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PROTEST/037: Nigerdelta - Ein schwarzes Tuch aus Öl zerstört Bauernland (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2013
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Zerstörtes Paradies
Ein schwarzes Tuch aus Öl

von Ann-Kathrin Schneider



Nigeria: Öl im Trinkwasser, auf den Feldern, in den Fischteichen. Shell fördert seit Jahrzehnten Erdöl im Nigerdelta - mit katastrophalen Folgen für die Menschen und die Umwelt in der dicht besiedelten Region. Erstmals muss der Konzern nun Betroffene entschädigen. Ein Erfolg, ja. Doch der Weg zu mehr Gerechtigkeit ist noch lang im Nigerdelta.


Im westafrikanischen Nigeria gibt es große Landstriche, die durch die Ölförderung fast vollkommen zerstört worden sind - wie das tausend Quadratkilometer große »Ogoniland«, Teil des Nigerdeltas. Shell hat hier bis vor 20 Jahren Millionen von Tonnen Rohöl gefördert und verkauft. Nach großem Widerstand gegen die Förderung verließ der Ölmulti die Region, ohne die kontaminierten Böden und Flüsse zu sanieren.

Heute leben 30 Millionen Menschen im Nigerdelta, auf einer Fläche halb so groß wie die Schweiz. Das Delta an der Atlantikküste ist durchzogen von vielen Nebenarmen des Niger - und von Ölpipelines. Diese leiten das Öl zu Tankern, von denen es in die ganze Welt verschifft wird, auch nach Deutschland. Das Öl, das als Benzin auch deutsche Zapfsäulen füllt, stammt zu großen Teilen aus dem zerstörten Nigerdelta.

Aus den Pipelines, die sich wie überdimensionale Heizungsrohre durch das Delta ziehen, sickert fortwährend Rohöl in den Boden und den Fluss. Die Rohre sind löchrig und die Verbindungsstellen gebrochen, stellenweise schießt das Öl regelrecht in Fontänen gen Himmel. Viele Lecks werden von Shell nur ungenügend gewartet. Zudem gibt es Anschläge auf die Pipelines, sie werden illegal angezapft, Öl wird entnommen, und die Lecks bleiben unverschlossen zurück. Auslaufendes Öl bedeckt das einst fruchtbare Land wie ein schwarzes Tuch.


Bauern verklagen Shell

Der Bauer Friday Akpan wohnt in dem Dorf Ikot Ada Udo. Dort sind große Mengen Öl aus einem alten Bohrloch geflossen. Seit zwanzig Jahren tritt Öl aus - und vergiftet die Böden und Teiche des Dorfes. Jetzt haben Friday Akpan und drei weitere nigerianische Bauern Shell vor Gericht für die Verunreinigung ihrer Heimat verantwortlich gemacht - und Recht bekommen. Am 30. Januar 2013 forderte das Den Haager Gericht Shell Nigeria auf, Friday Akpan zu entschädigen.

Dieses Gerichtsurteil ist einzigartig. Zum ersten Mal wird ein Unternehmen mit Sitz in Europa vor einem europäischen Gericht für die Folgen seiner Tätigkeit im Ausland verantwortlich gemacht. Denn Shell hat für die Zerstörung der Umwelt in Nigeria oder anderswo noch nie Betroffene entschädigt. Die Höhe der Entschädigung wird nun in den kommenden Monaten festgesetzt.


Verantwortung großer Konzerne

Das Urteil ist ein erster Erfolg für Menschen und Umwelt in Nigeria. Doch der Weg zur Gerechtigkeit ist noch weit: Denn das Gericht in Den Haag hat die Verantwortlichkeiten zwischen dem Mutterkonzern Royal Dutch Shell und der nigerianischen Tochtergesellschaft klar getrennt. So wurde allein Shell Nigeria aufgefordert, Entschädigung zu zahlen, nicht aber der holländische Mutterkonzern.

Wie lange noch werden sich internationale Unternehmen, deren Praktiken vielerorts die Umwelt zerstören, hinter Tochterfirmen vor Ort verstecken können? Warum kann Royal Dutch Shell die Gewinne von Shell Nigeria als eigene Gewinne verbuchen, sich aber bei der Verseuchung des Nigerdeltas aus der Verantwortung stehlen?


Zusammen Druck ausüben

Gemeinsam mit unseren Partnern von Friends of the Earth in den Niederlanden (Milieudefensie) und Nigeria engagiert sich der BUND, um (unterstützt von der EU) Antworten auf diese Fragen zu finden. Deshalb beginnen wir noch dieses Jahr damit, durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen mehr Druck auf Firmen wie Shell auszuüben. Der Konzern muss Verantwortung für die Umweltzerstörung im Nigerdelta übernehmen, indem er die betroffenen Anwohner finanziell entschädigt und die verschmutzten Gebiete säubert und wieder bewohnbar macht.


Ann-Kathrin Schneider betreut für den BUND die internationale Klimapolitik.


Internationale Arbeit des BUND
Wie alle Projekte des BUND wird auch unsere internationale Arbeit durch Mitgliedsbeiträge und Spenden ermöglicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.bund.net/shell; Kontakt: franziska.petruschke@bund.net, Tel. (030) 275 86-562


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Ölverseuchter Fluss im Nigerdelta, nahe dem Dorf Goi.
- Katastrophale Ölverschmutzung Eric Dooh, einer der Kläger in Den Haag, nahe seinem Heimatort Goi.

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Quelle:
BUNDmagazin 2/2013, S. 38 - 39
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2013