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WASSER/190: Eine Frage der Existenz, Mangel und Krisen voraus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. September 2014

Wasser: Eine Frage der Existenz - Mangel und Krisen voraus

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Junge beim Baden in einem verseuchten Fluss in Sri Lanka
Bild: © Amantha Perera/IPS

Stockholm, 29. September (IPS) - Ein Geschenk der Natur oder ein wertvoller Rohstoff? Ein Menschenrecht oder Luxus für eine privilegierte Minderheit? Wird künftig hauptsächlich der Agrarsektor oder die Industrie das kostbare Nass verbrauchen? Ganz gleich, welche Antworten auf solche Fragen gefunden werden - fest steht bereits, dass der Umgang mit Wasser im nächsten Jahrzehnt eines der wichtigsten Entwicklungsthemen sein wird.

Schätzungen zufolge haben nach wie vor etwa 768 Millionen Menschen keinen Zugang zu Süßwasser. Andere Untersuchungen gehen sogar von bis zu 3,5 Milliarden aus. Während sich die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten der Festlegung neuer Entwicklungsziele nähern, die nach 2015 die bisherigen Millenniumsziele ersetzen sollen, erscheint die Berücksichtigung des Wasserproblems bei den Planungen dringlicher denn je.

Laut dem jüngsten Weltwasserbericht (WWDR) wird der globale Wasserverbrauch bis 2050 um etwa 55 Prozent steigen. Grund dafür ist die zunehmende Nachfrage der Fertigungsindustrie (400 Prozent), der Wasserkraftwerke (140 Prozent) und der Privathaushalte (130 Prozent).


"Planet der Städte"

Da die Urbanisierung stetig fortschreitet, könnte ein "Planet der Städte" entstehen, auf dem ungefähr 40 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten leben werden, in denen ein gravierender Mangel an Wasser besteht. Die Grundwasserspiegel sinken, und etwa 20 Prozent aller Wasseradern auf der Erde werden wahrscheinlich übernutzt sein. Zudem beeinträchtigt die Degradation der Feuchtgebiete die Fähigkeit der Ökosysteme, für sauberen Wassernachschub zu sorgen.

Die Ergebnisse des Weltwasserberichts legen nahe, dass die globale Nachfrage nach Energie, die bis 2013 um ein Drittel zunehmen soll, die ohnehin schon begrenzten Quellen weiter dezimieren wird. Allein die Nachfrage nach Strom soll bis 2035 um 70 Prozent in die Höhe schnellen. China und Indien werden laut WWDR für die Hälfte dieses Wachstums verantwortlich sein.

Angesichts dieser bedenklichen Entwicklung sind sich Wasserexperten in aller Welt einig, dass der Umgang mit der kostbaren Ressource einen wichtigen Platz innerhalb der noch zu definierenden Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG) einnehmen muss.

"Wir beraten über die Ziele, und die meisten Mitgliedstaaten sind sich bewusst, dass die Nutzung von Wasser besser abgestimmt und gehandhabt werden muss", sagte Amina Mohammed, SDC-Sonderberaterin von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Anfang September am Rande der diesjährigen Stockholmer Weltwasserwoche. Die Ziele, die von den Mitgliedsstaaten gemeinsam vereinbart werden sollten, müssten klarer definiert werden, meinte sie.

Andere Experten kritisierten, dass der Umgang mit Wasser früher nie in die Entscheidungsfindung auf hoher Ebene einbezogen worden sei. "In den kommenden 30 Jahren wird der Wasserverbrauch um 30 Prozent steigen, und Wasser wird noch knapper werden", warnte Torgny Holmgren, geschäftsführender Direktor des Internationalen Wasserinstituts in Stockholm (SIWI).


Industrie bald wasserintensiver als Landwirtschaft

Die Art der Nutzung dieses Rohstoffes verändere sich auf der ganzen Welt drastisch, so Holmgren. Die traditionelle Landwirtschaft sei bisher der größte Konsument von Süßwasser, werde in der nahen Zukunft jedoch voraussichtlich von der Fertigungsindustrie überholt werden, sagte er. "Mehr als ein Viertel des Wassers auf der Erde wird vom Energiesektor verbraucht werden."

Insbesondere Entwicklungsländer geraten angesichts dieser Probleme in eine Zwickmühle. Die Zahl der Menschen im Süden, die den Aufstieg aus der Armut in die zahlungskräftigen Mittelschichten schaffen, nimmt weiter zu. In der Folge steigt auch die Nachfrage nach Energie, wodurch sich der Druck auf die knappen Wasserreserven gewaltig erhöht.

Dieser demografische Wandel werde durch erstaunliche Zahlen veranschaulicht, sagte Kandeh Yumkella, der Bans Lieblingsprojekt 'Nachhaltige Energie für alle' (SE4ALL) leitet. Bis 2050 würden drei Milliarden Menschen die Armut hinter sich lassen, erklärte er. 60 Prozent der Weltbevölkerung lebe dann in Städten. "Jeder wird dann von allem mehr verlangen: mehr Häuser, mehr Autos und mehr Wasser. Und das in einer Welt, in der die Temperaturen wahrscheinlich um mindestens zwei bis drei Grad Celsius steigen werden."

Südasien, wo 75 Prozent der insgesamt rund 1,7 Milliarden Einwohner in ländlichen Gebieten leben, ist besonders anfällig für Wasserkrisen. Sri Lanka beispielsweise ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dem Wassermanagement in der Politik hohe Priorität einzuräumen. Während sich die Klimamuster verändern, verliert der Inselstaat aufgrund des schlechten Umgangs mit Wasser einen erheblichen Teil seines Wachstumspotenzials.

In den vergangenen zehn Jahren waren neun Millionen Menschen - fast die Hälfte der Bevölkerung von Sri Lanka - von Überschwemmungen betroffen. Laut den jüngsten Daten des UN-Nothilfekoordinators OCHA haben übermäßige Regenfälle auf der Insel Sachschäden im Umfang von rund einer Milliarde US-Dollar verursacht.


Anhaltende Dürre in Sri Lanka

Dennoch leidet Sri Lanka an chronischer Wasserknappheit. 15 der 25 Bezirke des Landes, in denen 1,5 Millionen Menschen leben, sind von einer seit zehn Monaten andauernden Dürre betroffen. Infolgedessen wird die nächste Reisernte voraussichtlich um 17 Prozent sinken. Das wäre der niedrigste Stand seit sechs Jahren. Wie Experten erklären, versucht das Land derweil sein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent zu halten.

Seit in Sri Lanka nur noch sehr unregelmäßig Regen fällt, hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, die auf lange Sicht jedoch mehr schaden als nutzen könnten. In den vergangenen drei Jahren ist der Staat zunehmend auf die Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke umgestiegen, die als 'schmutzige' Energiequellen gelten. Offiziellen Daten zufolge werden zurzeit 46 Prozent der gesamten Elektrizität aus Kohle gewonnen.

Finanzminister Punchi Banda Jayasundera und Präsidialamtssekretär Lalith Weeratunga erklärten gegenüber IPS, dass sie sich mit dem Wassermanagement befassen. Mohammed und Yumkella drängen jedoch auf eine möglichst baldige Problembehandlung. "Wird die Wasserfrage nicht berücksichtigt, können entweder die Entwicklungsziele nicht erreicht werden, oder die Wasserressourcen geraten unter hohen Druck", sagt Richard Connor, Hauptautor des Weltwasserberichts 2014.


Indien und China ebenfalls gefährdet

Auch für Indien und China sind die Zukunftsaussichten in dieser Hinsicht düster. Wie aus dem Report 'A Clash of Competing Necessities' ('Ein Zusammenstoß konkurrierender Notwendigkeiten') der in Washington ansässigen Organisation 'CNA Analysis and Solution' hervorgeht, leben 53 Prozent der Inder in wasserarmen Gebieten. Der Energiebedarf des Subkontinents steigt aber in einem rasanten Tempo an. Wie eine 2012 durchgeführte Untersuchung darlegt, betrug die Kluft zwischen Energienachfrage und -versorgung in diesem Zeitraum 10,2 Prozent. Als Indien zuletzt im Juli 2012 eine schwerwiegende Energiekrise erlebte, waren 600 Millionen Menschen ohne Strom.

Nach Angaben der Non-Profit-Organisation 'China Water Risk' wird sich der Energiebedarf in der Volksrepublik bis 2015 verdoppeln. Rund 60 Prozent der Grundwasserreserven des Landes sind bereits verschmutzt. China produziert einen großen Teil seines Stroms aus Kohle. Die steigende Nachfrage wird aber auch die Wasserquellen zunehmend unter Druck setzen. Laut Debra Tan, der Direktorin von China Water Risk, ist schon jetzt mindestens die Hälfte der rund 1,37 Milliarden Chinesen potenziell von Wassermangel betroffen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/water-a-defining-issue-for-post-2015/

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IPS-Tagesdienst vom 29. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2014