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ÖKOSYSTEME/010: Südkorea - 'Rettet Jejudo!', Militärbasis bedroht UNESCO-Naturerbe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011

Südkorea: 'Rettet Jejudo!' - Militärbasis bedroht UNESCO-Naturerbe

von John Feffer


Insel Jejudo, Südkorea, 14. November (IPS) - Die südlich von Südkorea gelegene Vulkaninsel Jejudo, von der Weltkulturorganisation UNESCO als Welterbe der Menschheit anerkannt, hat gute Chancen in die Liste der neuen Naturwunder aufgenommen zu werden. Das Eiland wäre ein wahres Paradies, würden die Streitkräfte dort nicht eine riesige Marinebasis bauen.

Noch steht nicht fest, ob Jejudo gemeinsam mit dem Amazonas-Gebiet, den Wasserfällen von Iguazú, der Bucht von Halong, der Insel Komodo, dem unterirdischen Fluss Puerto Princesa und dem Tafelberg in die Riege der 'Sieben Naturwunder' aufgenommen wird. Auf der subtropischen 'Insel des Friedens', auf der viele asiatische Paare ihre Flitterwochen verbringen, gibt es einen erloschenen Vulkan, spektakuläre Lavafelsen, kilometerlange Sandstrände und vor der Küste Korallenriffe.

Der Marinestützunkt könnte sich als der Schandfleck herausstellen und die Stiftung des Schweizer Initiators Bernard Weber veranlassen, es sich noch einmal anders zu überlegen. Gegner der Militäreinrichtung versuchen mit Protesten und einem Hungerstreik das Übel abzuwehren. Sie wollen unbedingt verhindern, dass vor ihren Augen die 970 Millionen US-Dollar teure Militäreinrichtung im südlichen Teil der Insel aus dem Boden gestampft wird.

"Der schönste Küstenabschnitt auf dieser herrlichen Insel verläuft in dem Gebiet, in dem die Basis gebaut wird", beschwert sich Matthew Hoey, der internationale Koordinator der Kampagne 'Rettet die Insel Jejudo'. "Es ist ein Wahnsinn, dass die Regierung dem Militär gestattet, die Schönheit der Insel zu zerstören, um eine solche Einrichtung zu bauen."

Nur zwei Kilometer von dem geplanten Stützpunkt entfernt befindet sich der nächste Ort, der als UNESCO-Welterbe anerkannt ist. Hoey befürchtet nun, dass die Organisation die Insel von der Liste streichen könnte.


Strategische Interessen

Nach den Plänen der Regierung soll der Stützpunkt ab 2014 U-Boote, Kriegsschiffe und drei neue, mit dem Aegis-Warnsystem ausgestattete Zerstörer zu Kosten von jeweils einer Milliarde US-Dollar aufnehmen. Seoul argumentiert, dass die Basis Seehandelsrouten schützen und dem südostasiatischen Land damit wirtschaftliche Vorteile bringen werde.

Koreanische Umweltaktivisten vermuten jedoch noch andere Gründe. Nach dem bilateralen Sicherheitsabkommen können nämlich die USA alle südkoreanischen Militäreinrichtungen nutzen. Dies träfe also auch auf den Stützpunkt auf Jejudo zu. "Die Insel ist an einer strategisch wichtigen Stelle zwischen China und den USA gelegen", sagt Wooksik Cheong vom unabhängigen Friedensnetz in Seoul. Von diesem Punkt aus könnten die USA die Volksrepublik im Auge behalten.

US-Präsident Barack Obama nahm gerade erst am Gipfel des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums in Honolulu teil, bevor es weiter nach Australien und Indonesien ging. Experten zufolge lässt sich daran ablesen, dass Washington Asien wieder stärker in sein Blickfeld rückt. In einem Beitrag im Magazin 'Foreign Policy' erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton, eine der vordringlichsten Aufgaben ihrer Regierung sei es, nach einer zehnjährigen Fokussierung auf Afghanistan und den Irak nun diplomatisch, wirtschaftlich und strategisch in die Asien-Pazifikregion zu investieren.

Wooksik Cheong ist gerade über das 'strategische' Interesse der USA zutiefst beunruhigt. Denn Jejudo könnte ein wichtiger Knotenpunkt des Raketenabwehrsystems sein, das die USA in der Region installieren will. Die USA erwarteten von der Regierung in Seoul, dass sie dazu beitrage, die Inseln Okinawa und Guam vor möglichen Raketenangriffen aus China oder Nordkorea zu schützen.


Wettrüsten zu befürchten

China, das ein relativ kleines Atomarsenal hat, könnte sich durch das geplante US-Raketenabwehrsystem in seiner Abschreckungsfähigkeit bedroht sehen. Sollte Peking in einem solchen Fall seine nuklearen und ballistischen Arsenale vergrößern, würde die Basis auf Jejudo das Wettrüsten in der Region weiter anheizen, warnen die Kritiker des Projekts.

In dem Dorf Kangjeong, in dessen Nähe der Stützpunkt entstehen soll, gehen die Meinungen über das Projekt auseinander. Die Gegner müssen jedoch mit Repressalien rechnen. So sitzt der Bürgermeister des Ortes seit Ende August ins Gefängnis, weil er Widerstand gegen die Pläne leistete. Dutzende andere Gegner der Basis teilen das gleiche Schicksal, unter ihnen auch der prominente Filmkritiker Yang Yoon-moo, der sich 71 Tage lang im Hungerstreik befand.

Seit die Aktivisten durch Sicherheitskräfte von der Baustelle vertrieben wurden, halten sie die Stellung in Kangjeong, ganz in der Nähe des Bauzauns. Jejudo war bereits im 13. Jahrhundert Schauplatz von Protesten gegen mongolische Invasoren. Einige Einwohner der Insel erinnern sich noch gut an eine Revolte 1948, die die südkoreanische Regierung mit Hilfe der USA brutal niederschlug. Im Vorfeld des Korea-Krieges wurden etwa 30.000 Menschen - ein Zehntel der Inselbevölkerung - von Regierungstruppen und rechtsgerichteten Milizen getötet. Zehntausende gingen ins Exil nach Japan.


"Stützpunkt droht zum Trauma zu werden"

Hye Kyoung An, einer der Demonstranten auf Jejudo, ist aber der Ansicht, dass viele Menschen vor Ort den Ernst der Lage verkennen. "Einige denken, dass die Marinebasis das Land sicherer macht", sagt er. "Ich dagegen glaube, dass der Stützpunkt für die Bewohner von Jejudo zum Trauma werden wird."

Die Mehrheit der lokalen Bevölkerung befürwortet ein Referendum über die Streitfrage, wie eine Umfrage der Provinzverwaltung ergab. Die Regierung in Seoul zeigt jedoch keinerlei Interesse an einer solchen Volksabstimmung.

Aktivisten warnen indes vor gravierenden Umweltschäden und der Zerstörung wertvoller archäologischer Funde. Nach offiziellen Angaben ist der Stützpunkt zu einem Fünftel fertiggestellt. Hoey zufolge ist diese Angabe irreführend. Ihm zufolge bezieht sich die Zahl lediglich auf die bisherigen finanziellen Ausgaben für das Projekt, die sich vor allem auf Maßnahmen gegen die Gegner der Militärbasis beschränkten. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.new7wonders.com/
http://savejejuisland.org/Save_Jeju_Island/Welcome.html
http://whc.unesco.org/en/list
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105799

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IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011