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LATEINAMERIKA/047: Mexiko - Anstieg der Tortillapreise verhindert Biotreibstoffreform (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Januar 2011

Mexiko: Mais zu Biosprit - Anstieg der Tortillapreise verhindert Biotreibstoffreform

Von Daniela Pastrana


Mexiko-Stadt, 18. Januar (IPS) - In Mexiko haben Senatoren der oppositionellen Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) nach Bauernprotesten und einem Anstieg der Tortillapreise um 50 Prozent die Verabschiedung eines Gesetzes zur Legitimierung der Biotreibstoffproduktion aus Mais auf Eis gelegt. Schon jetzt sieht sich die 'Wiege des Mais' zu Getreideimporten gezwungen, um die Nachfrage nach dem Grundnahrungsmittel zu decken.

Nach Angaben der Kampagne 'Ohne Mais kein Land' führt Mexiko jedes Jahr zehn Millionen Tonnen gelben Mais im Wert von drei Millionen US-Dollar ein, um 30 Prozent der nationalen Nachfrage zu decken. Sollte die von allen Parteien unterstützte Reform stattfinden, müsste Mexiko seine Maiseinfuhren in den kommenden fünf Jahren auf 50 Prozent erhöhen.

Die unzureichende nationale Maisproduktion hatte 2008 den Ausschlag für die im März 2009 gefallene Entscheidung gegeben, den Anbau transgener Maissorten zu erlauben. Dabei ist nach wie vor unklar, wie sich genmanipulierte Nahrungsmittel auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen auswirken. Demgegenüber ist die mexikanische Zivilgesellschaft mit ihrem Versuch, das Recht auf Nahrung in der Landesverfassung zu verankern, am Widerstand des Senats gescheitert.

Die Gefahr, dass die Reform des Biotreibstoffgesetzes doch noch genehmigt wird, bleibe bestehen, zu groß sei das Interesse der Ethanolhersteller aus den USA, Kolumbien und Brasilien an mexikanischem Mais, warnte der Geschäftsführer der Nationalen Vereinigung der Handelsunternehmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Víctor Suárez.


Genehmigung durch die Hintertür

Nach bisherigem Recht ist die Herstellung von Biotreibstoffen aus Mais verboten, wenn ein Defizit an dem Getreide besteht. Die geplante Reform, die seit zwei Jahren von dem ehemaligen Senator Mario López Valdez vorangetrieben wird, strebt eine Regionalisierung der Entscheidung an. So sollen Bundesstaaten, die übermäßig Mais produzieren, ihre Überschüsse für die Ethanolproduktion verwenden dürfen. López Valdez ist seit 1. Januar Gouverneur des maisreichen Bundesstaates Sinaloa im Nordwesten des Landes.

"Die Reform ist der reinste Wahnsinn. Sie zielt darauf ab, die großen Maisproduzenten reicher zu machen", meinte Suárez. Er wies darauf hin, dass ein Fünftel aller Mexikaner im Elend lebt und 45 Prozent der mexikanischen Nahrungsmittel importiert werden müssen. Auch gab er zu bedenken, dass sich die Ethanolproduktion ohne Subventionen nicht rentieren würde.

Wie der Nationalrat zur Bewertung der Politik der sozialen Entwicklung herausfand, ist der Anteil der Mexikaner, die ihren Nahrungsmittelbedarf nicht decken können, in der Regierungszeit des seit 2006 amtierenden Staatspräsidenten Felipe Calderón von 14,4 auf 18,2 Prozent gestiegen.

Mais ist nicht nur ein wichtiges Grundnahrungsmittel der Mexikaner, sondern auch eine Kultpflanze. Nach einer Legende der Maya schufen Götter die Menschen aus Maiskörnern, und bis heute kommt die Pflanze bei religiösen Riten zur Anwendung.


Lukratives Geschäft

Inzwischen regeln die Märkte und Börsen die Maispreise, das Getreide ist somit zu einem Spekulationsgut geworden, das aufgrund der hohen Nachfrage für die US-Ethanolproduktion, des russischen Maisexportverbots nach dem dürrebedingten Einbruch der Maisproduktion im vergangenen August und der derzeitigen Überschwemmungen in Australien Spitzenpreise erzielt.

Dass in einigen mexikanischen Bundesstaaten die Preise für Tortilla aus weißem Mais um 50 Prozent gestiegen sind, veranlasste der Senat ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen die Vertagung der geplanten Reform. Außerdem wurde den Mehl- und Tortillaherstellern im Lande die Erhöhung ihrer Produktpreise unter Androhung von Strafen verboten. "Die Regierung hält uns vor, dass wir die Tortillapreise erhöhen und Missbrauch betreiben. Dabei setzt sie selbst die Mais- und Benzinpreise herauf", kritisierte der Tortillahersteller Juan Martínez aus Mexiko-Stadt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2011