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RESSOURCEN/042: Das Uran muss in der Erde bleiben - Urankonferenz in Tansania (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 119/4.2013

Das Uran muss in der Erde bleiben
Schlaglichter und Reiseeindrücke von der Internationalen Urankonferenz in Tansania

von Dirk Seifert



Anfang Oktober 2013: Endlich angekommen im Haus des Friedens, in Dar Es Salaam - Tansania, 6.000 Kilometer südlich von Hamburg und der Elbe. Vor dem Flughafen wartet Günter Wippel vom Uranium-Network auf mich und Dale Dewar aus Saskatchewan, Kanada. Hier sind wir also, nur knapp eine Woche nach dem erfolgreichen Volksentscheid gegen Vattenfall und E.on wird es nun in den nächsten Tagen nur noch um ein Thema gehen: den Uranabbau.

Ab ins Taxi. Überall an den vielbefahrenen Straßen laufen Menschen, dahinter ein Sandstreifen, Gewusel vor den meist einstöckigen Hütten mit Blechdächern, viele sehen irgendwie halbfertig aus. Vor einigen hocken Menschen einfach auf dem Boden, allein oder in kleinen Gruppen. Überall toben Kinder herum. Und ein Meer von Farben in den Kleidern und Tüchern der Frauen. Der Geruch von Holzfeuer hängt in der Luft, hier und da sind Grillstationen auf verrosteten Gestellen in Betrieb.

Als wir abbiegen, endet die Asphaltstraße. Die Sandstraße vor uns ist eingerahmt von eng stehenden Hütten. Noch mehr Menschen drängen sich links und rechts und vor und hinter uns den schmalen Weg entlang. In Schlangenlinien kurvt das Taxi von einem Schlagloch zum nächsten oder droht in den tiefen Wasserpfützen abzusaufen, die sich auf der Buckelpiste gebildet haben. Wie durch ein Wunder bleiben wir nicht im Morast stecken, kollidieren nicht mit einem der vielen Fußgänger, entgegenkommenden Autos, Mofas, Motorrädern, Bussen, Lkws, Dalla-Dallas oder auch schwer beladenen Fahrrädern. Dann stehen wir vor einem breiten verschlossenen Tor, ungeduldig drückt der Fahrer auf die Hupe, endlich wird es von einem alten Mann zur Seite geschoben - wir sind im Hotel angekommen. Nach dem Einchecken ab ins kleine Restaurant. Dort sitzen schon weitere TeilnehmerInnen der "Internationalen Konferenz über die Auswirkungen des Uranabbau für Gesundheit und Umwelt" um zwei Tische verteilt. Neugieriges Hallo und Vorstellung: Solli Ramatou und Naino Nohou, die beiden sind aus dem Niger. Aus Südafrika stammt David Fig, Susanne Grabenhorst von der IPPNW Deutschland ist dabei, Gudrun Conrad, ebenfalls vom Uranium-Network.

Weltweit: Uranabbau zerstört Umwelt und Gesundheit

Insgesamt sind es rund 40 Fachleute und AktivistInnen, die sich in Tansania als ReferentInnen zur Internationalen Urankonferenz treffen. Mediziner, Geologen, Umwelt- und StrahlenexpertInnen und Menschenrechts-AktivistInnen aus Australien, Kanada, Südafrika, Mali, dem Niger, Kamerun, Namibia, dem Tschad, der Schweiz, der Mongolei, den USA, Sambia und natürlich aus Tansania sind zusammengekommen, um über die Probleme des Uranabbaus zu berichten und zu informieren.

Viele sind direkt vom Uranabbau betroffen, kennen die vielen Erkrankungen, die es in Folge der permanenten radioaktiven Belastung durch die Geröllhalden und den Staub gibt. Während die Menschen in einigen Regionen wie z.B. im Niger an Wassermangel leiden, verbrauchen die Minen enorme Wassermengen für den Bergbau und das Extrahieren des Urans. Uranstaub und das radioaktive Gas Radon verbreiten sich flächendeckend mit dem Wind und nach Regenfällen in den betroffenen Regionen. Fast alle Länder, die Uran abbauen, informieren ihre Bevölkerung nur unzureichend.

In Kanada und Australien sind es Gebiete der UreinwohnerInnen, in denen Regierungen und internationale Konzerne oftmals gegen den Willen der Einheimischen das Uran fördern und verstrahlte Kraterlandschaften hinterlassen.

Aber auch in vielen der afrikanischen Abbau-Länder sind die Bedingungen katastrophal. Über schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnden Schutz der ArbeiterInnen wird in den nächsten Tagen viel zu hören sein, ebenso über die mangelnde gesundheitliche Versorgung und Betreuung. Und es wird von mächtigen Konzernen die Rede sein, darüber, dass diese, ohne sich um die kulturellen oder sozialen Verhältnisse in den Regionen zu kümmern, abgeschottet allein für ihre Gewinne die Erde durchwühlen.

Kurz vor meiner Abreise nach Tansania äußerten sich der Bischof Dr. Alex Malasusa aus Dar Es Salaam und der norddeutsche Landesbischof Gerhard Ulrich besorgt über den Bergbau und über postkoloniale Strukturen, in denen die Ausplünderung des Landes für Rohstoffe heute erfolge. Befürchtungen, die die TeilnehmerInnen der Konferenz aus vielen Ländern in den nächsten Tagen mit ihren Erfahrungen unterfüttern werden.

Exkursion ins Überschwemmungsgebiet: Wo die Erde strahlt

Es ist noch Nacht, als wir uns auf den Weg zum Flughafen machen. Mit zwei Propellermaschinen geht es von Dar in die rund 600 Kilometer entfernte Hauptstadt Dodoma. In der Region Bahi, im Kernland von Tansania, ist dicht unter der Oberfläche Uran gefunden worden. Noch läuft die Erkundung, aber hier könnte in den nächsten Jahren eine Uranmine entstehen. Doch es gibt massiven Widerstand in der Bevölkerung.

Die Bahi-Region ist eine extrem fruchtbare Gegend. Die weiträumige Tiefebene ist umgeben von Bergen. In der Regenzeit im Frühjahr kommt das Wasser in diese Senke, überschwemmt große Bereiche und sorgt so dafür, dass neben Mais, Zwiebeln, Kartoffeln und anderen landwirtschaftlichen Produkten selbst Reis angebaut werden kann. Bahi bila Urani inawezekana "Mpunga unatosha" steht in Swahili auf vielen der T-Shirts, die unsere GastgeberInnen von CESOPE tragen, als sie uns vom Flughafen abholen: Bahi ohne Uran - Reis ist genug!

In Jeeps geht es weiter ins Überschwemmungsland. Auf der Fahrt lernen wir: In Tansania sind 100 Kilometer weiter als in Deutschland. Rund drei Stunden sind wir unterwegs, bis unser Konvoi endlich von der Straße abbiegt und über holprige Pisten an kleinen Siedlungen entlang durch die endlos erscheinende Tiefebene rollt. Um und hinter uns wirbeln wir eine Staubwolke auf, die weithin zu sehen sein dürfte. Wir fahren durch eine wüstenartige Savannenlandschaft, hin und wieder sehen wir Ziegen oder Kühe. Dazwischen dürre Büsche und Gestrüpp. Es ist Trockenzeit, der Boden ist aufgerissen, die Sonne brennt senkrecht herunter. Kaum vorstellbar, dass diese Gegend einem blühenden Garten gleichen kann und die Bevölkerung in den Dörfern mit ausreichend Lebensmitteln versorgt.

Anthony Lyamunda, einer der Aktivisten von CESOPE (Civil Education is the Solution for Poverty and Environment), führt uns zu unterschiedlichen Orten in der Region, erklärt uns, was wo wächst und zeigt uns auch, wo die Testbohrungen stattgefunden haben. Anthony berichtet, dass es nach den letzten Bohrungen, die entgegen dem üblichen Vorgehen bei solchen Erkundungen nicht verschlossen wurden, zu ungewöhnlichen Hauterkrankungen bei vielen FeldarbeiterInnen gekommen ist. Ob es einen Zusammenhang mit den Bohrungen und den dabei eingesetzten Chemikalien gäbe, sei unklar, erklärt Anthony, aber vorher habe es solche Erkrankungen nicht gegeben. Man habe die Behörden gebeten, die Ursachen zu ergründen, aber die hätten nur abgewunken. Proben, die AktivistInnen von CESOPE nach Deutschland geschickt hatten, haben keine Ergebnisse gebracht. Allerdings: Es sollen recht hohe Uranwerte gefunden worden sein.

Unsere internationale Delegation hat rund um Bahi für viel Aufsehen gesorgt. Das merken wir nicht nur in einem Dorf, in dem einige von uns sich in das Gästebuch eintragen und ein kurzes Gespräch mit dem Dorfchef führen.

Probleme mit Demokratie und Bürgerrechten

Als wir das Dorf im Konvoi mit unseren acht Jeeps verlassen, wartet ein Polizeiwagen auf uns. Wir bekommen Order, die örtliche Polizeistation anzufahren. Weshalb bekommen wir in den hinteren Jeeps nicht mit. Wenig später ist klar: Anthony Lyamunda wird in der Polizeistation festgehalten. Nicht verhaftet, wie man uns erklärt. Aber er darf die Station nicht verlassen, wir können nicht mit ihm sprechen. Er solle ein paar Fragen beantworten und ein Protokoll unterzeichnen. Warum? Keine Erklärung.

Aus Dodoma rufen wir den Anwalt und Parlamentsabgeordneten Tundu Lissu herbei. Es braucht nur wenige Minuten, bis er die Dinge vor Ort geklärt hat. Anthony ist wieder bei uns und Lissu erklärt, dass es noch viele Probleme in seinem Land gäbe. Z.B. dass die Polizei sich nicht immer an das Recht halte und auch gegen engagierte Leute vorgehe, wenn keine Rechtsverstöße vorlägen.

Erst am Abend können sich alle TeilnehmerInnen auf den Weg zurück nach Dodoma machen, wo für den Abend ein Highlight geplant ist. Freunde von CESOPE haben zu Ehren der internationalen Gäste ein großes Fest organisiert, mit üppigem Essen, allerlei Gewürzen und Soßen, fantastischen traditionellen Tanzaufführungen und Feuerdarbietungen. Auch einer der Chiefs gibt sich die Ehre, begrüßt die Gäste mit einer feierlichen Ansprache und führt gemeinsam mit Tundu Lussi eine Vielzahl von Utensilien, Gefäßen, Geräten mit Pulvern, Wässerchen oder sonstigen Dingen zur Heilung oder Besinnung vor.

Know how für die Provinz Bahi

Gespannt sind alle - Gäste wie CESOPE-VertreterInnen - wie denn wohl die für den nächsten Tag geplante Informationsveranstaltung laufen wird. Bezirkspolitiker aus der Bahi-Region hatten versucht, den Kontakt zwischen der Bevölkerung und den internationalen Gästen zu erschweren. Mit Verweis auf nicht näher benannte Sicherheitsprobleme wurde CESOPE nahegelegt, die Informationsveranstaltung nicht wie vorgesehen in Bahi durchzuführen, sondern in das rund 100 Kilometer entfernte Dodoma zu verlegen. Eine Bitte, die so eindringlich formuliert war, dass CESOPE ihr lieber nachgekommen ist. Für Viele aus den Dörfern mit der Folge, dass ihre Anreise erheblich verlängert und erschwert wurde.

Doch damit nicht genug. Als sich aus den Dörfern rund um Bahi am folgenden Tag hunderte von Menschen in den frühen Morgenstunden mit Kleinbussen auf den Weg machen, werden sie von der Polizei gestoppt und kontrolliert. Dabei wird recht unverblümt deutlich gemacht, dass die örtlichen "Autoritäten" es nicht sonderlich gut fänden, dass sie sich an der Veranstaltung beteiligen wollen.

Dennoch: Zwischen 400 und 500 Menschen sind versammelt, verfolgen mit großem Interesse den vielen Vorträge über die Erfahrungen mit dem Uranabbau in Australien. Sie erfahren, wie dort mit den Aborigines und ihren Rechten umgegangen wurde, von ihren Erfolgen und Niederlagen. Berichtet wird über den Uranbergbau und seine Hinterlassenschaften in der ostdeutschen Wismut AG, die für inzwischen über sechs Milliarden Euro saniert wird und tausende von Krebstoten zur Folge hatte.

Aus Mali wird über die laufenden Untersuchungen der dortigen Uranvorkommen berichtet, über die Risiken der permanenten Niedrigstrahlung, wenn das Uran erst einmal aus der Erde geholt ist. Richtig lebhaft wird es, als es um die gesundheitlichen Folgen geht und die Ergebnisse von Studien über Fehlbildungen bei Kindern, über Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit vorgestellt werden.

Schließlich dreht es sich um die ökonomischen Aspekte beim Uranabbau, darum, dass für kurze Zeit in der Region möglicherweise einige Arbeitsplätze entstehen werden. Doch von den Gewinnen, die die Konzerne mit dem Uran machen, wird nur ein kleiner Teil in der Region bleiben. Für die Sanierung der Bergbaufolgen wird vermutlich kein Geld übrig bleiben. Zurückbleiben wird eine zerstörte Landschaft und eine vergiftete Umwelt. In vielen Ländern, dass bestätigen die VertreterInnen aus Mali, Niger und Australien, werden die Menschen am Ende mit den Folgen allein gelassen.

Szenenwechsel

Zwei Tage später, Dar Es Salaam. Im Nobel-Hotel Blue Pearl startet die Internationale Konferenz. 300 bis 400 TeilnehmerInnen versammeln sich. In den Medien hat das für große Aufmerksamkeit gesorgt. Daher sagt endlich auch der Gesundheitsminister seine Teilnahme an der Konferenz zu. Ein Erfolg, wie sich die TeilnehmerInnen schnell einig sind, auch wenn Hussein Ali Mwinyi lediglich die Politik der Regierung erklärt und betont, dass Tansania alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hätte, damit der Uranabbau ohne negative gesundheitliche Auswirkungen für die Bevölkerung vonstatten gehen könne. Eine Aussage, die wenig später vom Vertreter des nationalen Umweltamtes deutlich relativiert wird. Die tansanische Regierung sei bisher weder technisch noch finanziell oder personell in der Lage, die von ihr erlassenen Auflagen beim Uranabbau zu kontrollieren. Vielmehr müsse man sich in erster Linie auf die Berichterstattung und die Selbstkontrolle der Bergbauunternehmen verlassen.

Während der nächsten zwei Tage stellen die internationalen Fachleute und AktivistInnen ihr geballtes Wissen, viele praktische Erfahrungen und zahlreiche Studien zu den gesundheitlichen und Umweltrisiken des Uranabbaus vor. Noch habe Tansania die Chance, die vielen negativen Auswirkungen zu verhindern und den Uranbergbau zu stoppen. Die Hoffnung der Regierung, dass der Bergbau zu einer wirtschaftlichen Entwicklung beitrage und damit dem Lande zu Gute komme, widersprechen die Erfahrungen vieler BerichterstatterInnen.

Die Medien in Tansania berichten ausführlich über die Kritik der internationalen Fachleute. Die Regierung reagiert teilweise genervt, warnt vor angeblich falschen Behauptungen, die über die Risiken des Uranabbaus verbreitet würden. Dennoch: Die OrganisatorInnen der Konferenz - die ÄrztInnen der IPPNW aus der Schweiz und Deutschland, das Ostafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung und die tansanische Menschenrechtsorganisation Legal and Human Rights Centre (LHRC) - sind zufrieden mit der Konferenz, weil sie die Debatte über die Risiken des Uranabbaus und den Kurs der Regierung stärker in die Öffentlichkeit gebracht hat.

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In Tansania sagt man "Nsuri, sana" - alles gut, alles schön

Tansania gilt als eines der rohstoffreichen Länder Ostafrikas und neben Gold, Öl, Gas und Kohle sind auch ergiebige Uranerzvorkommen in mehreren Regionen gefunden worden. Für die Regierung in Tansania ist das eine Chance für eine wirtschaftliche Entwicklung des armen Landes.

Im Süden Tansanias sind die Vorbereitungen für den Uranabbau inzwischen weit vorangeschritten. Ausgerechnet in einem der größten afrikanischen Nationalparks, dem Selours Game Reserve, soll die erste Uranmine Tansanias in Betrieb gehen.


Dirk Seifert ist Energiereferent von ROBIN WOOD in Hamburg energie@robinwood.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Anthony Lyamunda, Aktivst von CESOPE, zeigt uns die Region und wird plötzlich in Polizeigewahrsam genommen

- Wo wir auftauchen, sorgt unsere Delegation für Aufsehen - auch bei der örtlichen Polizei

- Obwohl sie von Ordnungskräften drangsaliert wurden, versammeln sich in Dodoma an die 500 Menschen, um mehr über die katastrophalen Folgen des Uranbergbaus weltweit zu erfahren

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 119/4.2013, Seite 32-35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2013