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STIMMEN/106: Klimapolitik wird Bestandteil der deutsch-französischen Zusammenarbeit (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - Pressemitteilung, 22. Januar 2019

Klimapolitik wird Bestandteil der deutsch-französischen Zusammenarbeit

Gemeinsame Pressemitteilung der Umweltverbände: "Auf die hehren Worte müssen jetzt konkrete Taten folgen"


Berlin/Aachen/Paris, 22.1.2019: 56 Jahre nach Unterzeichnung des Elysée-Vertrags wollen Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit vertiefen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterzeichnen heute in Aachen einen neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

Im sogenannten 'Vertrag von Aachen' wird in einem der hinteren Kapitel eine engere institutionelle Zusammenarbeit in der Energie- und Klimapolitik festgeschrieben. Dabei geht es insbesondere um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie den gemeinsamen Ausbau von Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und Infrastrukturen. Nach Einschätzung deutscher und französischer Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fehlt es den entsprechenden Textabschnitten jedoch an Klarheit und ambitionierten Zielen. Ob Deutschland und Frankreich mit dem Vertrag neue Impulse in der Klimapolitik setzen, hängt somit vor allem von der Umsetzung der neuen Vorgaben ab.

Hermann Ott, Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzring (DNR) sagte: "Heute erneuern Angela Merkel und Emmanuel Macron in einem Festakt das Bekenntnis zur deutsch-französischen Freundschaft. Trotz vieler guter Ansätze kommt aus Sicht des Klimaschutzes keine wirkliche Feierstimmung auf. Dafür fehlen eine Vision, konkrete Maßnahmen und Ziele. Dabei fordern deutsche und französische Verbände seit langem gemeinsam, dass beide Länder ihre Energiewende und ihre Klimaschutzpolitik koordinieren. Gerade in Zeiten des Brexit würde eine ambitionierte, grenzübergreifende Klimapolitik als verbindende Klammer zwischen EU-Partnern wirken."

Morgane Créach, Geschäftsführerin vom Klimaaktionsnetzwerk Frankreich (RAC France) sagte:
"Angesichts der Klimakrise müssen Angela Merkel und Emmanuel Macron den Weg einer gemeinsamen deutsch-französischen Energiewende beschreiten. Gemeinsam können sie nicht nur Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen, sondern die Energiewende in beiden Ländern sozialverträglich gestalten. Um das zu erreichen, müssen beide Länder die Transformation ihrer Energieversorgung koordinieren, hin zum Ausstieg aus Atomstrom und Kohle. Die deutschen und französischen Verbände bedauern, dass ein solcher Plan nicht im Zentrum des Vertrags von Aachen steht und dass, obwohl er der die deutsch-französische Zusammenarbeit für die nächsten Jahrzehnte besiegeln soll und Europa ihn dringend braucht."

Deutsche und französische Umwelt- und Klimaschutzverbände äußerten sich wie folgt:

Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe:
"Wir fordern von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron, konkrete gemeinsame Schritte in den Bereichen Energieeffizienz und Förderung erneuerbarer Energien zu setzen. In der praktischen Umsetzung müssen Themen wie grenzüberschreitende Ausschreibungen für erneuerbare Energien oder der Ausstieg aus der fossilen und nuklearen Stromerzeugung auf beiden Seiten des Rheins nun ernsthaft angegangen werden."

Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz Energiepolitik und Klimaschutz, WWF Deutschland:
"Die europäische Energiewende braucht eine koordinierte Energiepolitik zwischen Deutschland und Frankreich, in der Deutschland aus der Kohle aussteigt und Frankreich aus der Atomkraft. Dazu steht leider kein Wort im neuen Aachener Vertrag. Auch nicht zu den nötigen Instrumenten, wie einem europäisch-regionalen CO2-Mindestpreis, der den Abschied aus fossilen Energiequellen beschleunigen würde. Das ist eine verpasste Chance."

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch:
"Es ist sehr begrüßenswert, dass die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 nun für die nächsten Jahrzehnte zu den Grundlagen der deutsch-französischen Freundschaft gehört. Dies bietet insbesondere in der Verkehrs-, Energie- und Digitalisierungspolitik die Möglichkeit zu gemeinsamem transformativem Handeln. Allerdings hätten wir uns ein klares Bekenntnis zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 gewünscht. In dieser Hinsicht ist die Europäische Kommission mit ihrer vorgestellten Klima-Langfriststrategie ehrgeiziger."

Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung, Greenpeace Deutschland:
"Es ist gut, dass der neue Elysee-Vertrag den Kampf gegen den Klimawandel betont. Aber Deutschland und Frankreich sind derzeit unfähig, den Ausstieg aus den schmutzigen und riskanten Energieträgern Atom und Kohle gemeinsam anzugehen. Frankreich zieht weiterhin Atomkraftwerke den erneuerbaren Energien vor, und Deutschland will noch jahrelang billige Kohle verbrennen. Kurz vor dem Brexit haben es die beiden verbleibenden Großmächte Europas verpasst, eine echte Wende in der europäischen Klima- und Umweltpolitik einzuleiten."

Arnaud Schwartz, Generalsekretär, France Nature Environnement:
"Was wir wirklich brauchen, ist ein neuer Masterplan. Angesichts der dramatischen Entwicklungen bei Biodiversität und Klimawandel müssen Angela Merkel und Emmanuel Macron wirtschaftspolitisch grundlegend etwas ändern: Investitionen aus nicht nachhaltigen Industrien abziehen, Subventionen für fossile Brennstoffe abschaffen, die Wohlstandsschere verringern und sicherstellen, dass die Kosten, die durch Konsumverhalten für unsere Umwelt entstehen, bezahlt werden. Mit anderen Worten, wir brauchen ein anderes Wirtschaftssystem, und der neue Vertrag von Aachen zeigt diesbezüglich weder Ehrgeiz, noch setzt er Prioritäten."

Clément Sénéchal, Campaigner, Greenpeace Frankreich:
"Mit diesem Vertrag verpflichten sich beide Länder ihre Wirtschaft zugunsten 'ehrgeiziger Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels' zu transformieren. Leider können sich Frankreich und Deutschland derzeit nicht auf einen koordinierten Ausstieg aus ihren umweltschädlichen Industrien und Energieträgern, Kohle und Atomkraft einigen. Es herrscht dringender Handlungsbedarf, da die Differenzen beider Länder auch die europäische Klimapolitik ausbremsen."

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Quelle:
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Pressemitteilung, 22.01.2019
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/25 89 86-0, Fax.: 030/25 89 86-19
Internet: www.duh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2019

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