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MEER/064: Umwelt - Versauerung der Ozeane, Meerestiere nackt und konfus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2012

Umwelt: Versauerung der Ozeane - Meerestiere nackt und konfus

von Stephen Leahy


Fleischfressende Krabbe mit erbeuteter Meeresschnecke - Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Patricio Manríquez

Fleischfressende Krabbe mit erbeuteter Meeresschnecke
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Patricio Manríquez

Monterey, Kalifornien, USA, 4. Oktober (IPS) - Die durch den Klimawandel verursachte Versauerung der Meere sorgt dafür, dass chilenische Seeschnecken ihre natürlichen Feinde nicht mehr riechen können und ihnen somit schutzlos ausgeliefert sind.

"Die Bedingungen in den Meeren ändern sich heutzutage 100-mal schneller als in der Vergangenheit", sagte Jean-Pierre Gattuso, Meeresbiologe vom französischen Ozeanographie-Laboratorium in Villefranche, gegenüber IPS. "Wir lernen gerade erst zu verstehen, was hier vor sich geht - und wir müssen vom Schlimmsten ausgehen."

Gattuso ist einer von fast 600 Wissenschaftlern aus aller Welt, die ihre Ergebnisse auf dem Dritten Internationalen Symposium über Ozeane vorgestellt haben. Schwerpunkt der diesjährigen Tagung vom 24. bis 27. September war die Versauerung der Meere. Die Nutzung fossiler Energien wie Kohle, Öl und Gas hat dafür gesorgt, dass die Meere heute einen 30 Prozent höheren Säuregrad aufweisen als noch zu Beginn der Industriellen Revolution.


Versauerung der Meere entzieht Ozeanen Kalk

Die Meere nehmen rund ein Drittel der Kohlendioxidemissionen auf. Wenn sich Kohlendioxid im Wasser auflöst, bildet sich Kohlensäure. Dadurch sinkt der Anteil an Kalk, was den Wuchs der Skelette und Schalen vieler Meerestiere behindert. Dadurch wiederum verändern sich die physiologischen Funktionen eines großen Teiles der Lebewesen in den Meeren.

Das betrifft unter anderem die Flügelschnecken (Thecosomata), kleine planktische Weichtiere. Sie verlieren ihre Schutzschale und müssen daher "nackt" weiterleben. Gattuso zufolge sind die Schnecken Futter für verschiedene Spezies und elementarer Bestandteil des Südpolarmeeres und anderer Ozeane.

Mit der Chilenischen Meeresschnecke (Concholepas concholepas) beschäftigen sich Forscher aus Lateinamerika. "Die Ohrschnecke ist ein wichtiges Nahrungsmittel in Chile und ist sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich von großer Bedeutung", sagte Patricio Manríquez vom Institut für Meeresforschung und Binnengewässerkunde der 'Universidad Austral de Chile' in Valdivia. Der größte natürliche Feind für die Ohrschnecke ist eine Krabbe (Acanthocyclus hassleri). Wenn sie sich der Schnecke nähert, kann diese sie riechen und sich rechtzeitig davonmachen.


Schnecken werden orientierungslos

Zurzeit liegt die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre bei 390 ppm. Wenn keine einschneidenden Maßnahmen zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen unternommen werden, dann erhöht sich die Konzentration bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1.000 bis 1.200 ppm. Das bedeutet auch eine immense Erhöhung der Versauerung der Meere.

Manríquez' Untersuchungen zufolge fällt es den Schnecken bei den erwarteten Säuregraden schwer sich zu orientieren. Sie wandern verwirrt umher und schwimmen den Krabben direkt zwischen die Scheren. "Gut für die Krabben - schlecht für die Schnecken", sagte Manríquez. Immerhin: "Bisher wurden keine Auswirkungen auf die Größe der Schnecken beobachtet." Aber weitere Untersuchungen seien notwendig.

Auch auf das Verhalten tropischer Fische, die im Umkreis von Korallenriffen leben, hat die Versauerung der Meere negative Auswirkungen, wie australische Forscher herausgefunden haben, die ihre Ergebnisse ebenfalls auf der Ozean-Tagung in Monterey vorstellten. Die Säure dringt in das Gewebe der Fische ein. Die Tiere könnten sich zwar daran anpassen, aber ihre Nervensysteme würden angegriffen, berichtete Philip Munday, Wissenschaftler an der Schule für marine und tropische Biologie an der James-Cook-Universität in Townsville, Queensland, Australien.

Bei Säuregraden, die im Jahr 2050 erwartet werden, ändern sich der Geruchs-, Hör- und Sehsinn sowie das Verhalten vieler Fische. "Ihr Aktivitätslevel wird gesteigert und sie werden risikoreicher", sagte Munday. Folglich sind sie doppelt so gefährdet, von ihren natürlichen Feinden gefressen zu werden. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.obs-vlfr.fr/LOV/
http://www.highco2-iii.org/main.cfm?cid=2259
http://www.uach.cl/
http://www.ipsnews.net/2012/10/ocean-acidification-leaves-mollusks-naked-and-confused/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2012