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MEER/140: Eine Schlüsselrolle wird neu geschrieben (idw)


GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel - 19.06.2014

Eine Schlüsselrolle wird neu geschrieben



Steigende Kohlendioxid-Emissionen führen nicht nur zu einer Erwärmung unseres Planeten. Das Treibhausgas löst sich auch im Meerwasser und lässt den Ozean versauern. Zwei aktuelle Studien von Forschern der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biogeochemie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen, wie das zusätzlich eingetragene Kohlendioxid einerseits das Wachstum mariner Bakterien und den Abbau organischen Materials in der Deckschicht fördert. Andererseits kann es aber auch den Partikeltransport in die Tiefe begünstigen. In Küstengewässern wie der Ostsee könnte die Ozeanversauerung dann, genau wie die Überdüngung, den Sauerstoffmangel während der Sommermonate noch verstärken.

Foto: © Henrike Wunderow, AG Engel, GEOMAR

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von aggregierten Bakterien auf organischem Material. Lebende Bakterien sind in grün dargestellt, tote Bakterien erscheinen rot.
Foto: © Henrike Wunderow, AG Engel, GEOMAR

Marine Bakterien spielen eine Schlüsselrolle in den globalen Stoffkreisläufen der Erde. Sie ernähren sich von organischem Material wie Gelpartikeln und abgestorbenen Algen, die langsam aus den oberen Wasserschichten in die Tiefe sinken. Der Großteil des organischen Kohlenstoffs, der durch Photosynthese von Algen gebunden wurde, wird schnell wieder durch Bakterien im oberen Ozean abgebaut. Der verbleibende organische Kohlenstoff wird in der Tiefe abgebaut und dort in Form von Kohlendioxid (CO2) gespeichert. Dies macht den Ozean zu einer Senke für CO2 aus der Atmosphäre.

Foto: © Sonja Endres, GEOMAR

Die Kieler KOSMOS Mesokosmen im Raunefjord.
Foto: © Sonja Endres, GEOMAR

Da durch menschliche Aktivitäten weiteres Kohlendioxid freigesetzt wird, gelangen auch größere Mengen des Treibhausgases ins Meerwasser. Chemische Reaktionen sorgen dafür, dass der Ozean versauert - sein pH-Wert sinkt. Welche Auswirkungen das zusätzliche Kohlendioxid und die Versauerung für natürliche Planktongemeinschaften haben könnten, erforschen Wissenschaftler seit 2009 mit Hilfe der KOSMOS Mesokosmen (KOSMOS: Kiel Off-Shore Mesocosms for future Ocean Simulations). Diese "überdimensionalen Reagenzgläser" isolieren einen Teil des Meerwassers und ermöglichen Experimente unter realen Bedingungen.

Foto: © Scarlett Sett, GEOMAR

Dr. Sonja Endres und Dr. Kai Schulz nehmen Proben aus einem Mesokosmos.
Foto: © Scarlett Sett, GEOMAR

"Trotz ihrer großen Bedeutung war bisher relativ wenig darüber bekannt, wie marine Bakterien und der Abbau organischen Materials von Ozeanversauerung beeinflusst werden", urteilt Dr. Sonja Endres vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Meeresbiologin untersuchte im Rahmen ihrer Dissertation Veränderungen in einer natürlichen Planktongemeinschaft unter erhöhten CO2-Konzentrationen im norwegischen Raunefjord. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie jetzt im internationalen Online-Fachmagazin PLOS ONE.

"Erhöhte Kohlendioxid-Konzentrationen führten zu einer verstärkten Anreicherung von Gelpartikeln. Außerdem steigerte sich mit sinkendem pH-Wert die Effizienz der Bakterien und ermöglichte so einen schnelleren Abbau großer organischer Verbindungen. Beides führte zum Anstieg der Bakterien-Zellzahlen", so Dr. Endres' Beobachtung. Die Bakterien reagieren damit auf den zusätzlichen organischen Kohlenstoff, den Algen unter erhöhten CO2-Konzentrationen abgeben. Schnellere Zersetzungsraten und die Zunahme von Gelpartikeln könnten den Abbau organischen Materials in der Deckschicht des Ozeans beschleunigen. Dadurch würde weniger Kohlenstoff in der Tiefe gespeichert. "Die verstärkte Anreicherung von Gelpartikeln könnte andererseits aber auch das Absinken organischen Materials in tiefere Wasserschichten beschleunigen." "Beide Veränderungen hätten nachhaltige Folgen für die Kohlendioxid- und Sauerstoff-Konzentrationen des oberen Ozeans, der in stetigem Austausch mit der Atmosphäre steht", betont Prof. Dr. Anja Engel. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biogeochemie beschrieb ihre Erkenntnisse über den Einfluss von Kohlendioxid auf die Umsetzung von organischem Material kürzlich im Journal of Plankton Research. Sie geht davon aus, dass steigende Kohlendioxid-Konzentrationen die Stoffkreisläufe von Küstengewässern wie der Ostsee ähnlich beeinflussen können wie die Überdüngung. "Treten Versauerung und Überdüngung gleichzeitig auf, kann dies den Sauerstoffverbrauch von Bakterien steigern und so den Sauerstoffmangel in den tieferen Schichten der Ostsee in den Sommermonaten noch verstärken."

"In jedem Fall bedeutet die Versauerung der Weltmeere einen weiteren Eingriff in das marine Ökosystem. Sie ist jedoch nur ein Aspekt des Ozeanwandels. In zukünftigen Studien werden wir das Zusammenspiel mit anderen Stressoren wie Temperatur und Nährstoffangebot untersuchen, um ein besseres Verständnis globaler Veränderungen auf das Gesamtsystem Ozean zu erzielen", resümiert Prof. Engel.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://sopran.pangaea.de Das Projekt SOPRAN (Surface Ocean Processes in the Anthropocene)
http://www.bioacid.de Das Projekt BIOACID (Biological Impacts Of Ocean Acidification)

Originalarbeiten:
Engel, A., Piontek, J., Grossart, H.-P., Riebesell, U., Schulz, K. G., Sperling, M. (2014): Impact of CO2 enrichment on organic matter dynamics during nutrient induced coastal phytoplankton blooms, Journal of Plankton Research, 36 (3): 641-657, doi: 10.1093/plankt/fbt125
Endres, S., Galgani, L., Riebesell, U., Schulz, K. G., Engel, A. (2014): Stimulated bacterial growth under elevated pCO2: results from an off-shore mesocosms study, PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0099228

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten unter: http://idw-online.de/de/news592455 Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter: http://idw-online.de/de/institution818

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,
Dr. Andreas Villwock, 19.06.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2014