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PROJEKT/087: Nachhaltige Landnutzung - Lessons learned? (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Oktober 2016

Nachhaltige Landnutzung - lessons learned?

Von Benjamin Haerdle


Fast sieben Jahre forschten mehr als 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund um den Globus in Sachen nachhaltiger Landnutzung: Ob zum nachhaltigen Anbau von Reis in Südostasien, zur landwirtschaftlichen Nutzung von Steppen in Sibirien, zu Ökosystemleistungen entlang des Okavango-Flusses im Süden Afrikas oder zur nachhaltigen Landbewirtschaftung an Ost- und Nordsee-Küste. Mit einer dreitägigen Tagung fand die Fördermaßnahme "Nachhaltiges Landmanagement" im Frühjahr dieses Jahres ihren vorläufigen Höhepunkt. 350 internationale Forscher, Praktiker sowie lokale und regionale Akteure aus den zwölf Regionalprojekten kamen dazu in Berlin zusammen. Ihr Blick richtete sich vor allem in die Zukunft: Was sind die Lessons-learned? Welche Themen sind für zukünftige Forschungsprogramme relevant? Wie lässt sich vor Ort die Umsetzung der Forschungsergebnisse auch nach Projektende kontinuierlich weiterführen?

"Entscheidende Erkenntnis unserer Arbeit ist, dass der Spagat zwischen einer nachhaltigen Landnutzung und der Ernährungssicherheit für die Menschheit gelingen kann", zog Prof. Dr. Ralf Seppelt eine erste Bilanz. Seppelt leitet das wissenschaftliche Begleitvorhaben GLUES (Global Assessment of Land Use Dynamics, Greenhouse Gas Emissions and Ecosystem Services). Möglich sei der Spagat, wenn Landwirte ökologisch vertretbar Flächen intensivierten, Nahrungsmittel weltweit besser verteilt seien, der Mensch seine Ernährungsgewohnheiten ändere und er weniger wegwerfe. Das GLUES-Team führte Forschungsergebnisse aus den zwölf Regionalprojekten zusammen. "Inter- und Transdisziplinäre Forschung in internationalen Teams führt zu neuen Forschungsergebnissen", erklärte Seppelt, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Department Landschaftsökologie leitet. Es brauchte aber oft einige Zeit, bis sich diese Teams gefunden hätten. Herausforderungen sind insbesondere sprachliche Barrieren, unterschiedliche Wissenschaftskulturen, die Suche nach passenden Akteuren vor Ort oder auch praktische Fragen wie die Einfuhr von Geräten zu Forschungszwecken ins Ausland. Dies sei zwar allen Beteiligten bekannt, müsste aber in der Forschungspraxis und Forschungsförderung noch stärker beachtet werden.

NGOs als Türöffner

Wichtig als Türöffner bei internationalen Forschungsprojekten sind die Nicht-Regierungsorganisationen (NGO). "Die NGOs sind notwendige Multiplikatoren des Wissens und haben viele Erfahrungen", betont Peter Moll vom Beratungsteam M&Z Consulting Science for Sustainable Development.

Das wurde auch in den Regionalprojekten deutlich; etwa bei "The Future Okavango (TFO)", einem Projekt, in dem ein internationales Forscherteam nachhaltiges Landmanagement im Okavango-Becken in Botswana, Namibia und Angola entwickelt. "Viele Landwirte setzen lediglich Altbekanntes um und verpassen damit, neues Wissen anzuwenden", sagt Maxon Simfukwe, der als Stakeholder im TFO-Projekt mitarbeitet. Damit die Umsetzung vor Ort funktioniert, brauche es eine NGO, die sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennt. "Damit können der Umgang mit lokalen Behörden und Politikern sowie die Anpassung an die örtliche Kultur gelingen", sagt Domoina Rakotomalala vom WWF Madagaskar. Sie arbeitete bei SuLaMa mit, einem Projekt zum nachhaltigen Landmanagement auf dem Mahafaly Plateau in Süd-West Madagaskar. Eine Erkenntnis sei gewesen, dass man regionale Schlüsselinstitutionen wie Verwaltungsorgane und politische Gremien möglichst früh in den Prozess vor Ort einbinden muss, um später die Ergebnisse dauerhaft nutzen zu können. In SuLaMa habe man deshalb zu Beginn des Vorhabens Forscher und lokale Akteure zusammenkommen lassen. Der Anspruch: Die wissenschaftliche Expertise soll im Land bleiben, wenn die deutschen Forscher wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Im Fokus stand bei einigen Regionalprojekten auch die Frage, wie nachhaltig die Strukturen des Forschungsprojekts sowie dessen wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden können. "Unsere Kommunikationsnetzwerke mit Wissenschaftlern und Technikern bleiben auch nach Ablauf des Projekts erhalten", sagt etwa der landwirtschaftliche Berater im KULUNDA-Projekt, Nikita Kojanov. In dem Forschungsprojekt erarbeiten Wissenschaftler ökologische und ökonomische Strategien zur nachhaltigen Landnutzung in Steppenlandschaften Russlands. Und selbst wenn es manchmal noch keine konkreten Anwendungsmöglichkeiten gebe, könnten die Informationen wichtig für die Zukunft sein, so Kojanov. Ähnliches berichtet auch WWF-Managerin Domoina Rakotomalala aus Madagaskar: "Nach Ablauf des SuLaMa-Projekts wird die Wissensdatenbank zu sozialen Aspekten, Biodiversität oder Ökosystemleistungen auf regionaler Ebene bestehen bleiben". Man werde weiterhin Informationen sammeln und die Daten für den Landmanagementplan einsetzen.

Wissenschaftliche Ergebnisse liefern Fakten für Stakeholder
Generell zeigte sich auf der Tagung auch, warum die Expertise der Forscher für den Wandel in der Landnutzung vonnöten ist. "Wissenschaftliche Ergebnisse sind wichtig, weil sie Stakeholdern Fakten liefern, mit denen sie gegenüber der Politik argumentieren können", sagt Maxon Simfukwe. Viele örtliche NGOs wollen den Farmern gerne helfen. Ihnen fehlt aber der wissenschaftliche Nachweis für die Effektivität der Maßnahmen, die die Bauern umsetzen sollten.

Mit den Erkenntnissen könnte Landwirten und Politikern gezeigt werden, dass der neue Ansatz funktionieren könne. Trotzdem, so GLUES-Leiter Seppelt, garantiere die Einbindung von Stakeholdern nicht, dass die wissenschaftlichen Empfehlungen von Verwaltung und Ministerien tatsächlich in Taten umgesetzt würden. Auf einen anderen Punkt wies Jahi Chappell vom Institut für Agriculture and Trade Policy im US-amerikanischen Minneapolis hin: Demnach sollten die Bedürfnisse der Stakeholder etwa bei den gerechten Kosten stärker beachtet werden.

"Die Preise, die den Landwirten für deren Produkte gezahlt werden, sind immer noch zu niedrig", sagt er. "Es bleibt zu wenig für sie übrig." Deshalb fordert Chappell, dass externe Kosten, so genannte true costs, bei den Preisen berücksichtigt werden müssen. Dazu zählen etwa die Folgen, die das Ausbringen von Pestiziden und Düngern auf das menschliche Wohlbefinden, Innovation oder die Umwelt haben.

Plädoyer für mehr sozialwissenschaftliche Forschung
Für das BMBF, das die Fördermaßnahme mit 75 Mio Euro finanziert, seien der "internationale sowie der inter- und transdisziplinäre Ansatz ein großes Unterfangen gewesen, aus dem wir viel gelernt haben", betonte Dr. Petra Wolff, stellvertretende Leiterin des BMBF-Referats Globaler Wandel. Eine Erkenntnis sei die Notwendigkeit einer besseren Einbindung von Sozialwissenschaften in naturwissenschaftlich geprägte transdisziplinäre Förderprogramme.

Landnutzungswandel zu schnell für die Forschung?
Auseinander gingen die Meinungen dagegen bei der Frage, ob die Forschung dem rasanten Wandel der Landnutzung überhaupt hinterherkommt. Christian Graefen, Experte für Bodenpolitik und Landmanagement bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), erklärte, die Landtransformation in Staaten wie Liberia, Sierra Leone oder Laos passiere so schnell, dass die Wissenschaft Schwierigkeiten habe, dieser Dynamik zu folgen und sie zu verstehen.

"Wissenschaft muss nicht nur flexibler, sondern auch viel schneller werden", forderte Graefen. Vor zu viel Tempo warnte dagegen Dr. Imme Scholz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). "Schnell und furios zu sein, ist nicht die Lösung", entgegnete sie. Wer auf inter- und transdisziplinäre Ansätze setze, brauche einen Kommunikationsprozess zu Zielen und Perspektiven. "Dafür braucht Forschung Zeit und muss langfristig angelegt sein", erklärt die Wissenschaftlerin. Schnellschüsse seien hinderlich.

Einig waren sich die versammelten Wissenschaftler und Praktiker aber in ihrem Fazit über die sozio-ökologischen Perspektiven der Landnutzung. Es gibt noch viele Fragezeichen, wie sich der Flächenanspruch in Zukunft ändert: Welche Auswirkungen haben der Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung vor allem in jenen Regionen, die sich noch in einer präindustriellen Phase befinden? Was sind die gegenseitigen Einflüsse und Problemverlagerungen bei der Intensivierung der Landnutzung, der Ernährungssicherheit oder der Bioenergie? Wie hängt das mit den Themen Energie, Wasser und menschliches Wohlbefinden zusammen? "Beschreibende Studien gibt es viele, notwendig ist aber vielmehr die Suche nach Kausalitäten", resümiert GLUES-Leiter Ralf Seppelt. In Sachen Landnutzungsforschung gibt es folglich noch viel zu tun.


UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ralf Seppelt,
Leiter Dept. Landschaftsökologie
e-mail: ralf.seppelt@ufz.de



Wofür nutzen wir unser Land? Entscheide du!

Wer wollte nicht schon mal die Geschicke eines Landes lenken? Um Kindern und Jugendlichen das Thema Landnutzung nahe zu bringen, wurde im Rahmen des GLUES-Projektes das Computerspiel LandYOUs entwickelt.

In diesem Online-Spiel schlüpft der Spieler für zehn Runden in die Rolle des Politikers und steuert mittels verschiedener Politikmaßnahmen, was mit und in einem Land passiert. Ziel ist es, Kapital so zu investieren, dass gleichzeitig wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Erfolg möglich ist.
Link zum Spiel: http://apps.giscame.com/glues

Link: http://modul-a.nachhaltigeslandmanagement.de/de/modul-a

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Quelle:
UFZ-Newsletter Oktober 2016, Seite 10 - 11
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2016

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