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SOZIALES/017: Indonesien - Kein Profit durch Jatropha, staatliche Biosprit-Kampagne ruiniert Bauern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2012

Indonesien: Kein Profit durch Jatropha - Staatliche Biosprit-Kampagne ruiniert Bauern

von Kanis Dursin

Die Produktion von Biosprit aus Jatropha-Samen ist umstritten - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Die Produktion von Biosprit aus Jatropha-Samen ist umstritten
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Jakarta, 18. April (IPS) - Den Traum, seine drei Kinder auf gute Schulen zu schicken, hat Muslikin bereits aufgegeben. Der Bauer von der indonesischen Insel Java hat Mühe, das Bankdarlehen zurückzuzahlen, mit dem er 2006 seine Jatropha-Plantage finanzierte. Damals wurde die Pflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse von der Agroindustrie als beste Option zur Herstellung von Biotreibstoff gepriesen. Die Farmer, die daraufhin für Jatropha den Anbau von Nahrungspflanzen aufgaben, sehen sich hinters Licht geführt.

"Ich habe immer noch Schulden", klagt Muslikin. Der 40-Jährige lebt mit seiner Familie in dem Dorf Gundi im Godong-Bezirk in Zentraljava, etwa eine Flugstunde von der indonesischen Hauptstadt Jakarta entfernt. Vor sechs Jahren gab er den Reisanbau auf seinem zwei Hektar großen Feld zugunsten der Jatropha-Produktion auf. Um Setzlinge und Dünger kaufen zu können, nahm er bei der Bank umgerechnet 3.000 US-Dollar auf.

Weniger als zwei Jahre später musste er jedoch erkennen, dass sich seine Hoffnungen nicht erfüllt hatten. Noch bevor er den Kredit vollständig zurückzahlen konnte, sah er sich gezwungen, zum Reisanbau zurückzukehren. "Jatropha wurde als neuer Weg zum Wohlstand gepriesen und erwies sich als Flop", kritisiert der Farmer.

Unternehmen hätten zugesagt, die Jatropha-Bohnen für 67 bis 78 US-Cent pro Kilo zu kaufen und Bauern mit mindestens zwei Hektar großen Plantagen einen festen Lohn zu zahlen. "Keine dieser Zusagen wurde erfüllt", beschwert sich Muslikin. Investoren hätten für die Jatropha-Bohnen lediglich elf bis 17 Cent pro Kilo zahlen wollen.


Reisanbau bringt mehr ein

Je nach Qualität des Saatguts und der Böden können auf einem Hektar Land jährlich bis zu drei Tonnen Jatropha-Bohnen geerntet werden. Bei einem Preis von 67 Cent pro Kilo hätte Muslikin im Jahr 4.000 Dollar verdient. Tatsächlich brachte ihm der Verkauf der Bohnen wesentlich niedrigere Einkünfte als der Reisanbau, mit dem er 2.778 Dollar im Jahr verdient hatte.

Um die verbleibenden Schulden von 1.889 Dollar tilgen zu können, bleibt dem Bauer nur der Verkauf von Reis. Die Familie muss sich erheblich einschränken. "Früher habe ich den Kindern zwei Mal im Jahr neue Kleidung und Schuhe gekauft, und fast jeden Tag gab es bei uns Fleisch zu essen", erzählt er. Damit sei es nun vorbei.

Muslikin ist einer von Zehn- oder sogar Hunderttausenden Bauern, die den Appellen der Regierung folgten und die angebliche Wunderpflanze anbauten. Hintergrund ist die Energiekrise in dem südostasiatischen Land. Vom Erdölproduzenten ist Indonesien inzwischen zum -importeur geworden. Mit Jatropha wollte die Regierung die Abhängigkeit des Landes von den seit 2005 immer teurer gewordenen fossilen Brennstoffen reduzieren.

2006‍ ‍verkündete Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono das ehrgeizige Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Verbrauch des Landes auf 17 Prozent zu steigern. Der Anteil fossiler Brennstoffe sollte dagegen bis 2025 von 55 auf etwa 20 Prozent gesenkt werden.

Das von dem Präsidenten eingesetzte Nationale Entwicklungsteam für Biosprit sollte Produktionsprogramme entwerfen, die von den zuständigen Behörden umgesetzt werden sollten. 2007 führte Yudhoyono das Programm für energieautarke Dörfer ein, das darauf abzielte, die auf lokaler Ebene vorhandenen Quellen für Biosprit und herkömmliche Treibstoffe - Geothermik, Mikro-Wasserkraft, Solarkraft, Windenergie und Kohleverflüssigung - zu nutzen. Damit sollte der Energiebedarf von Privathaushalten und kleinen Unternehmen gedeckt werden.

Bauern in ganz Indonesien stellten ihren Anbau daraufhin Hals über Kopf auf Jatropha um. Das gegen Dürre und Schädlinge resistente Gewächs bringt Früchte hervor, deren Samen durchschnittlich 34,4 Prozent Öl enthalten - deutlich mehr als andere Pflanzen, aus denen Biotreibstoff gewonnen wird.

"Wir schätzen, dass zwischen 2005 und 2008 landesweit etwa 400 Millionen Jatropha-Keimlinge und -setzlinge ausgebracht wurden", sagte Abbas Hadisunyoto, der Vorsitzende des Verbands der Indonesischen Jatropha-Bauern. Ein Zehntel davon wurde demnach in der Provinz Lampung auf der Insel Sumatra inmitten von Ölpalmen und Gummibäumen gezüchtet. Weitere Anbauflächen entstanden in Zentraljava, Westjava, Ostjava, West Nusa Tenggara und Ost Nusa Tenggara. Nach Angaben der Behörden gibt es in Indonesien rund 50 Millionen Hektar brachliegendes Land, das in Jatropha-Plantagen umgewandelt werden könnte.


Umweltschützer attackieren niederländischen Investor

Kürzlich bildete die niederländische Investment-Firma 'Waterland International' das Konsortium 'PT Waterland International Asia', das in mehreren Provinzen aus Jatropha Biotreibstoff herstellt. Die Umweltorganisation 'Friends of the Earth Netherlands' wirft Waterland jedoch vor, arme Bauern vor allem im Zentrum Javas auszubeuten und ihre Ernährungssicherheit zu gefährden.

"Der Anbau wird auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion für die lokale Bevölkerung betrieben", heißt es in einer im Februar verbreiteten Untersuchung der Gruppe. Ko-Autor Arief Zayin erklärt, dass die staatliche Biosprit-Kampagne Land- und Nahrungskrisen auszulösen drohe, da viele Bauern den Anbau anderer Nutzpflanzen aufgegeben hätten. Waterland kritisierte den Bericht jedoch als "irreführend" und behauptete, die Organisation habe ihn nur deshalb verfasst, um ihren Kampf gegen Biosprit zu rechtfertigen.

"'Friends of the Earth' erwähnen nicht, dass wir Jatropha nicht auf Agrarland anbauen, sondern in staatlichen Wäldern, die für eine Wiederaufforstung vorgesehen sind", sagte ein Sprecher des Unternehmens gegenüber IPS. Die landwirtschaftliche Nutzung dieser Gebiete sei nur unter strengen Auflagen möglich. Zudem hätten die auf Hügeln liegenden Jatropha-Plantagen die Bodenerosion verhindert und damit das Risiko von Erdrutschen verringert.

Laut Al Hilal Hamdi, dem früheren Vorsitzenden des Nationalen Entwicklungsteams für Biotreibstoff, ist das staatliche Jatropha-Programm inzwischen fast völlig eingestellt worden. Die Regierung sollte den Bauern aber hochwertige Setzlinge bereitstellen und Preisvorteile gewähren, forderte er.

Nach Ansicht von Hadisunyoto könnte der Anbau von Jatropha neu belebt werden. Firmen aus Deutschland, Singapur, Malaysia, Japan und Südkorea hätten Interesse an Kooperationen gezeigt. Geschädigte Bauern wie Muslikin wollen allerdings keinen zweiten Versuch mehr unternehmen. (Ende/IPS/ck/2012)

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http://www.milieudefensie.nl/english
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107447

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2012