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KLIMA/366: Peru - Wenn die Gletscher schmelzen. Gebirgsbewohner vor immensen Herausforderungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2014

Peru:
Wenn die Gletscher schmelzen - Gebirgsbewohner vor immensen Herausforderungen

von Milagros Salazar


Bild: © Oxfam

Cayetano Huanca lebt in der Nähe des Ausangate-Gletschers im Departement Cuzco in den peruanischen Anden
Bild: © Oxfam

Lima, 15. Dezember (IPS) - Schneebedeckte Berge und Eisfelder könnten in Peru, wo sich 70 Prozent aller Tropengletscher befinden, bald der Vergangenheit angehören. Die Menschen, die in und von diesen Ökosystemen leben, sehen sich bereits seit geraumer Zeit mit der Herausforderung konfrontiert, sich den verheerenden Folgen der Erderwärmung anzupassen.

Rund 100 Kilometer vom Salkantay entfernt, einem Gletscher im peruanischen Departement Cuzco, leben hunderte Farmer vom Maracuja-Anbau. Doch in spätestens 20 Jahren, das legen derzeitige Klimaprojektionen nahe, könnte es damit vorbei sein.

Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Karim Quevedo

Die Stadt Santa Teresa hat der Maracujafrucht, einer wichtigen Anbaupflanze der Region, ein Denkmal gesetzt
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Karim Quevedo

Santa Teresa ist eine Stadt nahe der Inka-Ruinen von Machu Picchu. Sie hat der Frucht mit dem wissenschaftlichen Namen Passiflora ligularissogar ein Denkmal gesetzt. Die Plastik zeigt eine Frau bei der Ernte der Süßen Granadille, einen Bauern, der die Früchte abtransportiert und zwei weitere Farmer bei der Feldarbeit.

Das Ensemble hält entscheidende Augenblicke im Leben der Menschen fest, die in 2.000 bis 2.800 Meter Höhe über dem Meer diese Frucht kultivieren. Doch aufgrund der steigenden Temperaturen müssen die Farmer die Pflanzen, die zu den Passionsblumen zählen, in immer höheren Lagen ausbringen. Oberhalb der 3.000-Meter-Grenze ist der Anbau von Maracujas jedoch nicht mehr möglich.

"Die Menschen sind auf diese Kulturpflanze angewiesen", berichtet der Umweltingenieur Karim Quevedo, der sich als Leiter des agro-meteorologischen Büros des peruanischen Wetterdienstes 'Senamhi' häufig vor Ort aufhält und der für ein Projekt zur Anpassung der Lokalbevölkerung an die Gletscherschmelze zuständig ist. Der Salkantay, der Name bedeutet in der Sprache der Ketchua 'wildes Gebirge', stirbt vor sich hin.


Zeit zur Anpassung

Der Gletscher befindet sich inmitten der Vilcabamba-Gebirgskette und speist die lokalen Flüsse mit Wasser. Doch in den vergangenen 40 Jahren hat er nach Angaben der Nationalen Wasserbehörde ANA fast 64 Prozent seiner 22 Quadratkilometer großen Eisoberfläche eingebüßt. "Es ist wichtig zu wissen, in wie weit der Rückzug des Gletschers die lokale Bevölkerung beeinträchtigen wird, damit sich diese anpassen kann", erläutert Fernando Chiock, der bei ANA für das vom Klimawandel bedrohte Gebiet zuständig ist.

Sowohl Chiock als auch Quevedo betonten gegen Ende der Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention, die vom 1. bis 14. Dezember in Lima stattfand, die Notwendigkeit, auf diese direkten Auswirkungen der Gletscherschmelze für die lokale Bevölkerung zu reagieren und die Finanzmittel bereitzustellen, um die Auswirkungen abzumildern.

Experten zufolge ist die Lage kritisch. Seit den 1970er Jahren sind die Oberflächen der insgesamt 2.679 Gletscher in den peruanischen Anden um mehr als 40 Prozent geschrumpft: von mehr als 2.000 auf 1.300 Quadratkilometer, wie Chiock hinzufügt.

Einige dieser weißen Riesen sind bereits vollständig verschwunden. Dazu gehört der Broggi, der Teil der Cordilleras Blancas war, dem tropischen Gebirgszug mit der größten Gletscherdichte der Welt, wo sich auch die Vilcabamba-Kette befindet. Vor etwa 50 Jahren hatte sich der Broggi um jährlich zwei Meter zurückgezogen. Doch in den 1980er und 1990er Jahren waren es dann bis zu 20 Meter im Jahr.


Seen durch Gletscherschmelze

Heute verzeichnet ANA einen jährlichen Gletscherrückzug von neun bis 20 Metern. Gleichzeitig sind fast 1.000 neue Gebirgsseen entstanden. Auf den ersten Blick mögen sich diese Gewässer nach einer guten Nachricht anhören. Doch nach Ansicht der Experten bedarf es einer Reihe von Schutzvorkehrungen, um einen Wasserschwund zu verhindern. Auch gilt es zu verhindern, dass die Wasserreservoire brechen und die Wassermassen ins Tal stürzen. Chiock zufolge werden an 35 Seen solche Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

In den ländlichen Gebieten sorgen die Klimaanomalien für Unsicherheit. Die Menschen fühlen sich angesichts der vielen neuen Entwicklungen - immer neue Seen entstehen, Gletscher verschwinden, Hagelstürme zerstören die Maisfelder, heftige und unvorhersehbare Regengüsse die Kartoffelernte, während eine immer intensivere Sonneneinstrahlung die Früchte vertrocknen lässt - in ihrer Existenz bedroht. "Es besteht kein Zweifel, die Klimamuster haben sich verändert", unterstreicht Quevedo.

Einige Agrarerzeugnisse sind stärker als andere betroffen. Bei großer Hitze muss die Kartoffelaussaat in immer höher liegende Gebiete verschoben werden, während Kaffee wiederum Wärme besonders gut verträgt. Nach Angaben der Weltmeteorologiebehörde beeinflusst das Klima die Nahrungsmittelproduktion zu 61 Prozent.

Nach Ansicht von Maarten Van Aalst, dem Leiter des Klimazentrums vom Roten Kreuz/Roter Halbmond, sollte die internationale Gemeinschaft nicht erst auf große Katastrophen wie das Erdbeben 2010 auf Haiti warten, sondern schon die kleinen Klimaanomalien ernst nehmen und handeln. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:
http://www.ipsnoticias.net/2014/12/glaciares-y-frutos-mueren-en-peru-sin-respuesta-de-la-cop-20/
http://www.ipsnews.net/2014/12/glaciers-and-fruit-dying-in-peru-with-no-response-from-cop20/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2014