimasünder gefordert

Bhatnagar von FoEI ist der Meinung, dass dem Privatsektor im Kampf gegen den Klimawandel nicht zu trauen sei. Umweltsünder hätten einen großen Einfluss auf den Privatsektor. Ihr Ziel seien hohe Profite, und nicht eine saubere Umwelt, betonte sie. "Sie verschärfen den Klimawandel mit jedem Tag, und obendrein werden sie noch immer massiv staatlich subventioniert. Die öffentlichen Subventionen müssen endlich eingestellt werden."

Wie Li Shuo von 'Greenpeace China' gegenüber IPS erklärte, wird die neue chinesische Regierung auf dem Klimagipfel ihr Debüt auf der internationalen Klimabühne geben. Die Volksrepublik habe bedeutende Fortschritte gegen den Kohleboom zu Hause vorzuweisen. Nun sollte die Regierung die Gelegenheit ergreifen und von der 'Die anderen zuerst'-Taktik abkommen, die Fortschritte in den vergangenen Klimasgeprächen ausgebremst habe.

"Wäre es nicht wunderbar, wenn China, ermutigt durch seine nationalen Handlungsergebnisse, die Führung übernähme, um der Welt ein neues globales Klimaabkommen zu verschaffen? So könnte Peking in New York bekannt geben, den Scheitelwert seiner Klimagasemissionen lange vor 2030 zu erreichen." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/u-n-climate-summit-staged-parade-or-reality-show/

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IPS-Tagesdienst vom 18. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014