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BERICHT/039: 8. ExtremWetterKongress - Klimawandel menschengemacht (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 4/2013
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

8. Extremwetterkongress
(23.-27.9.2013, Hamburg)

von Erik Petersen



Der mittlerweile achte ExtremWetterKongress überraschte die gut 500 Kongressbesucher in diesem Jahr erneut mit einem innovativen Veranstaltungsort - der Kühne Logistics University - inmitten der HafenCity Hamburgs. Die örtliche Nähe zum Gelände der Internationalen Bauausstellung (IBA) bot die Chance zu interessanten Exkursionen zum nachhaltigen klimaschützenden Bauen.

Einen eigenen Beitrag zur Nachhaltigkeit lieferten die Veranstalter vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation (IWK), in dem sie ein Bildungsprogramm für 2.500 SchülerInnen aus Hamburg initiierten, das in der gleichen Woche stattfand.

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Der Klimawandel findet statt

Der inhaltliche Schwerpunkt ergab sich aus der zeitlichen Nähe zur Veröffentlichung des ersten Teils des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarates International Panel on Climate Change (IPCC) am 27.9.20131. Eine besondere Rolle spielte auch die offensichtliche Abschwächung des Temperaturanstiegs innerhalb der letzten zehn Jahre, was schon von Skeptikern als Ende des Klimawandels interpretiert wurde.

Die Referenten des Eröffnungsprogramms waren sich allerdings sicher, dass eine Periode von zehn Jahren mit einem geringerem Anstieg nichts außergewöhnliches sei und der Trend unverändert zu höheren Temperaturen gehen würde.

Der Vizepräsident des deutschen Wetterdienstes (DWD, Offenbach), Dr. Paul Becker, beantwortete seine selbst gestellte Frage "Findet der Klimawandel wirklich statt?" mit einem deutlichen "Ja!". Seiner Überzeugung nach ist der Mensch der bedeutsamste Faktor in Hinblick auf die Erwärmung. An einem permanentem Anstieg der Temperatur würden auch kurzfristige Stagnationen wie in den 1940er- und 2000er-Jahren nichts ändern, dadurch würde der Anstieg lediglich zeitweise etwas verlangsamt. Er konstatierte, dass die Modelle in der Vergangenheit nicht 100%ig sicher gewesen seien, sodass diese Stagnationsphasen nicht vorhergesagt werden konnten. Der beobachtete tatsächliche Temperaturverlauf ließe sich aber mit den fünf Antrieben Treibhausgasentwicklung (CO2), stratosphärische Aerosolkonzentration in Folge von Vulkanausbrüchen, troposphärische Sulfat-Aerosole, solare Einstrahlungsstärke und El Niño und die Südliche Oszillation (ENSO) erklären. Mit Blick auf die Hochwasser-Katastrophe an der Elbe im Sommer dieses Jahres prognostizierte er, dass mit derartigen typischen Tiefdrucklagen (sog. 5b, Troglage Mitteleuropa) in Zukunft öfters zu rechnen sein dürfte.

Der Hauptgrund für die aktuellen Entwicklungen ist in den Ozeanen begründet, verdeutlichte Prof. Mojib Latif (GEOMAR, Kiel). Der Meeresspiegel reagiere weniger hektisch als die Oberflächentemperatur. Trotz aktueller Stagnation im Temperaturanstieg werde der Meeresspiegel kontinuierlich weiter ansteigen. Was sich geändert habe, sei die Temperaturverteilung innerhalb der Ozeane. So sind im Süden die tieferen Schichten der Ozeane unterhalb von 2.000 m deutlich wärmer geworden, was zu einer Erniedrigung des Anstiegs der Temperatur auf der Erdoberfläche geführt habe. Die tiefen Ozeane wirkten also als Speicher. In absehbarer Zeit würden diese aber die Wärme an die oberen Ozeanschichten wieder abgeben, was dann die jetzige Stagnationsphase in der Erhöhung der Oberflächentemperatur beenden würde.

Prof. Guy Brasseur (Climate Service Center, Geesthacht) bestätigte die bereits genannte Stagnation: so betrug der Temperaturanstieg pro Dekade in den 1990er-Jahren 0,2 Grad und seit dem Jahr 2000 nur noch 0,07 Grad. Er mahnte, dass der weltweite CO2-Ausstoß zuletzt wieder gestiegen sei und eine Einhaltung der 2 Grad-Grenze nur mit einer deutlichen Reduktion zu erreichen sei, zumal aufgrund der System-Trägheit ein hohes CO2-Niveau länger anhalten würde, sogar wenn die Quellen auf Null gefahren würden.

Über "Neue Erkenntnisse zu Trends bei Schäden durch Extremwetterereignisse und deren Antriebe" berichtete Prof. Peter Höppe (Munich Re). Nur zwei Schadensfälle machten in Deutschland schon jetzt das aktuelle Jahr zum zweitteuersten nach 2002. Neben den Überschwemmungen des Sommers mit ca. 9 Mrd. € Schaden schlugen die Hagelschläge am 27./28.7.2013 mit ca. 2,3 Mrd. € Schaden zu Buche. Ausschlaggebend für beide Ereignisse seien letztlich die zusätzliche Feuchtigkeit in der Atmosphäre durch erhöhte Meeresoberflächentemperaturen auf der Nordhalbkugel. Der Trend der Schadensereignisse mit höherer Frequenz, stärkerer Intensität und höheren Schadenssummen sei eindeutig dem Klimawandel geschuldet. Im Gegensatz dazu sei bei den Winterstürmen in Nordeuropa kein Trend erkennbar.

IPCC: Klimawandel ist menschengemacht

Auf der Abschluss-Pressekonferenz am 27.9.2013 nahmen einige Referenten direkt Bezug zum nun veröffentlichten IPCC-Bericht, der zeige, dass sich die erwarteten Temperaturszenarien und die Bewertung des menschlichen Einflusses nicht nennenswert geändert hätten. So liegt die Sicherheit für einen menschengemachten Klimawandel jetzt bei über 95 Prozent. Der IPCC spricht sehr vorsichtig davon, dass die Erwärmung seit 1950 "überwiegend", d.h. mehr als die Hälfte, durch den Menschen verursacht wird. Gleichzeitig werden die natürlichen Einflüsse auf die Temperaturentwicklung in diesem Zeitraum auf etwa 0,1 Grad beziffert, was deutlich weniger als die Hälfte dessen ist, was in diesem Zeitraum beobachtet wurde.

Prof. Latif fasste in seinem Resümee zusammen, dass es weiterhin möglich wäre mit engagierten weltweitem Klimaschutz die Erwärmung auf unter zwei Grad zu halten - auch wenn es momentan nicht erkennbar sei, dass es in naher Zukunft passieren wird.

Dr. Becker machte sich keine Illusionen, "... wenn wir so weitermachten wie bisher, so zeigen die Modelle eine globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 4 Grad. Damit würde sich der Trend zu mehr Extremereignissen bei Hitzewellen und hohen Temperaturen in Deutschland weiter fortsetzen."

Gegenüber dem IPCC-Sachstandsbericht 2007 trifft der nun vorliegende Bericht allerdings leicht veränderte Aussagen zum Meeresspiegel und zur Entwicklung der polaren Eismassen.

Prof. Peter Lemke (Alfred-Wegener Institut, Bremerhaven) erläuterte, dass in den Polarregionen massive Veränderungen vonstatten gingen: "Das grönländische Eis schmilzt mit einer Rate von 100 bis 350 Milliarden Tonnen pro Jahr. Das arktische Meereis schmilzt dramatisch und auch der antarktische Eisschild, insbesondere in der Westantarktis, reagiert inzwischen mit Eisverlusten auf das globale Temperaturniveau. ... Bei ungebremster Erwärmung wäre das Nordpolarmeer im Sommer Mitte des Jahrhunderts eisfrei. Noch wären durch ambitionierten Klimaschutz das Meereis der Arktis und das dazugehörige Ökosystem zu retten."

Wie Prof. Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) betonte, würde das verstärkte Abschmelzen der Eismassen den Meeresspiegelanstieg beschleunigen.

Klimafakten

Die Veranstalter stellten in einem Fact-Sheet die Klimafakten wie folgt zusammen:

  1. Wassertemperatur: Die Wassertemperaturen sind global von 1970 bis 2010 um 0,4 Grad gestiegen.
  2. Gletscher: 81 Prozent der weltweit untersuchten Gletscher ziehen sich aktuell zurück.
  3. Sauere See: Der Säuregehalt der Meere liegt bei pH 8,06 und damit höher als in den letzten 800.000 Jahren.
  4. Antarktis: Zwischen 1992 und 2011 hat die Antarktis jährlich im Mittel 71 Milliarden Tonnen Eis verloren.
  5. Arktis: Das Eismaximum der Arktis im Winter ist in den letzten 35 Jahren von 16,2 Mio. Quadratkilometer auf 14,5 Mio. Quadratkilometer zurückgegangen.
  6. Grönland: Grönland verliert jährlich 100 bis 350 Mrd. Tonnen Eis.
  7. Hitzerekorde: Die Hitzerekorde in Deutschland haben sich in den letzten 15 Jahren im Vergleich zu den 15 Jahren davor verdoppelt. 1980 bis 1996 im Mittel 27 Dekadenrekorde, 1997 bis 2012 im Mittel 54 Dekadenrekorde an 60 Stationen.
  8. Eisbär: In 75 Prozent der untersuchten Eisbärpopulationen gehen die Bestände zurück.
  9. Stürme: Die mittlere Zahl der schweren Stürme über dem Nordatlantik ist von 4,7 im Jahre 1986 auf 9,5 im Jahr 2012 angestiegen. In der Nordsee ist allerdings keine Windzunahme festzustellen.
  10. Hochwasser: Die Zahl der Wetterlagen mit hohem Hochwassergefahrenpotenzial (5b, Troglage Mitteleuropa) hat sich im Mittel vom Ende des 19. Jahrhunderts von 2,7 auf 9 im Jahre 2009 erhöht.
  11. CO2: In diesem Jahr wurden erstmals 400 ppm erreicht. Die höchste CO2-Konzentration seit mindestens 800.000 Jahren (40 % über der Vorindustriellen Zeit).
  12. Starkregen: Die mittlere Zahl der Tage mit Starkregen pro Jahr (über 30 Liter pro Quadratmeter) ist auf dem Hohenpeißenberg von 1879 bis 2006 von 3,5 auf 5,5 angestiegen.
  13. Meeresspiegel: Der Meeresspiegel ist global im Mittel von 1993 bis 2013 um etwa 60 Millimeter gestiegen.
  14. Entwaldung: Borneo: 80 Prozent Entwaldung zwischen 1980 und 2010. Südostasien: 33 Prozent Entwaldung 1973 bis 2009. Amazonasbecken: Entwaldung der Fläche Deutschlands binnen 10 Jahren.
Von Hitzewellen bis Permafrost

Aus der schier unerschöpflichen Themenbreite des weiteren Kongresses seien nur zwei hervorgehoben.(2)

Während über die Auswirkungen des Klimawandels auf Gletscher, das Meer- und Festlandeis bereits viel bekannt ist, sollte das Problem des Permafrostes nicht unterschätzt werden. Hier wurden auf dem Kongress aktuelle Untersuchungen vorgestellt, die große Veränderungen zeigen.

Aus Kanada berichtete Dr. Stephan Gruber (Carleton Universität, Ottawa) die Beobachtungen, dass Permafrost im Gebirge und in arktischen Tiefländern zu einem großen Teil bereits heute Auftauerscheinungen unterworfen sei. Das bedeutet, dass ein Teil des im Boden enthaltenen Eises schmilzt. In manchen Regionen könnte Permafrost so innerhalb von Jahrzehnten komplett tauen. An den meisten Orten aber würde der oft mehrere Meter bis hundert Meter mächtige Permafrost langsam über viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte in einem Zustand von langsamem Eisverlust überdauern: "Im Gebirge stellen Tauprozesse dabei oft ein Risiko dar, da Felsstürze, Hangrutschungen und Murgänge dadurch vermehrt und im Bezug auf Ihren Ort und Ihre Zeit überraschend auftreten können. Dieses gelte nicht nur für die Alpen, sondern auch für andere Gebirgsregionen wie z.B. die Region Karakorum-Hindukush-Himalaya, wo sehr viele Menschen nahe am Gebirgspermafrost leben."

Über ein Randthema des Kongresses, das unsere Leserschaft aber sicherlich besonderes interessieren dürfte, nämlich "Hitzewellen und Gesundheit" referierte Dr. Christiane Koppe-Schaller (Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung; DWD, Freiburg).

Hitzewellen gehörten einerseits zwar zu den Extremereignissen, die allerdings ein geringeres mediales Aufsehen erregten als beispielsweise Überschwemmungen, führten aber häufig zu einer sehr hohen Anzahl an zusätzlichen (hitzebedingten) Todesfällen. So forderte der "stille Killer" während des Jahrhundertsommers 2003 in Europa bis zu 70.000 zusätzliche Sterbefälle und während der Hitzewelle in Osteruropa im Jahr 2010 allein in Moskau über 11.000 Todesfälle.

Überraschenderweise gibt es bis heute keine quantitative Definition des Begriffs "Hitzewelle", musste die Referentin einräumen. Qualitativ lässt sich eine Hitzewelle als Periode mit für die Region ungewöhnlicher thermischer Belastung beschreiben, die in der Regel mit einer fehlenden nächtlichen Abkühlung einhergeht.

Der Grund für die verhältnismäßig hohe Anzahl hitzebedingter Todesfälle liegt darin, dass Menschen als Warmblütler eine Körperkerntemperatur von rund 37 Grad benötigen, um eine optimale Funktionsweise des Organismus sicher zu stellen. Das bedeutet, dass der menschliche Körper ständig dafür sorgen muss, dass sich Wärmegewinn z.B. durch den Grundumsatz bedingt und Wärmeverlust an die Umgebung die Waage halten. Im Mittel müssen ca. 1 Grad pro Stunde an Wärme abgeführt werden. Die beiden effektiven Wege hierfür sind das Schwitzen und die damit verbundene Erzeugung von Verdunstungskälte und der Transfer von Wärme aus dem Körperinneren über das Blut in die Peripherie. Der Wärmehaushalt ist somit eng an den Wasser- und Salzhaushalt sowie die Herz-Kreislaufregulation gebunden. Da der Thermoregulation im menschlichen Organismus eine höhere Priorität eingeräumt wird als beispielsweise dem Wasserhaushalt oder der Blutdruckregulation, kann es unter warmen Bedingungen zu wärmebedingter Morbidität und Mortalität kommen.

Die direkten Hitzeeinwirkungen Hitzekoller, Hitzekrämpfe (durch Dehydrierung), Sonnenstich und Hitzschlag spielten zahlenmäßig dabei eine wesentlich geringere Rolle als die indirekten Einwirkungen auf die Gesamtsterblichkeit: über 25 Grad steigt diese um 1 % an. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze wellen lassen sich aber auch bei der Betrachtung einzelner Todesursachen finden.Während der Hitzewelle im Sommer 2003 stieg in Baden-Württemberg beispielsweise sowohl die Gesamtmortalität an, als auch die durch ischämische (koronare) Herzkrankheiten bedingte Sterblichkeit. Ischämische Herzkrankheiten sind durch eine verminderte Blutzufuhr des Herzens gekennzeichnet, welche durch eine Verengung der Herzkranzgefäße verursacht wird. Zu Ihnen gehören u.a. Angina Pectoris und Myokardinfarkt. Der Anstieg der durch ischämische Herzkrankheiten bedingten Todesfälle während Hitzewellen lässt sich mit einer möglichen Erhöhung der Blutviskosität erklären, die aus einem Entzug des Wasser, welches für die Körperkühlung (Schwitzen) benötigt wird, resultieren kann.

Frau Koppe-Schaller hielt es für sehr wahrscheinlich, dass der Klimawandel zu mehr und intensiveren Hitzewellen führen werde. Um die daraus resultierenden Gesundheitsauswirkungen gering zu halten, seien rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen wichtig. Ihr Arbeitgeber, der Deutsche Wetterdienst habe deshalb seit 2005 ein Hitzewarnsystem eingerichtet, das sich an die Öffentlichkeit, aber insbesondere an Alten- und Pflegeeinrichtungen richtet. Daneben gäbe es insbesondere stadtplanerische Maßnahmen und eine angepasste Bauweise, die helfen könnten, die Wärmebelastung für die Bevölkerung und damit verbundene Gesundheitsauswirkungen zu minimieren.



Kontakt:

Erik Petersen
Redaktion umwelt medizin gesellschaft
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Anmerkungen

1) Der Beitrag der so genannten 'Working Group 1' des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) fasst den aktuellen Stand des Wissens zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammen. Weitere Informationen unter
http://www.climate-service-center.de/039239/index_0039239.html.de.

2) Weitere Informationen siehe http://extremwetterkongress.de/.

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Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft, Nr. 4/2013, S. 302-304 - 26. Jahrgang
Verlag: UMG Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2014