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LANDWIRTSCHAFT/040: Indien - Ratlos nach Sturzflut, Böden nachhaltig geschädigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2013

Indien: Ratlos nach Sturzflut - Böden nachhaltig geschädigt

von Malini Shankar


Bild: © Malini Shankar/IPS

Gletscherschmelze im indischen Bundesstaat Uttarakhand
Bild: © Malini Shankar/IPS

Uttarkashi, Indien, 31. Juli (IPS) - Mehr als einen Monat nach den verheerenden Sturzfluten im nordindischen Himalaja-Bundesstaat Uttarakhand mit etwa 1.000 Toten und 6.000 Vermissten hat die Regierung noch keine vollständige Auswertung der Schäden für die Landwirtschaft veröffentlicht. Bauern fürchten nun, dass das Ausmaß der Katastrophe für sie größer ist als bisher angenommen wurde.

Niemand kann derzeit abschätzen, wie schnell sich Böden und Agrarsektor, der nur knapp elf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt von rund 160 Milliarden US-Dollar beiträgt, nach den heftigen Überschwemmungen am 15. und 16. Juni infolge sintflutartiger Regen und Gletscherschmelze wiederherstellen lassen.

In Uttarakhand entstanden große Schäden, als die Quellflüsse des heiligen Strom Ganges anschwollen und Straßen, Häuser, Pilger und Vieh mit sich rissen. Die Regierung konzentrierte ihre Bemühungen fast ausschließlich auf Rettungseinsätze und Nothilfe, die von den Streitkräften koordiniert wurde. Mehr als 42.000 Menschen wurden vom Militär betreut.


Los der Bauern ignoriert

Doch die schwierige Lage der Bauern findet kaum Beachtung. Experten aus der Region berichten, dass die Sommerkulturen weggespült worden sind. Die Bauern werden daher im Winter nicht ernten können. Die Aussaat von Reis, die üblicherweise in die intensivste Zeit des Monsunregens von Juni bis September fällt, muss wegen der Überschwemmung der Felder verschoben werden.

Obgleich während der sommerlichen Gletscherschmelze und der Monsunzeit von den Bergen regelmäßig lehmhaltiges Wasser auf die Felder abfließt, hat die jüngste Katastrophe in dem Gebiet, das häufig als "Land der Götter" bezeichnet wird, eine Zone der Zerstörung geschaffen. Möglicherweise sei die oberste Schicht des Bodens stärker geschädigt worden als erwartet, sagt Ram Kishan, Südostasien-Nothilfekoordinator der britischen Hilfsorganisation 'Christian Aid'.

In dem Himalaja-Staat, der durch die von den Gletschern gespeisten Flüsse auf natürliche Weise bewässert wird, findet sich eine große Artenvielfalt. Die wichtigsten Grundnahrungsmittel für die meisten der rund zehn Millionen Einwohner von Uttarakhand sind rote Kidney-Bohnen und Kartoffeln.

Die Fluten haben nun Reis, Weizen, Gerste, Hirse, Linsen sowie Obst, Gemüse, Blumen, Gewürzpflanzen, Kräuter und Pilze vernichtet. Zudem sind viele Weiden aufgrund der angeschwemmten Trümmer nicht mehr nutzbar. In dem Bundesstaat gibt es etwa 11,9 Millionen Nutztiere wie Kühe, Ochsen, Büffel, Schafe, Ziegen, Pferde oder Geflügel.

"Nach ersten Schätzungen sind 25 bis 30 Prozent der Felder betroffen", sagt Kishan. Damit dürfte die Jahresernte, die sonst bei durchschnittlich 8,2 Millionen Tonnen liegt, dieses Jahr deutlich niedriger ausfallen. Nichtregierungsorganisationen wie Christian Aid rechnen mit einem baldigen Anstieg der Grundnahrungsmittelpreise.

Insgesamt sind mehr als 750.000 Hektar Anbaufläche durch die Flüsse Mandakini und Alakananda entweder überflutet oder weggeschwemmt worden. Beide entspringen am riesigen Gomukh-Gletscher im Himalaja-Gebirge. Nach Angaben der Organisation 'Aide et Action' leben über 65 Prozent der Bewohner von Uttarakhand von der Landwirtschaft. Die meisten von ihnen sind Subsistenzfarmer, die weniger als einen Hektar Land pro Familie besitzen.


Auch Tourismus in Schwierigkeiten

Die Bauern, die ihre Einkünfte während der Monsunperioden durch saisonalen Tourismus aufstocken müssen, sind besonders hart getroffen. Uttarakhand ist ein beliebtes Ziel für Besucher aus dem Ausland und Pilger. "Im laufenden Fiskaljahr wurden 47 Millionen einheimische Touristen und etwa 500.000 Ausländer erwartet", sagte Shekhar Ambati von 'Aide et Action'. Die Fluten haben aber diese wirtschaftliche Basis vernichtet.

Die Tourismusbranche ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Einheimische sind als Träger, Fremdenführer, Fahrer und Übersetzer beschäftigt. Andere vermieten Esel, auf denen Besucher durch die steinige Landschaft reiten können. Auch Kunsthandwerker und Familien, die Tee und Lebensmittel verkaufen, sind auf den Fremdenverkehr angewiesen.

Da die 'Rettungsleine' des religiösen Tourismus gekappt ist, befürchtet Ambati einen Schneeballeffekt, der die Einkommen der Bauern weiter schmälern wird. Die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft verstärken sich weiter dadurch, dass viele Straßen durch Geröllmassen unpassierbar geworden sind.

Die Handelskammer des Staates schätzt, dass Uttarakhand durch die Überschwemmungen allein in diesem Fiskaljahr Einnahmen von mehr als 20 Milliarden US-Dollar nur im Tourismussektor verloren hat. Mit einer Erholung der Lage wird frühestens in zwei bis drei Jahren gerechnet. Ambati sieht daher die Regierung in der Pflicht, die Existenzsicherung der Bauern kurzfristig zu unterstützen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.christianaid.org.uk/
http://www.aea-southasia.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/will-prayers-save-farmers-in-the-land-of-the-gods/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013