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LATEINAMERIKA/185: Mexiko - Einsatz von Drohnen zum Schutz indigener Territorien (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Einsatz von Drohnen zum Schutz indigener Territorien

Von Paloma Carreño Acuña


(Michoacán, 29. Oktober 2018, Agencia Informativa Conacyt) - Der Geograph Nicolás Vargas Ramírez ist Professor an der Staatlichen Hochschule ENES (Escuela Nacional de Estudios Superiores) in Morelia, Michoacán, die der renommierten staatlichen Universität UNAM in Mexiko-Stadt angehört. Vargas Ramírez hat im Rahmen eines Projektes erforscht, wie sich Drohnen zum Schutz der Umwelt und indigener Territorien einsetzen lassen. Der Professor sagt, dass die neoliberale Politik in Mexiko und ganz Lateinamerika zugenommen habe, was wiederum zu einer stärkeren Präsenz externer Interessensgruppen geführt habe, "die der Ausbeutung der Rohstoffe Tür und Tor geöffnet haben - zum Leidwesen indigener und ländlicher Gemeinden".

Vargas Ramírez hat bereits in Kolumbien zu Themen der "partizipativen Kartographie" gearbeitet, die als Empowerment-Strategie für Gemeinden gilt. In Kolumbien ging es um die Rückgabe von Ländereien an ihre Bewohner*innen, die diese wegen der Bürgerkriegssituation verlassen mussten. Im Rahmen dieser Arbeit stellte sich heraus, dass Drohnen ein nützliches Werkzeug sein können, um an Informationen über den Zustand der Ländereien und der Umwelt zu gelangen. In einer afrokolumbianischen Gemeinde konnte auf diese Weise die Verseuchung ihrer Flüsse durch illegales Goldschürfen nachgewiesen werden. Mit diesem Wissen reiste Vargas Ramírez nach Mexiko.


Partizipative Kartographie

Die herkömmlichen Landkarten trügen nicht immer den Realitäten der Gemeinden Rechnung und könnten daher ungenau sein, so Professor Vargas: Im Gegensatz dazu setze die partizipative Kartographie auf die aktive Teilnahme der Gemeindemitglieder und beziehe damit ihre Realitäten und Interessen ein. Hier kommen die Drohnen ins Spiel, die sich im Unterschied zu Satelliten mit einer größeren Autonomie einsetzen ließen und mehr Details erfassen könnten. Eine indigene Gemeinde kann somit detaillierte Informationen über ihr Gebiet erhalten und Eindringlinge per Kamera ausmachen. Das stärkt die Gemeinden in der Verteidigung ihrer Territorien. Illegaler Holzabschlag zum Beispiel oder die Expansion landwirtschaftlicher Anbauflächen finden somit nicht mehr im Verborgenen statt.

Doch heißt dies nicht zwingend, dass indigene Gemeinschaften den Einsatz von Drohnen gutheißen. Zu welchen Problemen und Konflikten es kommen kann, wurde im Rahmen verschiedener Fallstudien in Mexiko untersucht. Es sollte herausgefunden werden, inwiefern die Drohnen helfen können Veränderungen der Umwelt zuverlässig zu identifizieren; inwiefern der Einsatz von Nutzen für die Gemeinden auf indigenen Territorien ist; wie die Gemeinden sich gegenüber dem Einsatz von Drohnen für die Verteidigung der Territorien und der Umwelt positionieren und inwiefern der Einsatz von Drohnen zu Konflikten führen kann.


Neue Karten - neue Wahrnehmung

Die Gemeinde Jardines de la Mintsïta, am Stadtrand von Morelia gelegen, befindet sich in der Nähe der Quelle Mintzita aus der 30 bis 40 Prozent des Trinkwassers für Morelia kommen. Untersucht wurde, wie sich die Ausbreitung des städtischen Siedlungsraums, die Umnutzung der Böden, der Müll und die Brände auf diese Quelle auswirkt. Nicolás Vargas Ramírez sagt, dass der Fall dieser Gemeinde sehr interessant sei, da "die detaillierte und aktuelle Kartographie, die mit Hilfe der Drohnen erstellt wurde, dazu geführt hat, dass sich die Wahrnehmung des Territoriums innerhalb der Gemeinde verändert hat". Hier wurden die Drohnen für die Erforschung des Feuchtgebiets Ramsar und eines Naturschutzgebietes eingesetzt: "Die Gemeinde kannte nicht die genauen Grenzen des Gebiets und so wurde eine kartographische Recherche in Gang gesetzt. Das hat zu einem Perspektivwechsel geführt, denn es wurde festgestellt, dass Ramsar weitaus größer war als bisher angenommen", erklärt der Geographie-Professor.

Das wegen seiner Biodiversität international bedeutsame Feuchtgebiet Ramsar erstreckt sich auch auf die Quelle Mintzita. Diese befindet sich bereits seit 2005 im Naturschutzgebiet und seit 2009 ist sie nun auch offiziell Teil des Feuchtgebietes Ramsar. "Die Regierung zeigt aber keine Präsenz in den besagten Gebieten, um sie zu schützen. Die Institutionen deuten an, dass sie nicht intervenieren können, vor allem wenn es um Landkonflikte geht", sagt Nicolás Vargas.

Die indigene Gemeinde Cherán K'eri hat sich 2011 gegen die illegale Abholzung durch Gruppen des organisierten Verbrechens erhoben, die ihre Wälder und die Trinkwasserversorgung verwüstet hatten. "In Cherán haben wir Workshops gegeben (...) über die Funktionsweise der Drohnen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, über Kartographie, die Informationsverarbeitung und die Analyse der Ergebnisse", erzählt Vargas. Sie nutzen die Aufnahmen der Drohnen, um einschätzen zu können, wie viel Arbeit es bedeutet die gerodeten Flächen wieder aufzuforsten.

In der Gemeinde San Felipe Tepatlán ermöglichten Drohnen, die Auswirkungen des Baus eines Wasserkraftwerkes zu beobachten. Nicolás Vargas Ramírez gibt allerdings zu bedenken, dass die festgestellten Umweltschäden auch auf andere Aktivitäten in der Gegend zurückzuführen sein könnten. In einem anderen Fall habe sich nicht eindeutig ermitteln lassen, ob Bauaktivitäten auf Naturschutzgebiete übergegriffen hätten, da es dem verwendeten GPS an der erforderlichen Präzision gefehlt habe.


Politischer Nutzen von Karten

"Die Drohnen können bei Umweltkonflikten eingesetzt werden, sie sammeln Daten und bei der gemeinsamen Analyse verstehen die Betroffenen worum es geht und in einigen Fällen muss man einschreiten", so der Professor und er verweist auf den politischen Gebrauch der Karten: Durch eine "Gegenkartierung", die mit Hilfe der Leute erstellt wird, könne diese als Werkzeug eingesetzt werden, um den Karten, auf die das Großkapital oder der Staat zurückgreifen kann, zu widersprechen und etwas entgegen zu setzen. Und weiter: Das Potential, das in den Luftaufnahmen steckt, könne sich aber nur dann entfalten, wenn die Anwohner*innen an den Auswertungen teilnehmen und eine "soziale Kartographie" praktiziert werde in Form von Gruppen-Workshops, Diskussionsrunden etc.

Der Professor ist sich den Grenzen des Einsatzes der Drohnen bewusst und sagt, Drohnen könnten andere Werkzeuge nicht ersetzen. So führe z.B. am Ablaufen eines Gebietes kein Weg vorbei. Und er schließt: "Es wäre naiv zu denken, dass eine Drohne ein Territorium verteidigen oder die Konflikte in einer Gemeinde lösen wird, denn wenn die Bedingungen nicht gut sind, kann der Einsatz von Drohnen auch zu einer Gefahr werden oder die Gemeinden von anderen, wirklich wichtigen Aspekten ablenken", schließt der Professor.


URL des Artikels:
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2018

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