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FORSCHUNG/276: Plädoyer für ein Weltklimaabkommen (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 4/2008

Klimaschutz ohne Grenzen

Von Prof. Carl Christian von Weizsäcker


Die Zukunft der globalen Energieversorgung und die Zukunft des Weltklimas: Diese beiden Problemfelder fordern nicht allein technische Neuerungen, sondern bedürfen ebenso weitreichender Regelungen auf politischer Ebene. Carl Christian von Weizsäcker, Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut zur Erforschung der Gemeinschaftsgüter in Bonn, schlägt dafür als Grundlage einen völkerrechtlichen Vertrag vor - ein Weltklimaabkommen, das einzelnen Staaten handelbare CO2-Emissionsrechte zuteilt.(*)


Soll das globale Klima so stabilisiert werden, dass die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um nicht mehr als 2 Grad Celsius steigt, muss der Ausstoß von CO2 und anderer Treibhausgase bis zur Mitte dieses Jahrhunderts mindestens um die Hälfte des gegenwärtigen Werts reduziert werden. Um das zu erreichen, müssen alle großen Emittenten von CO2 durch einen völkerrechtlichen Vertrag gebunden werden. Partner eines solchen Weltklimaabkommens wären also die Kyoto-Staaten als Einheit, ferner die USA, Brasilien, Russland, Indien und China. Den einzelnen Mitgliedsstaaten sind dann CO2-Emissionsrechte zuzuteilen - die aber handelbar wären. Diesem Handel dient ein Fonds, der CO2-Rechte ankauft und verkauft und auf diese Weise den Weltmarktpreis für CO2 stabilisiert, anfänglich etwa bei 40 Euro je Tonne CO2.

Dieser Gedanke von weltweit handelbaren Emissionsrechten folgt der ökonomischen Theorie, wonach ein solcher Markt für ein homogenes Gut dafür sorgt, dass dieses knappe Gut dort eingesetzt wird, wo es seine effizienteste Verwendung findet. Das praktische Problem, sich auf die Emissionsmengen für einzelne Staaten zu einigen, wird ein Kernthema der Verhandlungen sein, die zu dem künftigen Weltklimaabkommen führen. Dabei müssen die Zielpfade jedenfalls dahin führen, dass um die Mitte dieses Jahrhunderts die CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung in allen Ländern gleich groß sind. Von der Struktur des Weltklimaproblems her wissen wir, dass es nicht genau auf den Zeitpunkt ankommt, wann CO2 emittiert wird. Es muss nur dafür gesorgt werden, dass die CO2-Emissionen kumulativ und auf Dauer zurückgehen. Hierbei kann es durchaus sinnvoll sein, zu Anfang höhere CO2-Emissionen in Kauf zu nehmen, wenn es dadurch leichter wird, die CO2-Emissionen auf Dauer stärker zu reduzieren. Diesen Gedanken kann man am Beispiel China verdeutlichen (analoge Überlegungen gelten aber auch für Indien oder Brasilien). China war bis vor Kurzem ein sehr armes Land.

Durch die Hinwendung zur Marktwirtschaft befindet es sich nunmehr in einem stürmischen Aufholprozess des wirtschaftlichen Wachstums. Der Lebensstandard der chinesischen Bevölkerung verdoppelt sich jeweils in weniger als zehn Jahren. Wenn man diesen Wachstumspfad in die Zukunft bis in die Mitte des Jahrhunderts fortschreibt, dann bedeutet dies, dass China schon vor der Jahrhundertmitte denselben Pro-Kopf-Reichtum erreicht hat wie heute Europa.

Nun lehrt die historische Erfahrung, dass das Umweltbewusstsein mit steigendem Lebensstandard wächst. Wer heute hungert, denkt nicht an die fernere Zukunft. Für ihn hat Priorität, jetzt genug zu essen zu bekommen, um zu überleben. Kann eine Bevölkerung sich ernähren, so beginnt sie sich um Wohnung und Kleidung zu kümmern. Danach interessiert sie sich für eine gute Ausbildung ihrer Kinder und für die eigene Gesundheit. An dieser Stelle beginnt das Umweltbewusstsein; denn es ist ja nicht zu leugnen, dass Umweltverschmutzung in der Regel auch mit Gesundheitsschäden einhergeht. Zuerst denkt man an die lokale Umwelt. Es werden nun Filter in die Kraftwerke eingebaut, die Kohlestaub, Schwefeldioxid und andere gesundheitsschädliche Substanzen zurückhalten. Bei weiter steigendem Lebensstandard wird dann auch das Klimaproblem bedeutsam für die Bevölkerung.

So bekommt man das paradoxe Ergebnis, dass das wirtschaftliche Wachstum zwar einerseits schädlich für die Stabilisierung des Weltklimas ist, dass es aber andererseits die subjektive, psychologische Voraussetzung dafür ist, die Bevölkerung für die Stabilisierung des Klimas zu interessieren. Da es unbedingt erforderlich ist, dass China in ein Weltklimaabkommen mit einbezogen wird, sollte man deshalb zunächst der chinesischen Bevölkerung erhebliche CO2-Emissionsrechte konzedieren, sodass von daher das dortige Wirtschaftswachstum nicht gebremst wird. Dies allerdings zu dem Preis, dass China sich heute schon verpflichtet, die CO2-Emissionen in späteren Jahrzehnten entsprechend dem Abkommen zu reduzieren. Ein solches Vorgehen hätte erstens den Vorteil, China dazu zu bewegen, einem solchen Abkommen beizutreten, und zweitens den Vorzug, den Preis der Emission von CO2 in China sogleich auf das Niveau des Weltmarktpreises anzuheben. Die Opportunitätskosten der Emission von CO2 würden dann auch für ein Land wie China steigen, obwohl China mehr Emissionsrechte zugeteilt bekommen hat, als es gegenwärtig braucht; denn alle nicht benötigten CO2-Emissionsrechte können an den Fonds verkauft werden.

Damit ist für die chinesische Regierung ein Anreiz geschaffen, den CO2-Preis auch auf dem einheimischen Markt auf diesem Weltniveau festzusetzen und so einen effizienten Allokationsmechanismus für CO2 zu installieren. Dies kann sofort nach Abschluss des Weltklimaabkommens geschehen. Ein solches Vorgehen würde auch den Wachstumsprozess in China in keiner Weise beeinträchtigen, denn der Verteuerung des Stroms durch dieses CO2-Regime stehen die zusätzlichen Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Rechten an den Fonds gegenüber, die ja ihrerseits Geldmittel sind, die wieder in den Investitionsprozess für das Wirtschaftswachstum einfließen können.


Wind- und Solarenergie haben keine Priorität

Konfrontiert man die Notwendigkeit eines Weltklimaabkommens, wie es hier skizziert wurde, mit den oben vorgestellten Energieprognosen der IEA, so ist völlig klar, dass das Weltklimaproblem nur gelöst werden kann, wenn es gelingt, die CO2-Abscheidung und -sequestrierung (Einlagerung) beim Verbrennen von Kohle, Öl oder Gas in großen Anlagen technisch in den Griff zu bekommen und wirtschaftlich zu erträglichen Kosten durchzuführen. Noch so viele Windräder, Solaranlagen und Kernkraftwerke können Clean Coal nicht ersetzen. Technisch gesehen ist der wichtigste Beitrag, den ein Land wie Deutschland zur Lösung des Klimaproblems leisten kann, dass es der Welt vorführt, wie Clean Coal funktioniert. Das wäre um ein Vielfaches wichtiger als die Förderung von Windenergie oder Solarenergie.

Diese Aussage wird zusätzlich untermauert durch die Überlegungen, die der Ökonom Hans-Werner Sinn im Hinblick auf das Klimaproblem angestellt hat. Er weist darauf hin, dass die Exportländer von fossilen Energierohstoffen - also Kohle, Erdöl und Erdgas - am Absatz ihrer Ware interessiert sind, ja noch lange Zeit darauf angewiesen bleiben. Der Weltmarktpreis für diese Waren bildet sich durch Angebot und Nachfrage.
Wenn nun durch zusätzlichen Bau von Anlagen für erneuerbare Energien oder von Kernkraftwerken oder durch Energieeinsparung die Nachfrage nach Kohle und Erdgas zurückgeht, wenn die Nachfrage nach Erdöl zurückgeht, weil die Autofahrer gezwungen werden, zusätzlich Biosprit zu verwenden, dann führt dieser Nachfrageausfall kurz und mittelfristig vor allem zu einem Absinken des Preises dieser Energieträger, also zu einem niedrigeren Ölpreis, zu einem niedrigeren Gaspreis und wahrscheinlich auch zu einem niedrigeren Kohlepreis.

Dadurch aber wird an anderen Orten der Welt dann umso mehr Kohle, Gas und Öl verwendet, bis wieder ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Nach einer extremen Variante der "Sinn-These" reduzieren die Förderung erneuerbarer Energien und der Bau zusätzlicher Kernkraftwerke die CO2-Emissionen gar nicht. Sie werden dadurch nur verlagert. Nachdem wir nun einmal über Jahrhunderte - und verstärkt in den vergangenen Jahrzehnten - auf fossile Brennstoffe gesetzt und damit das Angebot durch technischen Fortschritt und hohe Investitionen herausgelockt haben, werden wir dieses Angebot so schnell nicht mehr los. Der Drang der Anbieter, also etwa der Staaten am Persischen Golf oder anderer Erdöl exportierender Staaten, ihre Kassen mit diesen Exporten zu füllen, kann nur dann mit einer erfolgreichen Klimapolitik kompatibel gemacht werden, wenn man mithilfe von CO2-Abscheidung und Sequestrierung dafür sorgt, dass dieses Angebot eben nicht oder nur in vermindertem Maße zu CO2-Emissionen führt.

Die Frage, wie stark dieser "Sinn-Effekt" ist, kann nur empirisch beantwortet werden. Wie viel von einem Kubikmeter Erdgas oder einer Tonne Steinkohle, die durch den Bau von Windkraftanlagen an einer Stelle der Welt eingespart werden, verschwindet vom Weltmarkt, weil der gesunkene Preis dieses Energieträgers seine Förderung unrentabel macht? Wie viel von diesem eingesparten fossilen Energieträger wird anderweitig auf der Welt zusätzlich verbraucht, weil der gesunkene Preis diesen Einsatz nunmehr rentabel macht?

Unterstellt man im Rahmen einer Beispielrechnung, dass die langfristige Nachfragekurve nach fossilen Energieträgern dieselbe Steigung (mit negativem Vorzeichen) hat wie die langfristige Angebotskurve (mit positivem Vorzeichen), dann bewirkt jede technische Einsparung fossiler Energieträger durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger, durch zusätzliche Kernenergie, durch zusätzliche Energieeinsparmaßnahmen, durch Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum, dass die Hälfte der so eingesparten fossilen Energie über den gesunkenen Preis anderweitig zusätzlich verbrannt wird. Das hat zur Folge, dass der Nettoeinspareffekt aufgrund des "Sinn-Effekts" nur halb so groß ist, wie er ohne diesen Effekt wäre.

Demgegenüber ist die Netto-Wirkung der CO2-Einsparung bei Clean Coal aufgrund des "Sinn-Effekts" sogar größer als die anfängliche technische Einsparung. Denn die Sequestrierung von CO2 bei Kohlekraftwerken kostet ja zusätzliche Energie. Also benötigt man bei Clean Coal mehr Kohle pro Kilowattstunde Strom als ohne die Sequestrierung. Obwohl also mit Clean Coal die CO2-Emissionen sinken, vermehrt sich durch sie die Nachfrage nach Kohle. Insofern hat diese Art der Einsparung von CO2-Emissionen im Gegensatz zu den anderen Arten einen preissteigernden Effekt für fossile Energieträger mit der Folge, dass die Nachfrage in den Anwendungsbereichen, in denen keine Sequestrierung stattfindet, zurückgeht.

Für eine Tonne sequestrierten CO2 ergibt sich damit eine Gesamteinsparung von CO2, die sogar größer ist als eine Tonne. Der Klimaeffekt einer Tonne technisch eingesparten CO2 durch Sequestrierung ist damit wesentlich größer als der Klimaeffekt einer technisch eingesparten Tonne CO2 durch erneuerbare Energien oder durch Kernenergie.

Abschließend noch einige Bemerkungen zur Klimapolitik in ihrer europäischen und nationalen Umsetzung. Das im Jahr 1997 geschlossene Kyoto-Abkommen umfasst 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen - soweit es sich um diejenigen Staaten handelt, die tatsächlich Minderungspflichten übernommen haben. Diese Minderungspflichten liegen in der Größenordnung von zehn Prozent verglichen mit dem Ausgangswert von 1990. Es handelt sich bei diesen Staaten überwiegend um wirtschaftlich langsam wachsende Staaten. Das bedeutet, dass ohne das Kyoto-Abkommen ihre CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2012 in der Größenordnung von zehn Prozent gewachsen wären.


Kyoto-Abkommen ohne nennenswerten Effekt

Damit bewirkt das Kyoto-Abkommen, dass die CO2-Emissionen innerhalb der Staaten, die sich zur Minderung verpflichtet haben, um durchschnittlich 20 Prozent niedriger liegen, als sie ohne das Abkommen gelegen hätten. Diese 20 Prozent beziehen sich auf 30 Prozent der weltweiten Emissionen. Sie machen damit sechs Prozent der weltweiten Emissionen des Ausgangsjahrs 1990 aus. Angesichts der Tatsache, dass die CO2-Emissionen weltweit (trotz Kyoto-Abkommen) zurzeit immer noch um 1,8 Prozent pro Jahr zunehmen, bedeutet diese einmalige Einsparung von sechs Prozent der weltweiten Emissionen nur eine Verzögerung des Wachstums der CO2-Emissionen um etwa drei Jahre. Mehr hat das Kyoto-Abkommen nicht erreicht. Sein direkter Effekt auf das Klima ist damit vernachlässigbar klein.

Das Kyoto-Abkommen ist also nur sinnvoll, wenn man unterstellt, dass das gute Vorbild, das Verhalten eines Musterschülers, das man hier an den Tag legt, andere Staaten der Weltgemeinschaft dazu veranlasst, sich an einem echten Weltklimaabkommen zu beteiligen. Es spricht einiges dafür, dass diese Verhaltensannahme stimmt. So ist etwa in den Vereinigten Staaten die Bereitschaft, aktive Klimapolitik zu betreiben, in den vergangenen Jahren doch stark gestiegen. Auch die chinesische Führung hat sich möglicherweise durch Kyoto beeindrucken lassen.

Allerdings ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Weltklimaabkommen unter Einschluss aller OECD-Staaten sowie Chinas, Indiens, Brasiliens und Russlands doch noch scheitert. Für diesen Fall bedarf es in Europa eines Plans B. Sollte es zu einem solchen Scheitern kommen, spricht manches dafür, die Klimapolitik auch in den Kyoto-Staaten zu beenden. Denn solange Industrieunternehmen aus diesen Staaten mit Unternehmen in den USA oder China konkurrieren müssen, die den Belastungen eines solchen Abkommens nicht unterliegen, ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen zulasten von Arbeitsplätzen und Wohlstand in den Kyoto-Staaten - und dies, das Scheitern vorausgesetzt, ohne jeden Effekt auf das Weltklima.

Außerdem führt die Abwanderung insbesondere der energieintensiven Industriezweige in die Nicht-Kyoto-Staaten dazu, dass die Emissionen gar nicht reduziert, sondern nur verlagert werden. Das alles macht dann keinen Sinn mehr. Es wäre sogar ein Stück weit eine verlogene Politik, wenn man sich einer CO2-Einsparung rühmt, die im Bereich des Kyoto-Akommens zwar stattgefunden hat, aber weitgehend wirkungslos bleibt, weil sie zu vermehrten CO2-Emissionen in anderen Weltgegenden geführt hat.

Ein zweiter Punkt ist, dass die Maßnahmen, die getroffen werden, um CO2-Emissionen zu reduzieren, zurzeit außerordentlich dirigistisch sind. Zum Teil sind sie deswegen sogar kontraproduktiv. Das zeigt das Beispiel Biosprit. Wenn aufgrund der Verpflichtung, dem Benzin Biosprit beizumischen, die Agrarpreise steigen, bedeutet dies zunächst einmal eine starke Benachteiligung des armen Teils der Weltbevölkerung, für die Nahrungsmittel immer teurer werden. Es bedeutet aber zweitens, dass mehr Kunstdünger ausgebracht wird. Denn die höheren Agrarpreise erhöhen die gewinnmaximierende Menge an eingesetztem Kunstdünger. Wie Paul J. Crutzen und Mitautoren gezeigt haben, ist das Ausbringen von Kunstdünger wegen des dabei entstehenden Spurengases Lachgas aber außerordentlich klimaschädlich. Im Saldo ist demnach die Beimischung von Biosprit, was Treibhausgase betrifft, emissionstreibend und nicht emissionshemmend.

Aber auch sonst ist der Staat nicht der beste Verwalter knapper Ressourcen. Das zeigen die miserablen Ergebnisse planwirtschaftlicher Versuche in der Menschheitsgeschichte, wenn man sie mit marktwirtschaftlichen Systemen vergleicht. Sinnvoll ist deshalb auch in der Klimapolitik ein Übergang zu Preismechanismen. Das oben skizzierte Weltklimaabkommen könnte damit auch ein Vorbild für eine effizientere Klimapolitik auf nationaler Ebene sein. Wenn heute etwa die Solarenergie in Form der Einspeisung von Solarstrom in das Netz zu einem Preis von fast einem halben Euro pro Kilowattstunde gefördert wird, dann ist das eine Form von Klimapolitik, die im Vergleich zu dem oben geschätzten Preis von 40 Euro pro Tonne eingesparter CO2-Emission deutlich zu teuer ist. Es werden damit Anlagen gefördert, deren Beitrag zur Emissionsminderung vielleicht 300 bis 400 Euro pro Tonne CO2 kostet.
Solche Extravaganzen in der Klimapolitik kann sich ein reiches Land natürlich leisten. Es zahlt dann eben der Stromkunde ein Stück mehr für seinen Strom. Aber man könnte die so verwendeten Ressourcen für den Klimaschutz wesentlich effizienter einsetzen und würde damit bei gleichen Kosten vielleicht ein Acht- bis Zehnfaches an Klimaschutz erreichen.


40 Euro pro Tonne als magische Grenze

Die Schätzung eines für die Klimapolitik ausreichenden Preises von 40 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent kann damit auch heute schon als Leitlinie für die Vorreiter-Politik bei der nationalen oder europäischen Klimapolitik dienen. Fördermaßnahmen und dirigistische Gebote und Verbote sollten daraufhin überprüft werden, ob sie CO2 zu Kosten einsparen, die unter 40 Euro pro Tonne liegen. Viele der heutigen klimapolitischen Instrumente würden diesen Test kaum bestehen.

Es muss gerade auch im Interesse einer nachhaltigen Klimapolitik liegen, dass diese effizient ausgestaltet ist. Ineffiziente, zu teure Klima-Instrumente werden letztlich angesichts der drängenden Probleme, die sonst noch auf die Politik einströmen, die Klimapolitik selbst diskreditieren. Wenn heute zum Beispiel der Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland auf Widerstand stößt, der zum Teil auch klimapolitisch begründet wird, dann wird die dadurch und durch den Ausstieg aus der Kernenergie zu erwartende Engpasssituation bei der Stromversorgung in der Bevölkerung zu einem Stimmungsumschwung führen, der sich dann auch negativ auf die Klimapolitik auswirken wird.

Als Fazit lässt sich deshalb festhalten: Sinnvoll ist allein ein Weltklimaabkommen, das zumindest die OECD-Staaten sowie China, Indien und Russland zu massiven Emissionsreduzierungen verpflichtet. Sie lassen sich nicht allein durch Energieeinsparung, Förderung erneuerbarer Energien und Kernenergie erreichen; auf Clean Coal kann nicht verzichtet werden. Der wichtigste Beitrag, der aus Deutschland technisch-wirtschaftlich kommen kann, ist das Vorführen von funktionsfähigen Anlagen für Clean Coal. Bestimmte Formen der Förderung erneuerbarer Energien hingegen, wie etwa die Zwangsbeimischung von Biosprit, sind klimapolitisch geradezu kontraproduktiv.


Prof. Carl Christian von Weizsäcker, geboren 1938 in Berlin, studierte Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften an deutschen und schweizerischen Universitäten. Nach Forschungsaufenthalten am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der University of Cambridge war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Von 1968 bis 1970 war Carl Christian von Weizsäcker Professor of Economics am MIT; es folgten Professuren an den Universitäten Bielefeld, Bonn, Bern und seit 1986 Köln. Dort leitete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 das Energiewirtschaftliche Institut. Seither ist er Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut zur Erforschung der Gemeinschaftsgüter in Bonn.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Anlagen zur Erzeugung von Clean Coal (oben) lassen sich von noch so vielen Windrädern, Solaranlagen (rechts) und Kernkraftwerken nicht ersetzen. Und der Welt vorzuführen, wie Clean Coal funktioniert, ist technisch gesehen der wichtigste Beitrag, den Länder wie Deutschland zur Lösung des Klimaproblems leisten können.

Auf einen fossilen Brennstoff wie Kohle - hier der Tagebau Garzweiler - kann nach Meinung des Autors in Zukunft nicht verzichtet werden.
Doch um Emissionen zu reduzieren, braucht es innovative Techniken wie etwa Clean-Coal-Kraftwerke.

(*) Der Text ist ein Auszug aus dem Beitrag "Internationale Energiepolitik", erschienen im Buch Die Zukunft der Energie


Die Zukunft der Energie

"Dass die Frage einer nachhaltigen Energieversorgung eine der zentralen Menschheitsfragen der nächsten Jahrzehnte darstellt, ist nicht erst seit den Ölpreissprüngen und Biospritdiskussionen der letzten Monate unbestreitbar. Auf der Suche nach Antworten spielt die Wissenschaft eine entscheidende Rolle. Denn nur durch intensive Forschung können neue Energiequellen für eine dauerhafte wirtschaftliche Nutzung erschlossen und die Möglichkeiten zur Speicherung von Energie erweitert werden."

Das schreiben Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, und Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, in dem von ihnen herausgegebenen Buch Die Zukunft der Energie. Allgemein verständlich behandeln Spezialisten darin wissenschaftlich fundiert die folgenden Themen:

- Ferdi Schüth - Grundlagen der Energiediskussion
- Jochem Marotzke und Erich Roeckner - Energie und Klima: Klimaprojektionen für das 21. Jahrhundert
- Carl Christian von Weizsäcker - Internationale Energiepolitik
- Hartmut Michel - Die natürliche Photosynthese: Ihre Effizienz und die Konsequenzen
- Hans-Joachim Queisser - Solarzellen auf Basis anorganischer Materialien
- Bruno Schmaltz, Randolf Schücke und Klaus Müllen - Polymerelektronik
- Rudolf K. Thauer - Biologische Methanbildung: Eine erneuerbare Energiequelle von Bedeutung?
- Friedrich Widdel - Erneuerbare Energieträger aus Mikroorganismen: Möglichkeiten und Grenzen
- Mark Stitt - Kontrolle des Pflanzenwachstums
- Walter Leitner - Kraftstoffe aus Biomasse: Stand der Technik, Trends und Visionen
- Markus Antonietti und Gerd Gleixner - Biomasse-Nutzung für globale Zyklen: Energieerzeugung oder Kohlenstoffspeicherung?
- Kai Sundmacher - Entwicklungslinien der Brennstoffzellentechnologie
- Robert Schlögl und Ferdi Schüth, Transport- und Speicherformen für Energie
- Joachim Maier - Neue Wege der Batterieforschung
- Alexander M. Bradshaw - Der Weg zu einer nachhaltigen Energiequelle: Die Erforschung der Kernfusion

Peter Gruss, Ferdi Schüth (Hrsg.):
DIE ZUKUNFT DER ENERGIE, Die Antwort der Wissenschaft
333 Seiten, C.H. Beck Verlag, München 2008, 16,90 Euro


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 4/2008, Seite 66 - 72
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2009