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PROTEST/022: Chile - Archäologen und Umweltschützer machen gegen Dakar-Wüstenrennen mobil (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2013

Chile: Archäologen und Umweltschützer machen gegen Dakar-Wüstenrennen mobil

von Marianela Jarroud



Santiago, 10. Januar (IPS) - In Chile machen Archäologen, Umweltschützer und der Nationale Rat für Denkmäler Front gegen die alljährlich stattfindende Dakar-Rallye durch ein archäologisch und ökologisch wertvolles Gebiet im Norden Chiles. Bei den alljährlich stattfindenden Rennen wurden bereits Dutzende archäologische Stätten zerstört, die tiefe Einblicke in die prähistorische Entwicklung Chiles und Südamerikas hätten geben können.

Der Startschuss für die 34. Auflage der Rallye, die ursprünglich zwischen Paris und der senegalesischen Hauptstadt Dakar verlief und vor fünf Jahren aus angeblichen Sicherheitsgründen nach Südamerika verlegt wurde, ist am 5. Januar in der peruanischen Hauptstadt Lima gefallen. Mehr als 3.000 Teilnehmer aus 53 Ländern gingen dort an den Start. Am 9. Januar erreichten die Fahrer Chile. Von dort geht es weiter nach Argentinien und wieder zurück nach Chile, wo das Rennen am 19. Januar endet. An dem Event der 'Amaury Sport Organisation' nehmen insgesamt 189 Motorräder, 155 Rennwagen, 75 Trucks und 40 Quads teil.

Nach offiziellen Angaben wurden im Verlauf der vier vergangenen Rallyes mehr als 200 archäologische Stätten im Norden Chiles zerstört. Gefährdet sind sowohl Geoglyphen (Erd- oder Scharrbilder) als auch Tier- und Menschenpfade wie der berühmte Inka Trail, Steinskulpturen und Ruinen.

"Teile unseres Erbes, das Auskunft über unsere Vorzeit geben, verschwinden, und bei jeder Rallye kommt es zu unglaublichen Schäden. Sozusagen ein Buch, das verbrannt wird", empörte sich die Archäologin Paola Gonzalez im Gespräch mit IPS. "In Chile sind nur 500 Jahre westlicher Geschichte aufgezeichnet worden oder schriftlich überliefert. Doch gibt es noch 20.000 Jahre alte Relikte, die noch ausgewertet werden müssen."

Wie die Expertin betonte, spielt die chilenische Wüste aufgrund der klimatischen Bedingungen eine besondere Rolle bei der Konservierung der Denkmäler. Das Ausmaß der Zerstörung durch die Dakar-Rallye bezeichnete sie als "gewaltig".


Zerstörung historischer Zeugnisse strafbar

In dem südamerikanischen Land befinden sich gemäß der Kategorie archäologischer Denkmäler des Nationalen Denkmalgesetzes 17.288 archäologische und paläontologische Stätten in staatlicher Hand. Die Zerstörung historischer Relikte ist nach chilenischem Recht eine Straftat, die mit Haft- und Geldstrafen geahndet wird. Staatsbediensteten, die daran beteiligt sind, drohen administrative Sanktionen.

Der Leiter der Dakar-Rallye, Etienne Lavigne, hatte vor Beginn des Rennens erklärt, dass die Organisation alle notwendigen Schritte unternommen habe, um den Schutz der Umwelt und der archäologischen Stätten in den drei Ländern zu gewährleisten. Aus dem chilenischen Nationalen Sportinstitut, das das Event organisiert hat, hieß es, dass die Rennstrecke in sicherer Entfernung von den archäologischen Fundorten vorbeiführe. "Das ist eine glatte Lüge, die uns Chilenen aufgetischt wurde", ließ daraufhin die Archäologische Fakultät verlauten.

Nach chilenischem Recht müssen alle Aktivitäten, die Auswirkungen auf unter staatlicher Aufsicht stehende historische Stätten haben, vorab durch Machbarkeitsstudien geprüft werden. Das ist bisher noch nicht geschehen. Der Nationale Rat der Monumente (CMN) hat deshalb den Rat für Staatsschutz angeschrieben und um dessen Intervention gebeten. Aus dem Dokument, das vom CMN-Exekutivsekretär der Organisation, Emilio De la Cerda, unterzeichnet wurde, geht hervor, dass die negativen Auswirkungen der Rallye auf die archäologischen und paläontologischen Fundstätten der Atacama-Wüste unverkennbar sind.

Luis Mariano Rendón, Koordinator der Umweltgruppe Ökologische Aktion, erklärte gegenüber IPS, dass es keinen Zweifel daran gebe, dass die Dakar-Rallye in Chile ernst zu nehmende Schäden an der Natur anrichte. Regierung und Justiz zögen es vor, geflissentlich weg zu sehen. "Viele Menschen denken fälschlicherweise, dass es in der Wüste nichts gibt. Tatsächlich ist sie eine extrem fragile Lebensform", sagte er und verwies auf die Wüstenblumen, die in der Atacama-Wüste, der trockensten der Welt, wachsen.


Werbe-Rennen für Spritfresser

Im Grunde sei die Dakar-Rallye eine Werbeveranstaltung der Autoindustrie für Geländewagen und Motorräder, die die Sicherheit im Straßenverkehr gefährdeten und unverantwortlich große Spritfresser seien.

Gonzalez zufolge wird es höchste Zeit, die Rennen zu stoppen. In diesem Sinne ist ein Treffen mit peruanischen Archäologen und Umweltschützern geplant. In Chile genießen die Gegner des Rennens bereits die Unterstützung der Weltkulturorganisation UNESCO. Sie wollen notfalls auch vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen, sollten die lokalen Gerichte nicht reagieren. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102205
http://www.ipsnews.net/2013/01/chilean-archaeologists-and-environmentalists-fight-dakar-rally/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2013