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WALD/140: Raubbau und Ressourcenschwund in Russland (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Raubbau und Ressourcenschwund in Russland
Dass selbst Russland das neue Waldabkommen ratifizieren will, sagt viel über dessen Unverbindlichkeit aus.

Von Asti Roesle und László Maráz



Russland verfügt über rund ein Viertel der globalen Waldfläche sowie rund 50 Prozent der weltweiten Nadelholzbestände. Die Degradierung der russischen Wälder und insbesondere der verbleibenden intakten Waldgebiete schreitet jedoch rasch voran. Der Forstsektor ist geprägt von hoher Korruption, fehlenden Kontrollmechanismen, schlecht ausgebildetem Forstpersonal und nicht zuletzt durch fehlende Mittel in den Forstdiensten. Der frappante Qualitätsverlust im russischen Forstsektor steht auch in direktem Zusammenhang mit der seit 2010 eskalierten Waldbrandsituation, mit vermehrten Borkenkäfer-Epidemien sowie illegaler Abholzung, insbesondere im asiatischen Teil Russlands.

Auch FSC-Zertifizierung hilft dem Wald nicht

In Russland kann grob betrachtet zwischen zwei Waldbewirtschaftungstypen unterschieden werden: der Bewirtschaftung von Sekundärwald- oder Wirtschaftswaldbeständen einerseits sowie andererseits dem großflächigen Abbau von jahrhundertealten, nicht erneuerbaren Primärwald- oder Urwaldbeständen in der Taiga. Wegen der hohen nördlichen Lage und den kurzen Vegetationszeiten kann sich das sensible boreale Waldökosystem nicht mehr erholen und würde weit mehr als fünfhundert Jahre zur Regeneration benötigen.

Besonders problematisch ist, dass dieser Ressourcenabbau im großen Maßstab inzwischen sogar mit Hilfe des FSC-Labels erfolgt, das Konsumenten sozial und ökologisch verantwortungsvolle Forstbewirtschaftung garantieren sollte. Da gerade der europäische Markt Russland als Risikogebiet wahrnimmt, verlangen Großabnehmer wie IKEA das FSC-Label von russischen Holzproduzenten als Garantie für nachhaltige Produktion. Unter fehlender staatlicher Regulierung können die Produzenten solche Garantien abgeben. Dies hat Russland in den letzten Jahren nach Kanada zum zweitgrößten FSC-Produktionsland aufsteigen lassen.

Doch Großkahlschläge sind in Russland weiter an der Tagesordnung. Sogar in den ökologisch wertvollsten Wäldern darf abgeholzt werden, denn bei der Entscheidung, welche Wälder als artenreich und besonders schützenswert gelten, wird in der Regel nach ökonomischen Kriterien vorgegangen. Verschont werden meist die 5 Prozent der Waldfläche, die sich in für Maschinen unbefahrbaren, steilen oder sumpfigen Lagen befinden. Im Osten Russlands werden demnach sogar mehrere der FSC-Konzessionen als illegal bezeichnet, weil die Konzerne sich nicht an den Einschlagsplan halten.

Dringende Modernisierungen

Tatsache ist jedoch, dass gerade dank des vermeintlichen Nachhaltigkeitslabels besonders schützenswerte Wälder degradiert und abgeholzt werden. Ohne die FSC-Garantie wäre es schwierig für die Firmen, die in besonders schützenwerten Waldgebieten operieren, Abnehmer zu finden.

Die russische Waldwirtschaft braucht eine neue Waldgesetzgebung, eine Stärkung und Erneuerung des Forstdienstes und nicht zuletzt ein FSC-Zertifizierungssystem, das zum Schutz der verbleibenden intakten Waldökosysteme beiträgt und eine echte nachhaltige Bewirtschaftung der Sekundärwälder garantiert. Noch sind etwa 31 Prozent der russischen Wälder Urwälder.


Die Forstingenieurin Asti Roesle arbeitet für Greenpeace, die das Waldschutzabkommen wie fast alle NGOs ablehnen.

László Maráz ist Koordinator der Plattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 19
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2014