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SOZIALES/046: CO2-Reduktionsinitiative REDD höhlt indigene Landrechte aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2014

Klima: CO2-Reduktionsinitiative REDD höhlt indigene Landrechte aus

von Bryant Harris


Bild: © Franz Chávez/IPS

Der US-amerikanische Indigenenführer Tom Goldtooth
Bild: © Franz Chávez/IPS

Washington, 24. März (IPS) - Das internationale Klimaschutzprogramm REDD+ zur weltweiten Verringerung der CO2-Emissionen ist erneut in die Kritik geraten. Demnach unterwandert es die Landrechte indigener Völker und nimmt ihnen somit ihre Lebensgrundlage.

Am 19. März hatten sich die Teilnehmer einer Dialogveranstaltung in Washington mit den Folgen der UN-Initiative zur 'Verringerung der Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern plus' (REDD+) unter Regie der Weltbank und der Vereinten Nationen für die autochthonen Völker auseinandergesetzt.

Die 'Rights and Resources Initiative' (RRI), ein Zusammenschluss von Organisationen, die sich für die Rechte von Indigenen und den Schutz der weltweiten natürlichen Ressourcen einsetzen, hat auf dem Treffen neue Forschungsergebnisse vorgestellt, denen zufolge es den in Wäldern lebenden indigenen Gemeinschaften an rechtlichem Schutz und Sicherheiten fehlt.

"Da Kohlenstoff in Bäumen zu einem weiteren vermarktungsfähigen Rohstoff geworden ist, sind die Weichen für ein beispielloses Kohlenstoff-Grabbing durch Regierungen und Investoren gestellt", warnte der RRI-Geschäftsführer Arvind Khare. Der Begriff Grabbing wird weitgehend im Zusammenhang mit der Pacht oder dem Kauf meist riesiger Agrarflächen ohne Rücksicht auf die Rechte und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerungsgruppen verwendet.

REDD sieht Kompensationszahlungen für überprüfbare CO2-Emissionsreduzierungen durch Waldschutzmaßnahmen, nachhaltige Waldbewirtschaftungsformen und die Verbesserung der Wirtschaftslage von Waldbewohnern vor. Später wurde das Konzept um die Aufnahme der Landwirtschaft erweitert (REDD+).

Dahinter steckt die Idee, den Schutz und die Aufforstung von Wäldern als CO2-Senken finanziell attraktiv zu machen. REDD war formell 2007 während der Klimagespräche auf Bali in Indonesien beschlossen worden. Danach soll der Schutz der Wälder mit CO2-Gutschriften belohnt werden, die Industrieunternehmen kaufen können, die ihre CO2-Bilanz verbessern wollen.


Kaum Waldrechte, keine CO2-Rechte

"Bisher führten sämtliche Investitionen in die natürlichen Ressourcen zur Entrechtung der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften. Deshalb haben wir so sehr gehofft, dass REDD zu einem anderen Ergebnis führen würde. Ihre Waldrechte sind schon äußert gering, ihre CO2-Rechte gleich null", kritisierte Khare.

Der Weltbank kommt innerhalb von REDD+ aufgrund der von ihr geleiteten Fazilität für Waldkohlenstoff-Partnerschaft (FCPF) und des Waldinvestitionsprogramms FIP eine besondere Rolle zu. Beide Programme sollen einem besseren Schutz der Wälder Vorschub leisten.

Jedoch haben Expertengruppen darauf hingewiesen, dass die indigenen Gemeinschaften Afrikas, Asiens und Lateinamerikas immer noch darauf warten, dass die Regierungen die ausstehenden REDD-Zahlungen für ihre Waldschutzleistungen entrichten. "Der Transfer der Gelder an die indigenen Gemeinschaften durch die REDD-Verfahren der Regierungen ist ausgeblieben", monierte Khare im IPS-Gespräch. "Deshalb konnten auch in den meisten Fällen keine Gelder dieser beiden Einrichtungen (REDD+ und FCPF), die derzeit für die weltweite Steuerung von REDD zuständig sind, an die Gemeinschaften weitergeleitet werden."

Die neue RRI-Studie, die sich mit insgesamt 23 Ländern auseinander setzt, konnte nur in Mexiko und Guatemala Gesetze finden, die ansatzweise versuchen, die Besitzrechte über CO2 zu regeln. Alle anderen Staaten verfügen noch nicht einmal über einen rechtlichen Rahmen oder die nötigen Institutionen, die die Entscheidung treffen, wer von den REDD+-Leistungen für die Reduzierung der CO2-Emissionen profitiert.


CO2- und Landrechte zusammenbringen

Um sicherzustellen, dass die indigenen Gemeinschaften einen fairen und angemessenen Teil der finanziellen REDD+-Mittel erhalten, forderten die Teilnehmer der Dialogveranstaltung am 19. März die Programmverantwortlichen auf, CO2-Rechte explizit mit den Landrechten zu verknüpfen.

"Besitz muss zu einem Herzstück von REDD werden", forderte Alexandre Corriveau-Bourque von RRI. "Die Anerkennung lokaler Rechte ist entscheidend für die Funktionsfähigkeit von REDD." Diese Beobachtungen basierten nicht nur auf moralischen oder rechtlichen Grundsätzen, sondern auch auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, denen zufolge Gemeinschaften mit gesicherten Besitzverhältnissen für den Erhalt der Wälder als CO2-Senken eintreten und auf ihren Territorien bessere Ergebnisse erzielen als Staaten in ihren Schutzgebieten.

In den Amazonaswäldern beispielsweise, in denen die Landbesitzrechte indigener Gemeinschaften anerkannt und rechtlich geschützt wurden, liegt die Entwaldungsrate gerade mal bei einem Achtel der Rate der nicht unter indigener Kontrolle stehenden Areale. Wenn Besitzrechte nicht eindeutig sind, ist zudem die Gefahr gewaltsamer Konflikte, staatlicher Unterdrückung und erhöhter Entwaldungsraten besonders hoch.

"Wenn Regierungen ein Exklusivrecht auf CO2 einfordern, wie schon im Fall der Mineralien geschehen, werden damit die Weichen für neuerliche Konflikte gestellt", so Corriveau-Bourque. Neuseeland beispielsweise hatte 2002 die CO2-Vorräte zum öffentlichen Gut erklärt. Seither wurde das Gesetz jedoch immer wieder reformiert, um den Gemeinschaften und Einzelpersonen mehr Freiheiten einzuräumen, sich am CO2-Handel zu beteiligen.

Laut RRI haben 15 von 21 Ländern, die REDD+-Planungspapiere vorweisen können, festgestellt, dass unklare Besitzverhältnisse Entwaldung und Walddegration Vorschub leisteten.


Falsche Schuldzuweisungen

Einige Analysten sind der Meinung, dass sich die Umsetzung von REDD+ auch aus anderen Gründen negativ auf die indigenen Völker auswirken wird. So neigten Regierungen dazu, eher lokalen Gemeinschaften die Schuld an der Entwaldung zu geben, als Unternehmen, die in fragilen Waldökosystemen ihren wirtschaftlichen Interessen nachgingen.

"Waldbewohner haben uns berichtet, dass sie von beiden Seiten unter Druck gesetzt werden", erklärte Tom Griffiths vom Programm der Waldvölker, einer unabhängigen Organisation, die sich für die Rechte der Waldbewohner einsetzt. "Andererseits werden Wälder, ohne dass ihre Bewohner vorher unterrichtet oder um ihre Zustimmung gebeten worden wären, ausländischen Unternehmen zur landwirtschaftlichen Entwicklung oder zur Ölausbeutung überlassen. Oder aber sie leiden unter den Klimainitiativen, da diese ihren Zugang zu den Wäldern einschränken."

In diesem Monat hatten indigene Gruppen aus aller Welt auf einer internationalen Konferenz über Entwaldung und lokale Rechte im indonesischen Palangka Raya die Einstellung aller "grünen Wirtschaftsprojekte" verlangt. Sie machen die Projekte dafür verantwortlich, dass ihnen die elementarsten Rechte vorenthalten werden.

In einer Erklärung kritisierten die Teilnehmer REDD+ sowohl für das Ausbleiben von Fortschritten bei der Verringerung der CO2-Emissionen als auch für die Einschränkungen, die es den Rechten indigener Waldbewohner auferlegt, ihr Land zu nutzen. "Die von der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und der Weltbank vorangetriebenen globalen Anstrengungen, der Entwaldung mit Hilfe von Marktmechanismen zu begegnen, sind gescheitert", heißt es in einer Mitteilung.

Das habe weniger damit zu tun, dass sich keine Märkte entwickelt hätten, sondern dass diese Bemühungen dem multiplen Wert von Wäldern nicht Rechnung trügen und sogar Verstöße gegen international anerkannte Menschenrechte begünstigten. Darüber hinaus hätten Organisationen, die sich für Initiativen wie REDD+ engagierten, Entwicklungsprojekte umgesetzt, die zur Entwaldung beigetragen hätten.

"Vielmehr haben etliche dieser Agenturen, indem sie sie Entwicklungsprojekte unterstützt und damit nationale und internationale Initiativen unterlaufen haben, die auf den Schutz der Wälder abzielen, zur Übernahme unserer Ländereien durch Dritte beigetragen." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/03/carbon-cutting-initiative-may-harm-indigenous-communities/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2014