Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → KLIMA

FEHLER/010: Die Ironie des CDM - Viel Kohle für Kohle (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
2010 Entscheidungsjahr für die Biologische Vielfalt

Die Ironie des CDM
Viel Kohle für Kohle

Von Eva Filzmoser


Im Kampf um das Klima haben nun auch Braunkohleprojekte ihren Weg in den Clean Development Mechanism (CDM) gefunden. Die Registrierung des ersten CDM-Kohlekraftwerkes weltweit im Dezember 2009 hat auch den Energiekonzern RWE dazu ermutigt, bei dem Kohle-Tausch mitzumachen und ein Projekt zur Anerkennung im CDM einzureichen. Für Umweltorganisationen ein Grund mehr, den CDM als Klimaschutzmechanismus in Frage zu stellen.

Der Essener Konzern RWE ist überaus stolz auf sein erstes Klimaschutz-Projekt in Sambia.[1] Dort sollen von RWE finanzierte, innovative Biomasse-Herde die umweltschädliche Herstellung und Nutzung von Holzkohle durch nachwachsende Biomasse ersetzen. Bis Ende 2010 sollen 30.000 bedürftige Haushalte mit RWEs Kochsystemen ausgestattet sein und so jährlich 130.000 Tonnen Kohlendioxid (CO2) reduzieren.[2] RWE betreibt solche Projekte jedoch nicht aus purer Nächstenliebe.

Hintergrund der RWE-Investitionen ist der sogenannte "Clean Development Mechanism" (CDM), ein Instrument, das mit dem Klimaschutzabkommen von Kyoto geschaffen wurde. Durch diesen "Mechanismus zur umweltgerechten Entwicklung" können sich europäische Industrieunternehmen anderswo erbrachte CO2 -Einsparungen zu Hause auf die Klimabilanz anrechnen lassen. Für jede eingesparte Tonne CO2 erhalten die Investoren ein Zertifikat mit dem sie ihre Klimaschutz-Vorgaben erfüllen können. Für die Firmen ist das wesentlich billiger als selbst den Ausstoß von CO2 zu reduzieren.


Kohlekredite von "effizienten" Kohlekraftwerken

Das CDM-Portfolio umfasst jedoch nicht nur Vorzeigeprojekte wie RWEs Sambia Projekt. Im Rahmen des CDM können auch Zertifikate durch den Bau von effizienten, sogenannten "überkritischen" Kohlekraftwerken erzeugt werden. Dabei wird behauptet, dass der Bau eines neuen, besonders effizienten Kohlekraftwerkes den Bau eines Kohlekraftwerkes mit älterer Technologie verhindern würde. Die Emissionen die so eingespart werden, können dann auf dem Kohlemarkt an den Mann gebracht werden. Trotz massiver Kritik wurde im Dezember 2009 das erste Kohlekraftwerk weltweit als CDM-Projekt registriert.

Nach den CDM-Regeln der Vereinten Nationen dürfen nun zwei 660 MW Kraftwerke in Indien, mit deren Bau 2010-2011 begonnen wird, 10 Jahre lang knappe 2 Millionen Kohlekredite jährlich erzeugen. Käufer dieser Kredite sind offiziell noch nicht bekannt.

Zeitgleich reichte auch RWE den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes in der chinesischen Stadt Ningbo (Distrikt Beilun, Provinz Zhejiang) zur Anerkennung als CDM-Projekt beim UNKlimasekretariat ein. Wohlgemerkt war dieses Projekt schon vormals von der Investmentbank Lehman Brothers geplant gewesen. Diese musste jedoch im Zuge der Finanzkrise 2008 Insolvenz anmelden und übergab das Kaufrecht an den Kohlekrediten RWE. Weil es technisch auf dem neuesten "überkritischen" Stand sei, würde das Kohlekraftwerk mehr als 460.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, so die Projektunterlagen. Duzende Organisationen stellten daraufhin den CDM als Klimaschutzmechanismus in Frage und reichten passenderweise am letzten Tag des gescheiterten Klimagipfels in Kopenhagen 55 kritische Kommentare zu dem Projekt ein.[3] Eine Rekordzahl seit es den CDM gibt, denn durchschnittlich werden höchstens 1-2 Kommentare pro Projekt abgegeben wobei der Großteil der Projekte nie von der Öffentlichkeit kommentiert wird.


Fiktive Emissionsreduktionen zu Lasten des Klimas

Hauptkritikpunkt ist die fehlende Zusätzlichkeit der CDM-Kohlekraftwerke. Experten der Stanford Universität in den USA haben in mehreren Kommentaren [4] belegt, dass die insgesamt 14 Kohleprojekte in Indien und China, die sich gerade um CDM Anerkennung bewerben, auch ohne zusätzliche CDM-Finanzierung gebaut werden. Denn sowohl in Indien als auch in China sind "überkritische" Kohlekraftwerke längst üblich um den steigenden Energiebedarf zu decken. Das heißt dass Kohlekredite von diesen Projekten keine echten Reduktionen darstellen. Im Fall von RWE bedeutet dies, dass RWEs Kohlekraftwerke ihre Klimaschutz-Vorgaben mit Kohlekrediten von neuen Kohlekraftwerken in China begleichen können. Obwohl die Ironie dieses Kohle-Tausches die Glaubwürdigkeit des CDM schon genug in Frage stellt, kommt noch hinzu dass diese Kohle-Kohlekredite gar keine echten Emissionsreduktionen repräsentieren. In Summe unterstützt der CDM hier also Energiekonzerne bei der Erreichung ihrer Klimaschutz-Vorgaben zu Lasten des Klimas.


Greenwashing

RWEs Projekte wie das Biomasse-Herd Projekt in Sambia sind wünschenswert. Solange aber RWE die Emissionen seiner ineffizienten Braunkohleprojekte mit schmutzigen Krediten von Kohlekraftwerken in China oder durch billige Kredite von Industriegasreduktionen oder zerstörerischen Großwasserkraftwerke rechtfertigt, wird auch ein noch so gutes Projekt zum "greenwashing"-Projekt.

Außer RWE sind noch Japans MITSUI & CO, Großbritanniens EcoSecurities und Carbon Resource Management sowie das Schweizerische Unternehmen Bunge Emissions Holdings an Projekten in China und Indien beteiligt. Insgesamt sind knappe 22 Mio. Tonnen CO2-Emissionsreduktionen von den 14 Projekten bis 2012 zu erwarten. Bei einem Marktpreis von 12 EUR/Tonne CO2 würden diese satte 264 Mio. EUR einbringen.

CDM Watch setzt sich dafür ein, dass im Rahmen des CDM keine Kohlekredite durch die Anerkennung von Kohlekraftwerken erzeugt werden.

Die Autorin ist Koordinatorin von CDM Watch, einem Projekt des Forums Umwelt und Entwicklung gemeinsam mit zahlreichen NGOs aus aller Welt.


1 http://www.presseportal.de/pm/25081/1514323/rwe_power_ag
2 UNEP Risoe Centre, http://www.cdmpipeline.org/
3 http://cdm.unfccc.int/Projects/Validation/DB/SKOZNDXEI13U564FI1B8A44X55PKHV/view.html
4 http://www.cdm-watch.org/?page_id=711


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010, S. 36
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010