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MEER/035: Kalkbildende Mikroalgen sind Zeugen zunehmender Ozeanversauerung (idw)


Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung - 03.08.2011

Kalkbildende Mikroalgen sind Zeugen zunehmender Ozeanversauerung

Neue Studie in Fachzeitschrift Nature


Bremerhaven, den 1. August 2011. Erstmals haben Forscher in globalem Maßstab untersucht, wie Kalkalgen in ihrem natürlichen Lebensraum auf die zunehmende Versauerung durch erhöhten Eintrag von Kohlendioxid reagieren. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature beschreiben sie, dass Algen der Gruppe Coccolithophoriden ein dünneres Kalkskelett ausbilden, wenn der pH-Wert im Meer sinkt. Im marinen Ökosystem sind die Veränderungen im Kalzifizierungsgrad sehr viel ausgeprägter als bislang aufgrund von Laborversuchen vermutet. Die Veränderungen wirken sich auf den globalen Kohlenstoffhaushalt aus, denn die untersuchten Mikroalgen beeinflussen den Kohlendioxidaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre.

Etwa ein Drittel des anthropogenen Kohlendioxids wird von den Ozeanen aufgenommen und reagiert zu Kohlensäure und deren Reaktionsprodukten. Die zunehmende Verbrennung fossiler Energieträger hat im letzten Jahrhundert zu einer verstärkten Versauerung der Ozeane geführt und verändert dadurch die marinen Ökosysteme. Besonders empfindlich reagieren kalkbildende Organismen wie beispielsweise Korallen und Kalkalgen - so genannte Coccolithophoriden. Diese mikroskopisch kleinen Algen gehören zum Phytoplankton und bauen ein Skelett aus Kalkplättchen auf.

Die Gruppe der Coccolithophoriden ist sehr verbreitet und produziert einen Großteil des marinen Kalks - ein Prozess der über geologische Zeitskalen zu Kalkablagerungen wie den Kalkfelsen auf Rügen geführt hat. Die Reaktionen von Kalkalgen auf Ozeanversauerung in ihrer natürlichen Umgebung sind bislang noch nie im globalen Maßstab untersucht worden. Mithilfe einer von Dr. Luc Beaufort am französischen Forschungsinstitut CEREGE entwickelten Methode konnte jetzt eine Vielzahl von Plankton- und Sedimentproben analysiert werden, die Veränderungen in der Kalzifizierung der Coccolithophoriden im heutigen Ozean sowie über die letzten 40.000 Jahren dokumentieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass Coccolithophoriden weniger Kalk bilden, wenn das Wasser weniger Karbonationen enthält, also einen geringeren pH-Wert hat ("saurer" ist). "Die Reaktionen im natürlichen System sind hierbei viel stärker als bislang angenommen", berichtet Dr. Björn Rost vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, der an der Studie beteiligt ist. Zwar haben auch schon Laborexperimente gezeigt, dass der Kalzifizierungsgrad bei zunehmender Versauerung abnimmt, die Algen also ein dünneres Skelett ausbilden. Im marinen Ökosystem kommt es zu einer Artenverschiebung von stark zu schwach kalzifizierten Arten und Stämmen. "Bereits kleine physiologische Unterschiede in ihren Reaktionen auf Umweltveränderungen können große ökologische Konsequenzen haben, wenn dies ihre Konkurrenzfähigkeit beeinflusst", erklärt Rost. Bei zunehmender Ozeanversauerung können also solche Arten verdrängt werden, die mehr Energie zum Aufbau ihres Kalkskeletts investieren müssen. Somit könnte die Gruppe der Coccolithophoriden zukünftig weniger Kohlenstoff aufnehmen - mit ungewissen Folgen für den globalen Kohlenstoffkreislauf.

Allerdings zeigt die Studie auch, dass es Ausnahmen von diesem generellen Trend geben kann. In der Küstenzone Chiles, wo die "sauersten" Bedingungen in heutigen Ozeanen herrschen (pH-Werte von 7,6 bis 7,9 statt durchschnittlich 8,1), fanden die Wissenschaftler extrem stark kalzifizierte Coccolithophoriden. Die genetische Analyse zeigte, dass es sich hierbei um einen verschiedenartigen Stamm der Coccolithophoridenart Emiliania huxleyi handelt. Diesem Stamm ist es offensichtlich gelungen, sich an Umweltbedingungen anzupassen, die für die Kalzifizierung ungünstig sind. In Hinblick auf die derzeitige hohe Geschwindigkeit des Klimawandels ist es jedoch äußerst fraglich, ob andere Vertreter der Coccolithophoriden fähig sind, sich diesem Tempo anzupassen.

Die Nature-Studie von L. Beaufort, I. Probert, T. de Garidel-Thoron, E. M. Bendif, D. Ruiz-Pino, N. Metzl, C. Goyet, N. Buchet, P. Coupel, M. Grelaud, B. Rost, R. E. M. Rickaby und C. de Vargas hat den Titel: "Sensitivity of coccolithophores to carbonate chemistry and ocean acidification".


Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 17 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung,
Dipl.-Ing. Margarete Pauls, 03.08.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2011