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WIRTSCHAFT/023: Argentinien - Korruption unterhöhlt Umweltschutz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2013

Argentinien: Korruption unterhöhlt Umweltschutz

von Marcela Valente


Bild: © Malena Bystrowicz/IPS

Selbst ein Urteil des Obersten Gerichtshofs konnte die Verschmutzung des Matanza-Riachuelo-Beckens nicht eindämmen
Bild: © Malena Bystrowicz/IPS

Buenos Aires, 12. Februar (IPS) - Argentinien wird zurzeit von zwei Korruptionsskandalen erschüttert. Sie zeigen die engen Verflechtungen zwischen fragwürdigen Investitionen, dem Missbrauch von Umweltprojekten zum privaten Vorteil und Vorhaben, die zur Zerstörung der natürlichen Ressourcen beitragen.

Nach Ansicht von 'Transparency International' sind besonders Projekte gegen den Klimawandel und zum Schutz von Wasser und Wäldern korruptionsanfällig. Ein spanisches Gericht untersucht derzeit einen Fall, in den der ehemalige Vorsitzende und Schatzmeister der spanischen Volkspartei PP, Luis Bárcenas, verwickelt ist. Der Skandal hat sich bis nach Argentinien ausgeweitet und trug dort zur Urwaldzerstörung bei.

Einer der Eigentümer von La Moraleja, einer 30.000 Hektar großen Plantage in der nordwestargentinischen Provinz Salta, ist der spanische Politiker Ángel Sanchís, der von 1982 bis 1987 Schatzmeister der PP war. Gegen Sanchís wird in seinem Heimatland wegen dessen Verbindungen zu Bárcenas ermittelt.

Die spanische Justiz berichtete im Januar dieses Jahres, dass Bárcenas auf einem Schweizer Konto 29,8 Millionen US-Dollar deponiert hatte. Wie aus Ermittlerkreisen verlautete, hatte er von diesem Konto Gelder an eine mit La Moraleja verbandelte Firma transferiert. Die Beträge sollen in den Agrarbetrieb investiert worden sein - ein Vorwurf, den die Familie Sanchís abstreitet.

Im Januar berichtete Miguel Angel Soto, Leiter der Waldkampagne der spanischen Sektion von 'Greenpeace', dass Sanchís der Umweltgruppe 2004 eine "Entschädigung" für die Unterstützung eines Projekts zur Ausweitung einer 12.000 Hektar großen Plantage angeboten habe. So sollten Teile eines argentinischen Schutzgebiets entwaldet werden, um dort "edle" Baumarten wie Kirsche, Teak und Mahagoni zu pflanzen.

Zu der Zeit führte Greenpeace-Argentinien eine Kampagne für den Erhalt der nativen Wälder in Salta durch. In der Region bedroht der Anbau von Soja und anderer 'Cash Crops' die Existenz der Urwälder und der dort lebenden indigenen Gemeinschaften. Greenpeace kritisierte damals den Ausverkauf des Naturschutzgebiets 'General Pizarro' nahe La Moraleja. Der Gouverneur von Salta, Juan Carlos Romero, rechtfertigte den Verkauf des umstrittenen Gebietes damit, dass das Gebiet bereits geschädigt sei.


Umweltgesetz zeigt kaum Wirkung

Nach Protesten gegen den Kahlschlag trat im November 2007 ein Gesetz in Kraft, das Minimalstandards für den Schutz einheimischer Wälder festlegte. Demnach muss jede Provinz die Gebiete benennen, die in unterschiedlichem Umfang geschützt werden sollen.

Nach Angaben von Hernán Giardini, dem Chef von Greenpeace-Argentinien, liegt La Moraleja in einer Übergangszone zwischen dem Chaco-Wald im Osten und dem Yungas-Dschungel im Westen. "Von der in beiden Gebieten endemischen Flora ist nur noch wenig übrig geblieben", betonte er. "Als sich die Regierungszeit von Romero ihrem Ende zuneigte und das Waldgesetz verabschiedet worden war, stieg die Zahl der Holzeinschlagslizenzen um das Fünffache. Auch La Moraleja, für das die höchste Schutzstufe gilt, wurde nicht verschont."

Wie den Greenpeace vorliegenden Informationen zu entnehmen ist, erhielten die Besitzer des Agrarbetriebs nur wenige Tage nach Inkrafttreten des Verbots die Genehmigung, im Dezember 2007 5.900 Hektar Wald zu fällen. Im selben Jahr wurden Holzschlaggenehmigungen für eine Fläche von insgesamt 435.000 Hektar Land in Salta erteilt.

Die Daten stammen aus dem Waldbericht 'Monitoreo de Deforestación de Bosques Nativos de la Región Chaqueña Argentina', der Ende 2012 von der Umweltorganisation 'Red Agroforestal Chaco Argentino' veröffentlicht wurde. Aus der Studie, die den Zustand der Wälder in der argentinischen Chaco-Region untersucht, geht außerdem hervor, dass zwischen 1976 und 2012 zwei Millionen Hektar Wald in Salta gefällt wurden.

Demnach hatte das Waldschutzgesetz in den ersten Jahren nach Inkrafttreten so gut wie keine Wirkung gezeigt. Der Report benennt auch die am schwersten betroffenen Gebiete in Anta, wo La Moraleja liegt. Dort sind 40 Prozent der entwaldeten Gebiete der Provinz Salta zu finden.

Romero konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er an der Vergabe der Waldeinschlagsgenehmigungen mitverdient hat. Doch Giardini verweist auf überstürzt bearbeitete Anträge, als klar war, dass das Gesetz die notwendige Stimmenmehrheit finden würde.

Romero war zwischen 1995 und 2007 in drei aufeinanderfolgenden Amtsperioden Gouverneur von Salta gewesen. Derzeit übt er ein Mandat im nationalen Parlament aus. Gewählt wurde er mit Unterstützung der regierenden Peronisten. Er gehört allerdings dem konservativen Flügel an, der gegen die Präsidentin Cristina Fernández arbeitet, die an der Spitze des Mitte-Links-Flügels 'Frente para la Victoria' steht.


Flusssäuberung durch Bestechung hintertrieben

Ein weiteres spektakuläres Beispiel für Korruption im Umweltschutz ist ein Projekt zur Säuberung des Matanza-Flussbeckens. Der Strom erstreckt sich über eine Länge von 64 Kilometer von der nordöstlichen Provinz Buenos Aires bis zur südlichen Grenze der Hauptstadt Buenos Aires, wo er Riachuelo genannt wird. "Korruption muss als weitere Ursache für die Verschmutzung des Matanza-Riachuelo-Beckens betrachtet werden", sagte Andrés Nápoli von der Stiftung für Umwelt und natürliche Rohstoffe.

2006 hatte der Oberste Gerichtshof Argentiniens in einem Urteil die Säuberung des Flussbeckens angeordnet. Der Matanza-Riachuelo ist eines der schmutzigsten Gewässer des Landes, er erstreckt sich über ein 2.240 Quadratkilometer großes Gebiet und schließt 232 Flüsse ein. Das Gericht ordnete außerdem die Beseitigung der Umweltschäden und die Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner an.

Eigens dafür würde die Behörde ACUMAR aus Vertretern der Stadtregierung von Buenos Aires, von 24 Provinzgemeinden und der Zentralregierung geschaffen. Umweltaktivisten zufolge wurden zwar nicht alle gerichtlich verfügten Maßnahmen durchgeführt. Dennoch seien insgesamt jedoch Fortschritte erzielt wurden.

Ende 2012 berichtete die Zeitung 'La Página', dass der für die Umsetzung des Gerichtsurteils zuständige Richter Luis Armella selbst in eine Bestechungsaffäre verstrickt sei. Nachdem berichtet wurde, dass Verwandte des Richters Firmen gegründet und sich ohne eine Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen Aufträge zur Säuberung des Flussbeckens beschafft hatten, wurde Armella von dem Fall abgezogen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.greenpeace.org/argentina/es/
http://www.greenpeace.org/espana/es/
http://www.acumar.gov.ar/index.php
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102309
http://www.ipsnews.net/2013/02/corruption-muddies-the-waters-in-argentina/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2013