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LANDWIRTSCHAFT/080: Landwirtschaftliche Debatte und gesellschaftliche Bewegung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014
Goldgräberstimmung
Bioökonomie zwischen Welthunger und Rohstoffalternativen

Bäuerliche Landwirtschaft ist lebenswert
Landwirtschaftliche Debatte und gesellschaftliche Bewegung

Von Berit Thomsen


Die 90er Jahre waren für das Image der Bäuerlichkeit keine gute Zeit. Da galt die Bäuerlichkeit als etwas Rückständiges und sollte überwunden werden. Die CDU kickte das Wort aus ihrem Programm. Heute ist es wieder drin, so wie auch bei der SPD und bei den Grünen. Das liegt daran, dass die zunehmend industrialisierten Produktionssysteme im Stall und auf dem Acker auf immer mehr Widerstand in der Gesellschaft stoßen. Allerdings wird der bäuerliche Begriff dabei auch missbraucht. Denn obwohl die Parteien diesen in ihren Programmen haben, sind ihre Politiken noch lange nicht darauf ausgerichtet.


Das Dogma ist und bleibt die "Wachsen oder Weichen"-Strategie. Das wird unterstützt mit der derzeitigen Ausgestaltung der Direktzahlungen, also den flächenbezogenen Agrarzahlungen. Die jüngste EU-Agrarreform hat Möglichkeiten geschaffen, durch welche kleine und bäuerliche Betriebe mehr Gelder erhalten durch eine wirkungsvolle Umverteilung auf die ersten Hektare. Auch hätte eine Obergrenze eingezogen werden können, um flächenstarke und durchrationalisierte Betriebe nicht weiter zu bevorteilen. Aber Deutschland hat diese Vorlage stark verwässert. Andere EU-Mitgliedsstaaten sind deutlich weiter gegangen.

Bäuerliche Landwirtschaft - eine Begriffsbestimmung über die Jahrzehnte

In den 90er Jahren hat der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) "Bäuerliche Landwirtschaft" so definiert: "Bäuerlichkeit: Bäuerliches Leben, Denken und Wirtschaften bedeutet Verbundenheit mit Hof, Natur und Heimat, Verantwortung für Tiere, Boden und Pflanzen, weitgehend selbstverantwortliches Arbeiten, Denken in Generationen und Kreisläufen, Arbeiten im Zusammenhang mit der Familie oder anderen engen Sozialbeziehungen. Ziel bäuerlichen Wirtschaftens ist natürlich ein möglichst gutes Einkommen, aber stets vor dem Hintergrund des Erhalts von Arbeitsplatz und Hof - und nicht die kurzfristige Maximalrendite von Kapital ohne Rücksichten auf Inhalt und Standort der Produktion. Dies steht im Gegensatz zu einer agrarindustriellen Ausrichtung."

"Diese grundsätzliche Bestimmung hat an Aktualität nichts verloren, sie ist für uns nach wie vor gültig. 'Bäuerlichkeit' ist vor allem eine qualitative Beschreibung, die sich an Wertsetzungen orientiert und nur zum Teil in quantitativen Maßstäben zu fassen ist." So steht es in dem neuen Diskussionspapier der AbL mit dem Titel "Bäuerliche Landwirtschaft ist Zukunftslandwirtschaft".(1) Genau wie der Begriff "bäuerlich" an die räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten angepasst ist und so einem stetigen Wandel unterliegt, ist auch dieses Diskussionspapier ein lebendiges Dokument. Die hier abgedruckten Auszüge stellen den Stand nach der AbL Mitgliederversammlung am 22. November 2014 dar und werden weiter diskutiert. In dem Diskussionspapier heißt es weiter: "Bäuerinnen und Bauern haben eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit und sie stellen sich dieser Verantwortung. Sie engagieren sich für Gerechtigkeit und Fairness, nicht nur gegenüber den Familienangehörigen, sondern auch gegenüber Mitarbeitern und unseren landwirtschaftlichen Berufskollegen.

Der aktuelle Stand

Auf Grund der heutigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen und des dadurch bedingten großen Arbeits-, Preis- und Rationalisierungsdrucks sieht der Alltag auf unseren Höfen mitunter anders aus - dessen ist sich die AbL bewusst. Auch Bäuerinnen und Bauern sehen sich oft dazu genötigt, ihr Tun von der als "Strukturwandel" verbrämten Politik der Agrarindustrialisierung beeinflussen zu lassen - aber sie machen sich diese nicht zu Eigen.

Wie sich bäuerliche Landwirtschaft definiert, wird in folgenden Punkten skizziert: 1) Für faire Preise und eine faire Bezahlung der Arbeit; 2) Für artgerechte Tierhaltung; 3) Für freien Zugang zu Land; 4) Für gentechnikfreie Landwirtschaft und Vielfalt auf dem Acker; 5) Für eine praxisorientierte Bildung, Forschung und Wissenschaft in der Landwirtschaft; 6) Für fairen Handel und für Ernährungssouveränität.

Bäuerlichkeit im Fokus

Die Bäuerlichkeit erlebt schon länger eine Renaissance. Nicht zuletzt hat auch der Weltagrarbericht im Jahr 2008 die globalen Grenzen der landwirtschaftlichen Industrialisierung aufgezeigt und die bäuerliche Landwirtschaft als Zukunftslandwirtschaft hervorgehoben. Der Kritische Agrarbericht (KAB) wird sich mit dem Thema befassen Dort geht es um die Bedeutung und Zukunft von Kleinstbetrieben. Und auch die Demo "Wir haben es satt" am 17. Januar 2015 in Berlin wird erneut ein Zeichen für die bäuerliche Landwirtschaft setzen. In dem AbL-Papier heißt der letzte Satz: Die Welt ist ein Überlebensacker für eine globale und regionale Ernährungssouveränität - wir wollen sie mit bäuerlicher Landwirtschaft lebenswert erhalten.


Autorin Berit Thomsen ist Mitarbeiterin für Internationale Politik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).


Literatur

1. http://www.abl-ev.de/themen/agrarpolitik/positionen.html.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014, Seite 36
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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