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LANDWIRTSCHAFT/076: Indien - Mit biologischen Lösungen gegen Landverödung nach Tsunami (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Januar 2015

INDIEN: Mit biologischen Lösungen gegen Landverödung - Bauern in Tsunami-Gebieten schöpfen neue Hoffnung

Von Jency Samuel


Foto: © Jency Samuel/IPS

Mit biologischen Lösungen verwandeln Bauern in indischen Tamil Nadu die nach dem Tsunami von 2004 versalzenen Böden in fruchtbare Agrarflächen
Foto: © Jency Samuel/IPS

Nagapatnam, Indien, 9. Januar (IPS) - Wenn der Bauer Ramajayam seinen Blick über sein grünes Reisfeld in Nagapatnam, einem Küstenbezirk im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, schweifen lässt, muss er an die meterhohen Salzwasserwalzen im Gefolge des verheerenden Tsunamis denken, die vor mehr als zehn Jahren sein Feld verwüsteten und unfruchtbar machten.

Am Morgen des 26. Dezember 2004 war der Farmer aus der Ortschaft Karaikulam aufgebrochen, um auf seiner Parzelle Kasuarinenbäume zu pflanzen. Als er eintraf, bemerkte er sofort, dass er tiefer als sonst in den Boden einsank und sich seine Spuren sofort mit Wasser füllten. Minuten später beobachtete er, wie eine riesige schwarze Welle auf ihn zurollte. Er drehte sich um und rannte um sein Leben.

Am nächsten Tag kehrte er zurück, um sich die Folgen der Katastrophe anzuschauen. Von seinem Feld war nichts mehr zu sehen. Soweit das Auge reichte, nur Wasser.


Agrarflächen zu Salzwüsten

Im Nagapatnam hatte der Tsunami am schlimmsten gewütet. Dort starben 6.065 Menschen - 85 Prozent aller indischen Todesopfer der Naturkatastrophe. Insgesamt waren dort fast 24.000 Hektar Agrarland dahin. Die Ernte, die eigentlich 15 Tage nach der Naturkatastrophe fällig gewesen wäre, fiel aus. Und auch die vielen Teiche, die die Farmer mit staatlicher Hilfe gegraben hatten, waren versalzen. Als das Wasser schließlich verdunstete, glichen die in der Regel bis zu zwei Hektar großen Felder Salzwüsten.

Die Bäume, die der Wucht des Tsunamis standgehalten hatten, überlebten diese Phase intensiver Versalzung nicht, wie Kumar, ein weiterer Kleinbauer berichtet. "Naturkatastrophen waren für uns an für sich nichts Neues. Doch so etwas wie diesen Tsunami hatten wir noch nie erlebt."

Um die Auswirkungen der Katastrophe auf die kleinbäuerlichen Gemeinden abzufedern, konzentrierten sich Behörden und Hilfsorganisationen beim Wiederaufbau auf die Küstengebiete. Den Menschen wurden alternative Verdienstmöglichkeiten angeboten.

Doch die fast 10.000 betroffenen Kleinbauern, die seit Generationen von der Landwirtschaft leben, nahmen die Angebote nicht an. Auch ignorierten sie die Prognosen der Expertenteams, wonach eine Rückkehr zur Landwirtschaft in den betroffenen Gebieten in frühesten zehn Jahren möglich sei. So gab es etliche Bauern, die gleich im ersten Jahr nach dem Tsunami damit begannen, die Böden wieder zu bewirtschaften. Doch nicht ein einziges Saatkorn ging auf.

Dann tauchten etliche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf und begannen mit Maßnahmen zur Vitalisierung der Böden. Inzwischen gereicht Nagapatnam anderen Bezirken und Regionen zum Vorbild. Der Bezirk hat die Kraft biologischer Lösungen unter Beweis gestellt, sogar in Zeiten des Klimawandels das scheinbar Unmögliche zu leisten.

Zu den Organisationen der ersten Stunde gehörte die 'Bewegung der Bio-Bauern von Tamil Nadu' (TOFarM), die die Ortschaft South Poigainallur zum Sitz ihrer Sanierungsversuche wählte. Nachdem klar war, dass die Böden komplett unproduktiv waren, stellten die Mitarbeiter für jede einzelne Farm einen Rettungsplan auf, der die Bodenbeschaffenheit und Topographie sowie das richtige Saatgut und Equipment berücksichtigte.


Naturmedizin für die Böden

Im Anschluss daran wurden der angeschwemmte Morast abtransportiert und die Felder gepflügt. Danach wurden die tausenden entwurzelten Bäume ins Erdreich versenkt, um eine Durchlüftung des Bodens mit Hilfe des Verwitterungsprozesses herbeizuführen.

Später wurde Gelber Turibaum (Sesbania bispinosa), auch 'Dhaincha' genannt, auf den Feldern ausgesät. "Dhaincha ist ein Gründünger, der auch auf salzigen Böden gedeiht", erläutert M. Revathi von TOFarM, im Gespräch mit IPS. Wenn die nährstoffreichen Pflanzen nach 45 Tagen blühen, werden sie untergepflügt, um den Boden zu lockern und seine Poren weiter zu öffnen, sowie Kompost und Dung beigemischt.

Arme Bauern in Tamil Nadu hängen von staatlicher Hilfe ab. Jeden Monat verteilt der Bundesstaat jeweils drei Tonnen Reis an 20 Millionen Bedürftige. Um diese Herkulesarbeit überhaupt leisten zu können, haben die Behörden Reisankaufzentren eingerichtet, die den Bauern den Reis zu Festpreisen abnehmen.

Selten verdienen die rund 13.000 Kleinbauern im Bundesstaat genug, um sich ein sicheres Auskommen zu schaffen. Wenn die Reisernte nach 90 bis 135 Tagen endet, beginnt der Gemüseanbau. In Bezirken wie Nagapatnam, in denen die Süßwasserressourcen in mehr als sieben Meter Tiefe lagern, sind die Bauern vor allem auf Niederschläge angewiesen.

Nachdem der Tsunami die Felder vor zehn Jahren unter Wasser gesetzt hatte, konnte sich kaum jemand vorstellen, dass sich die Böden jemals erholen würden. "Die Zahl der Mikroben, die für die Qualität der Böden entscheidend sind, war dort von 4.000 auf unter 500 abgesackt", erzählt Dhanapal, ein Farmer aus Kilvelur im Bezirk Nagapatnam und Leiter des 'Cauvery-Delta-Farmer-Verbands'.

Der Tsunami hatte auch das drei Hektar große Feld des Kleinbauern S. Mahalingam in North Poigainallur ruiniert und die gesamte Ernte vernichtet. Doch mit NGO-Hilfe wurde das Salzwasser von seiner Farm abgepumpt. Später brachte er das ihm kostenlos zur Verfügung gestellte Saatgut aus. Die Regierung des Bundesstaates erließ ihm seine Schulden.

Neben Farmabfällen verwendet Mahalingam die Blätter einheimischer Bäume wie Neem (Azadirachta indica) und Nochi (Vitex negundo), um sie als natürliche Dünger dem Boden beizumengen. Niederschläge trugen dazu bei, die Salzkonzentration im Erdreich zu verringern. Außerdem brachte der Bauer die traditionellen und salzresistenten Reissorten Kuruvikar und Kattukothalai aus. Nach zwei Jahren war seine Farm wieder fit.

NGOs wie 'Kudumbam' in Trichy haben eine Vielzahl von Methoden in petto, um den verödeten Böden wieder Leben einzuhauchen. Den Bauern Pl. Manikkavasagam erinnerte die Organisation an die Jahrhunderte alte Praxis, dem Boden grüne Palmwedel beizugeben, die hier in rauen Mengen zu haben sind. Kudumbam belieferte ihn zudem mit den Biodüngern Azotobacter und Azospirillum.

In Nagapatnam kommen auch Butterfett, Milch, Kuhdung, weiche Kokosnüsse, Fischabfälle und Buttermilch als natürliche Inputs zum Einsatz. Sie haben sich zudem als preiswerte und wirksame Waffen gegen Pflanzenkrankheiten bewährt.

"Im Allgemeinen ist man davon überzeugt, dass es Jahre dauert, bevor die biologische Landwirtschaft gute Ergebnisse und Einnahmen hervorbringen kann. Doch in der Post-Tsunami-Rehabilitierungsarbeit konnten wir zeigen, dass in weniger als einem Jahr die biologischen Methoden bessere Ergebnisse erzielten als chemische Lösungen", meint Revathi. Dass TOFarM eingeladen wurde, die Erfolge in Indonesien und Sri Lanka zu wiederholen, spricht seiner Meinung nach für sich.

2006 hatten Bauern wie Ramajayam die salzresistente Reissorte Kuzhivedichan ausgebracht, die sich drei Monate nach der Aussaat ernten lässt. Seitdem auch noch 2.000 Teiche mit Hilfe von TOFarM revitalisiert werden konnten, blicken die Bauern von Nagapatnam wieder mit Zuversicht in die Zukunft. Die grünen Felder an den Küsten von Tamil Nadu geben ihnen recht. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:
http://www.ipsnews.net/2015/01/organic-farming-in-india-points-the-way-to-sustainable-agriculture/

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IPS-Tagesdienst vom 9. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2015


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