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LANDWIRTSCHAFT/008: Nepal - Mit einheimischem Saatgut gegen den Klimawandel, Frauen machen mobil (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2011

Nepal: Mit einheimischem Saatgut gegen den Klimawandel - Frauen machen mobil

von Sudeshna Sarkar

Nepalesische Bauern vor einer Saatenbank - Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Nepalesische Bauern vor einer Saatenbank
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Kathmandu, 9. September (IPS) - Nepalesische Frauen haben Konsequenzen aus dem Klimawandel gezogen. Statt weiterhin importierte Hybridsamen auszusäen, verwenden sie widerstandsfähigere heimische Sorten aus eigenen Saatbanken.

"Vor zwei Jahren habe ich meine Getreideernte verloren", berichtet die 32-jährige Shobha Devkota aus einem Dorf im zentralnepalesischen Bezirk Rasuwa mitten im Langtang Nationalpark. "Der Mais wurde von Schädlingen vernichtet", erzählt sie. "Der Reis hatte keine Körner, und der Boden wurde hart." Die Nepalesin hatte damals Mühe, ihre drei Töchter zu ernähren und weiter zur Schule zu schicken.

Nach ihrer Heirat vor 17 Jahren hatte sich Sobha lange Zeit die Landarbeit mit ihrem Mann Ram Krishna geteilt. Seit er aber vor vier Jahren einen Job als Wachmann in Dubai fand, ist die dreifache Mutter allein für die Felder zuständig.

Obwohl Sobha und die anderen Dorfbewohnerinnen nie zur Schule gegangen sind, studieren sie aufmerksam die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Umgebung. "Tagsüber steigen die Temperaturen, und es regnet nur noch unregelmäßig", sagt sie. "Außerdem gibt es immer häufiger Erdrutsche und Hagelstürme."

Die Umweltorganisation WWF Nepal hatte bereits 2007 ein Hilfsprojekt für den Langtang-Nationalpark gestartet, um die Artenvielfalt zu erhalten und die Lebensbedingungen für die Bevölkerung durch eine ganzheitliche Bewirtschaftung von Land, Wald und Wasserressourcen zu verbessern. Damals gab der WWF auch eine Studie über die Folgen des Klimawandels in Rasuwa heraus.


Höhere Temperaturen und weniger Regen

Die Ergebnisse der Untersuchung, die auf Daten aus den Jahren 1978 bis 2007 beruhte, waren alarmierend. Heraus kam, dass die Temperaturen im Sommer und in der Monsunzeit immer weiter stiegen, während sie im Winter zunehmend sanken. In den Regionen, in denen die Menschen vorwiegend von der Landwirtschaft leben, ging die durchschnittliche jährliche Regenmenge in dem Zeitraum um jeweils fast einen Millimeter pro Jahr zurück.

Experten machen die Veränderungen für häufige Erdrutsche, Dürren, Hagel und Stürme verantwortlich. Viele Menschen erkrankten an Gelbsucht, Typhus und Durchfällen. Die Bauern mussten durch Erdrutsche und Schädlinge größere Verluste hinnehmen.

Bei Gesprächen machten die Landfrauen den WWF Nepal darauf aufmerksam, dass das einheimische Saatgut den wechselnden Wetterbedingungen besser standgehalten habe. "Unser Korn hat sowohl starken Regen als auch Dürre ausgehalten", sagt die Bäuerin Chandrakumari Paneru aus Bhorle. Anders als ihre Nachbarn, die kaum den eigenen Namen schreiben können, verfügt die 27-Jährige über einen Hochschulabschluss.

Wie Paneru kritisierte, hatten die Bauern in den vergangenen Jahren vorwiegend aus Indien eingeführte Hybridsamen erhalten, während die heimischen Sorten in Vergessenheit gerieten. Die Importsaaten ergäben nur eine einzige gute Ernte, und für das kommende Jahr müsse dann erneut ausgesät werden, erklärt sie. Da die Bauern auch zunehmend chemischen Dünger verwendet hätten, seien die Böden immer härter geworden, mit dem Einsatz von Chemie zudem die Gesundheitsrisiken gestiegen.


Zusammenlegen für den Notfall

Paneru ist auch Mitglied einer Kooperative, die Ersparnisse der Frauen sammelt und Darlehen vergibt. In dem Dorf mit 200 Einwohnern, in dem es keine Banken gibt, wird somit aus kleinen Summen ein finanzieller Grundstock gebildet, auf den in Notzeiten zurückgegriffen werden kann.

Als sich die Kooperative als funktionsfähig herausstellte, wollten die Frauen noch mehr tun, sagt die Bäuerin. Mit Hilfe des WWF Nepal habe das Dorf dann eine Saatbank eingerichtet. Mitglieder der Kooperative waren zuvor in den Westen des Landes gefahren, um dort ähnliche Modelle zu begutachten.


Heimischer Reis, Mais und Tomaten kultiviert

Mit umgerechnet rund 1.000 US-Dollar, die vom WWF kamen, eröffneten die Frauen schließlich die 'Saatbank der Bhorle-Gemeinschaft'. Dort werden inzwischen 68 unterschiedliche Samensorten gelagert: von Reis, Mais und Hirse bis zu Tomaten, Chili und Kohl.

Mitglieder der Saatbank können bis zu zwei Kilo Samen auf Pump bekommen. Binnen sechs Monaten müssen sie die doppelte Menge zurückgeben. Auf einer Messe zum Thema Artenvielfalt erklärten die Betreiberinnen der Saatenbank kürzlich die Vorzüge der lokalen Sorten.

Die Regierung des Himalaja-Staates ist mittlerweile ihrem Beispiel gefolgt. In drei weiteren Bezirken hat das Agrarministerium ebenfalls Saatbanken eingerichtet. Wie der Leiter des Zentrums für Saatenqualitätskontrolle in dem Ministerium, Dilaram Bhandari, erklärt, gab es 2009 und 2010 im Süden des Landes in zwei Bezirken Mais-Missernten. Etwa 30 Prozent der dort verwendeten Saaten seien aus Indien gekommen.

Die neuen Samenbanken stellen hingegen lokale Saaten bereit, so Bhandari. Von ihnen profitierten vor allem die Frauen, die wegen des Exodus ihrer Männer inzwischen fast 40 Prozent der gesamten Landarbeit verrichteten. Die Behörden achten darauf, dass mindestens ein Drittel der Mitglieder staatlicher Kooperativen weiblich ist. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011