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PROTEST/133: Kampf gegen Giganten - Wie sich Zellstoffwerke verhindern lassen (ARA Magazin)


ARA Magazin 24, 2018/19 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Erfolge im Kampf gegen Giganten

Wie sich Zellstoffwerke verhindern lassen


Zellstoffwerke sind industrielle Großprojekte mit erheblichen ökologischen und sozialen Auswirkungen: Jedes Jahr verschlingen sie riesige Mengen an Holz, für das vielerorts Naturwälder in Plantagen umgewandelt werden. Immer wieder belasten giftige Chemikalien die Gewässer und gefährden die Gesundheit der im Umfeld lebenden Menschen. Im Environmental Paper Network versucht ARA, Produzenten, Investoren, politische Entscheidungsträger und große Papierhändler zu beeinflussen und kritische Zellstoffprojekte zu verhindern. Durchaus mit Erfolg, wie die folgenden Beispiele zeigen.


Gunns, Tasmanien / Australien

Der australische Holzkonzern Gunns Limited war in Tasmanien bereits zum Inbegriff für die rücksichtslose Abholzung der einzigartigen Urwälder der Insel geworden, als er 2005 den Bau eines Werkes ankündigte, in dem jedes Jahr über eine Million Tonnen Zellstoff produziert werden sollten. Die Pläne stießen auf den erbitterten Widerstand tasmanischer UmweltschützerInnen, und der damit verbundene Imageschaden, insbesondere bei Geldgebern und Investoren, führte 2012 zur Insolvenz der Firma.

Ein Jahr später stand die Lizenz für das Werk allerding erneut zum Verkauf. 2014 nahmen tasmanische AktivistInnen Kontakt zum Environmental Paper Network (EPN) auf. Es folgte eine internationale Protestaktion mit gemeinsamen Briefen aller 145 EPN Mitgliedsverbände an entscheidende Regierungsmitglieder, kritischen Anfragen an die Investoren und die Ankündigung weiterer Proteste vor Ort. All dies hat dazu beigetragen, potentielle Käufer abzuschrecken. Noch in diesem Jahr soll die Genehmigung für die Errichtung des Zellstoffwerks endgültig verfallen.

Amazar, Sibirien / Russland

Mit einer Brücke über den Amazar Fluss ist ein wichtiger neuer Grenzübergang zwischen China und Russland entstanden. Auf der russischen Seite sollten zwei Säge- und ein Zellstoffwerk entstehen, die in erster Linie den chinesischen Markt beliefern würden. Die chinesischen Investoren konnten sich die Einschlagsrechte für 220.000 Hektar Wald sichern, die Hälfte davon wird in russischen Karten als Urwald bezeichnet. Da der Wald in der sibirischen Taiga sehr langsam wächst, würde es bereits nach zehn Jahren zu Lieferengpässen kommen.

Trotz dieser Probleme wurden die Pläne für den Bau des Zellstoffwerks mit einem relativ geringen Kredit der China Development Bank (CDB) angeschoben. Den Rest des Kapitals wollte die chinesische Betreiberfirma über die Börse von Shenzhen generieren. Nachdem Eugene Simonov, der Gründer der russischen Organisation Flüsse ohne Grenzen, das EPN auf die gravierenden ökologischen Auswirkungen aufmerksam gemacht hat, nahm das Netzwerk den Kontakt zur Börsenaufsicht und zu wichtigen Regierungsbeamten auf. Die internationale Kritik und das diplomatische Geschick der KollegInnen in China zeigten Erfolg: Die Aufsicht der Börse von Shenzhen entschied, das Unternehmen zu sperren. Damit fehlt dem Amazar-Projekt vorerst die Finanzierung.

Est-For, Tartu / Estland

Bei der Recherche nach neuen Zellstoffprojekten tauchten Vorschläge der estnischen Forstindustrie auf, eine sogenannte "Bioraffinerie" zu bauen. 3,3 Millionen m³ Holz sollten hier jedes Jahr zu Zellstoff verarbeitet werden. Die Hälfte des Holzes fällt dabei als "Abfall" an, der zur Energiegewinnung verbrannt oder in so genannte "Bio"-Kunststoffe umgewandelt werden sollte. Die Anlage würde ungefähr ein Viertel des nationalen Schnittholzes in Estland verbrauchen und erhebliche Auswirkungen auf einen der wichtigsten Flüsse des Landes haben.

Als estnische Umweltorganisationen Kontakt mit dem EPN aufnahmen, konnte eine breite internationale Unterstützung aufgebaut werden. Gemeinsame Stellungnahmen wurden an Regierungsvertreter geschickt, explizite Warnungen vor den ökologischen Auswirkungen und der fehlerhaften Berechnung der Ressourcenbasis gingen an mögliche europäische Investoren.

Mit diesem Rückenwind setzten die estnischen Partner ihre Arbeit fort und konnten zahlreiche Protestaktionen organisieren. 4.500 Personen beteiligten sich an einer Menschenkette in Tartu, über 9.000 unterzeichneten in wenigen Wochen eine entsprechende Petition.

Die nationalen und internationalen Proteste zeigten Wirkung. Im Juni beschloss eine Mehrheit der im estnischen Parlament vertretenen Parteien, die weitere Planung des Projektes zu beenden.

OKI, Asia Pulp and Paper (APP), Sumatra / Indonesien

Pläne für das Zellstoffwerk OKI wurden 2005 erstmals bekannt, 2010 wurde es gebaut und hat seinen Betrieb längst aufgenommen. Es war Ziel bedeutender internationaler und lokaler Kampagnen, die zwar am Image der Betreiberfirma APP kratzten, den Bau aber nicht aufhalten konnten. Um weitere Imageschäden zu vermeiden, sah sich APP gezwungen, eine Waldschutzpolitik zu verabschieden, die weitere Naturwaldzerstörung ausschließt.

Immerhin gelang es, durch eine gemeinsame Einflussnahme auf Banken und Exportkreditagenturen, eine weitere Finanzierung aus Europa und Nordamerika zu verhindern. Doch etwa 70 Prozent des Kapitals für die Fabrik kommen von der China Development Bank (CDB) und der Rest von der Familie Wijaja, den Eigentümern von APP. Die chinesische Regierung investierte beträchtliche Summen in die indonesische Infrastruktur, um die eigene Rohstoffversorgung zu sichern, und der CDB-Kredit war nur ein Teil eines größeren Pakets.

Selbst wenn Bankenvertreter davon überzeugt werden konnten, dass das Projekt problematisch ist, waren ihnen politisch die Hände gebunden. EPN konnte zwar die Finanzierung des Projektes nicht beeinflussen, dafür aber seine Verbindung zur CBD ausbauen. Erst kürzlich konnte die Bank davon überzeugt werden, APP keine Gelder für die geplante Übernahme des Zellstoffwerkes Eldorado in Brasilien bereit zu stellen. Es konnte aufgezeigt werden, dass APP erneut in Korruptionsfälle und Rechtsverletzungen verwickelt ist. Jetzt konzentriert sich die Arbeit darauf, die Versuche von APP zu stoppen, Indien als nächsten Standort für die Zellstoffproduktion ins Visier zu nehmen.


Im Environmental Paper Network (EPN) arbeiten 145 Organisationen aus der ganzen Welt zusammen:
www.environmentalpaper.org

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Quelle:
ARA Magazin 24, 2018/19, Seite 12 - 13
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2019

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