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FORSCHUNG/585: Messkampagne POLSTRACC - Starker Ozonabbau über der Arktis möglich (idw)


Karlsruher Institut für Technologie - 11.02.2016

Messkampagne POLSTRACC: Starker Ozonabbau über der Arktis möglich


Die arktische Stratosphäre war in diesem Winter bisher außergewöhnlich kalt, damit sind alle Voraussetzungen für das Auftreten eines starken Ozonabbaus in den nächsten Wochen gegeben. Diesen Schluss legen erste Ergebnisse der vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierten Messkampagne POLSTRACC nahe, die seit Ende 2015 in der Arktis läuft. Eine wesentliche Rolle spielen dabei vertikal ausgedehnte polare Stratosphärenwolken, die zuletzt weite Bereiche der Arktis bedeckten: An ihrer Oberfläche finden chemische Reaktionen statt, welche den Ozonabbau beschleunigen. Diese Wolken haben die Klimaforscher nun ungewöhnlicherweise bis in den untersten Bereich der Stratosphäre beobachtet.


Foto: © Laila Tkotz, KIT

Auftanken für den nächsten Flug: Von Anfang Januar bis Anfang Februar lief die erste Messphase vom schwedischen Kiruna aus, Phase zwei folgt ab Ende Februar
Foto: © Laila Tkotz, KIT

"Weite Bereiche der Arktis waren über einen Zeitraum von mehreren Wochen von polaren Stratosphärenwolken zwischen etwa 14 und 26 Kilometern Höhe bedeckt - Bedingungen wie sie eher im antarktischen Ozonloch erwartet werden als in der typischerweise deutlich wärmeren Arktis", sagt Björn-Martin Sinnhuber vom KIT, der die Messkampagne POLSTRACC gemeinsam mit seinem Kollegen Hermann Oelhaf koordiniert. An den Oberflächen polarer Stratosphärenwolken finden chemische Reaktionen statt, die passive Chlorverbindungen in reaktive Verbindungen überführen, die dann wiederum den stratosphärischen Ozonabbau triggern. Zudem können Partikel dieser Wolken nach unten sinken und der chloraktivierten Schicht - aktives Chlor ist eine der für die Ozonzerstörung hauptverantwortlichen Substanzen - reaktiven Stickstoff entziehen. Die Folge: Die Pufferung des aktiven Chlors fehlt, wodurch eine weitere Verstärkung bzw. zeitliche Verlängerung des Ozonabbaus bewirkt wird. Tatsächlich haben die Wissenschaftler bei ihren Messflügen in diesem Winter bereits Umverteilung von reaktivem Stickstoff und Anzeichen von Chloraktivierung beobachten können.


Foto: © Laila Tkotz, KIT

Per Lasersignal misst HALO polare Stratosphärenwolken
Foto: © Laila Tkotz, KIT

Die Untersuchung der polaren Stratosphäre unter dem Einfluss des Klimawandels ist das Ziel der Messkampagne POLSTRACC (kurz für "The Polar Stratosphere in a Changing Climate"), die mit dem deutschen Forschungsflugzeug HALO zusammen mit Partnern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Forschungszentrum Jülich (FZJ), den Universitäten Frankfurt, Mainz, Heidelberg und Wuppertal sowie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) durchgeführt wird. Erste Forschungsflüge fanden bereits im Dezember von Deutschland aus statt. Zwischen Anfang Januar und Anfang Februar wurde in insgesamt acht Forschungsflügen mit fast 70 Flugstunden vom nordschwedischen Kiruna aus die arktische Stratosphäre bis nahe zum Nordpol untersucht. Unterstützt wird die Kampagne durch bodengebundene Messungen von verschiedenen Stationen aus, Analyse von Satellitendaten und Modellrechnungen.

"Uns hat insbesondere überrascht, polare Stratosphärenwolken sogar bis hinunter in Höhen von ca. 14 Kilometern zu finden", so Björn-Martin Sinnhuber. "Dies sind Bedingungen, wie wir sie aus der Antarktis kennen, die für die Arktis aber sehr ungewöhnlich sind", ergänzt Hermann Oelhaf. Während sich über der Antarktis aufgrund der sehr kalten stratosphärischen Bedingungen in jedem Frühjahr ein Ozonloch bildet, ist über der Arktis starker Ozonabbau bisher nur in einigen wenigen Wintern beobachtet worden. Den Ozonabbau verursachen Chlor- und Bromsubstanzen, die in zurückliegenden Jahrzehnten in Form von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und anderen Substanzen emittiert wurden. Zwar ist die Produktion dieser Substanzen durch internationale Vertragswerke zum Schutz der Ozonschicht, wie das Montreal Protokoll, schon seit einigen Jahren weltweit verboten, die früheren Emissionen werden aber noch für Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleiben und nur sehr langsam abgebaut. Chlor und Brom können aber ihre Ozon zerstörende Wirkung besonders effektiv entfalten, wenn es über eine ausreichend lange Zeit sehr kalt ist. "Hier kommt der Klimawandel ins Spiel: Die Zunahme von Treibhausgasen, die zu einer Erwärmung bodennaher Luftschichten führt, bewirkt nämlich gleichzeitig eine Abkühlung der Stratosphäre, und dies kann selbst bei reduzierten Mengen an Chlor und Brom zu einem massiven Ozonabbau führen", so Oelhaf. Inwieweit der Klimawandel aufgrund der Emission von Treibhausgasen in der arktischen Stratosphäre das Auftreten eines 'Ozonlochs' begünstigen kann, ist ein wichtiges Thema der POLSTRACC-Kampagne.

In der letzten Februarwoche brechen die Forscher erneut in die Arktis auf, um dann bis Mitte März die weitere Entwicklung im Detail zu verfolgen. "Dann wird sich zeigen, ob die jetzt beobachteten Voraussetzungen auch tatsächlich zum Auftreten eines starken Ozonabbaus führen, oder ob sich eine aktuell beobachtete Erwärmung der Stratosphäre durchsetzt - die den Ozonabbau dann vielleicht noch abmildern kann", erläutert Sinnhuber. Dann gehe es auch darum, zu erforschen, inwieweit die chloraktivierte und ozonarme Luft ihren Weg in die stark bevölkerten mittleren Breiten finden wird.

Über HALO

Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).



Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt:
http://www.klima-umwelt.kit.edu

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Karlsruher Institut für Technologie, Monika Landgraf, 11.02.2016
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2016

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