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SOZIALES/062: Karibik - Nachhaltigkeitsinitiative lässt Fischer in Barbuda um Existenz bangen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2014

Karibik: Nachhaltigkeitsinitiative für Korallenriffe lässt Fischer in Barbuda um Existenz bangen

von Desmond Brown


Bild: © Desmond Brown/IPS

Gerald Price, der frühere Vorsitzende der Fischerkooperative von Antigua und Barbuda
Bild: © Desmond Brown/IPS

Codrington, Barbuda, 18. September (IPS) - Neue Regelungen zum nachhaltigen Umgang mit den Küstengewässern der Karibikinsel Barbuda haben die dortigen Fischer in Alarmbereitschaft versetzt. Sie fürchten um ihren Lebensunterhalt und klagen über den Mangel an alternativen Verdienstmöglichkeiten.

Die vom 'Barbuda Council' in öffentliches Recht überführten Bestimmungen sehen unter anderem vor, die Küstengewässer in Zonen einzuteilen und ein Netzwerk aus Meeresschutzgebieten zu schaffen. Die Verwaltungsbehörde ist für die inneren Angelegenheiten der zum Staat Antigua und Barbuda gehörenden Insel zuständig.

Der Leiter der unabhängigen Umweltorganisation 'Barbuda Research Complex', John Mussington, übt Kritik an der 'Blue Halo Initiative'. Er hält die Zielsetzungen an sich zwar für sehr lobenswert, sieht aber Probleme bei der Umsetzung. Nach seinem Dafürhalten sollte die Initiative die Folgen des Klimawandels stärker in Betracht ziehen und den Fischern zu alternative Einkommensmöglichkeiten verholfen werden. "Ich glaube nicht, dass die Fischer von Barbuda kooperieren werden", meint Mussington, der seit 1983 an vielen Umweltprojekten auf der Insel beteiligt ist.


Fangstopp für Papageienfische und Seeigel

Die Regelungen sehen die Einrichtung von fünf Meeresschutzzonen vor, die 130 Quadratkilometer und damit 33 Prozent des Küstengebietes umfassen. Fischpopulationen und Habitate sollen sich dadurch wieder erholen können. Um die Regenerierung der Korallenriffe zu ermöglichen, ist der Fang von Papageienfischen und Seeigeln vollständig verboten worden. Diese pflanzenfressenden Lebewesen sorgen dafür, dass die Riffe nicht durch übermäßigen Algenbewuchs erstickt werden. Barbuda ist die erste Karibikinsel, die derartige Maßnahmen in Kraft gesetzt hat.

Mussington wendet jedoch ein, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für die Initiative dürftig seien. Außerdem seien die Inselbehörden dafür bekannt, dass es ihnen am Willen zur Umsetzung der Maßnahmen und an den Möglichkeiten mangele, ihre Einhaltung zu kontrollieren. Der Umweltexperte kritisiert zudem, dass die Initiative einen Keil zwischen diejenigen treibe, die von den Maßnahmen unmittelbar betroffen seien.

Die Chefin des Nationalen Museums für Naturgeschichte in Washington, Nancy Knowlton, ist anderer Ansicht. Sie verweist auf eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung an 90 Orten in der Karibikregion, der zufolge die Korallenriffe in Gebieten, in denen der Fischfang reglementiert wird, in einem deutlich besseren Zustand sind. Tourismus biete den Einwohnern an vielen Orten alternative Einkommensmöglichkeiten, erklärt sie. Ein gesundes Ökosystem sei dafür unverzichtbar.

"Ich sehe die Chancen, dass Blue Halo eine Art Pilotfunktion für den Umgang mit Korallenriffen in der Karibik übernehmen kann, deshalb wesentlich optimistischer", meint die Expertin und fügt hinzu, dass sie mehrere Jahre in Jamaika zugebracht habe, wo es solche Regelungen nicht gebe. Die Fischer dort seien extrem arm, weil es nichts mehr zu fangen gebe.


Experten plädieren für Schutzmaßnahmen

In dem Bericht werden Forschungsergebnisse vorgestellt, die etwa 90 international tätige Experten in drei Jahren erarbeitet haben. Der von dem 'Global Coral Reef Monitoring Network' (GCRMN), dem Weltnaturschutzbund (IUCN) und dem UN-Umweltprogramm (UNEP) herausgegebene Report enthält überraschend gute Neuigkeiten.

Wie die Autoren erläutern, können die Genesung der Papageienfisch-Populationen sowie Schutzmaßnahmen gegen Überfischung und die exzessive Verschmutzung der Küsten zu einer Erholung der Korallenriffe beitragen und sie widerstandsfähiger gegen die künftigen Folgen des Klimawandels machen. Die Studie führt Beweise dafür an, dass an den gesündesten Riffen in der Karibik Populationen von Papageienfischen grasen.

Zu diesen Gebieten gehört das 'Flower Garden Banks National Marine Sanctuary' im nördlichen Golf von Mexiko sowie Bermuda und Bonaire, wo der Fischfang mittels Fallen und Speeren verboten ist, um die Papageienfische zu schonen. In der Studie werden andere Staaten aufgefordert, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.


Fischer in Barbuda ohne Alternativen

Der ehemalige Vorsitzende der Fischerkooperative von Antigua und Barbuda, Gerald Price, sieht auf die Fischer aufgrund der 'Blue Halo'-Initiative schwere Zeiten zukommen. Als er sich das letzte Mal mit den Statistiken befasst habe, sei er auf 43 Fischerboote gekommen, die im Einsatz seien und jeweils drei bis vier Fischer an Bord haben könnten.

"Wovon sollen sie leben?" fragt er. "Im Gegensatz zu Barbuda haben Fischer in Antigua alternative Verdienstmöglichkeiten. Entweder sind sie Schreiner oder Maurer, oder aber sie finden Arbeit in Hotels. In Barbuda leben sie dagegen zu 100 Prozent vom Fischfang."

Bei der Barbuda Blue Halo Initiative arbeiten der Barbuda Council, die Regierung von Antigua und Barbuda, die Fischereibehörde von Barbuda, der Codrington-Lagunenpark und das Waitt-Institut zusammen, das die Initiative koordiniert und wissenschaftlich betreut. Das Institut erstellt zudem geografische Karten und übernimmt Kommunikationsaufgaben.

"Ich begrüße die in Barbuda eingeführten Maßnahmen, vor allem hinsichtlich des Schutzes der Papageienfische und der Seeigel. Der Schutz dieser wichtigen Pflanzenfresser ist der erste wesentliche Schritt zu einer Erholung der karibischen Riffe, die in den vergangenen 50 Jahren schwer geschädigt worden sind", erklärt Jeremy Jackson, Direktor des Netzwerks GCRMN.

Die Regelungen schreiben auch eine zweijährige Unterbrechung des Fischfangs in der Codrington-Lagune vor, dem wichtigsten Laichgrund von Hummern und Fischen, der zu den Ramsar-Feuchtgebieten gerechnet wird. Dort befinden sich auch die größten und am besten erhaltenen Mangrovenwälder der Karibik und das weltweit größte Brutgebiet für Fregattvögel. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/blue-halo-a-conservation-flagship-or-death-knell-for-fishermen/

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IPS-Tagesdienst vom 18. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2014