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STIMMEN/203: Klima-Zeitbombe tickt - Regierungsparteien in Berlin schaffen sich ihre eigene Realität (BUND NI)


BUND Landesverband Niedersachsen e.V. - Hannover, 29. März 2023

BUND kritisiert Ergebnisse des Koalitionsausschusses auf Bundesebene aufs Schärfste


Drei Tage haben die Regierungsparteien in Berlin über Klimaschutz und Verkehrsinfrastruktur diskutiert. Die vorgestellten Ergebnisse sind nach Ansicht des BUND eine Kapitulation vor den größten Herausforderungen der Menschheit.


Susanne Gerstner, BUND-Landesvorsitzende: "Während die Klima-Zeitbombe tickt und das weltweite Artensterben unvermindert voranschreitet, schaffen sich die Regierungsparteien in Berlin ihre eigene Realität. Statt offensichtliche und längst überfällige Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakatastrophe und der Biodiversitätskrise zu ergreifen, lässt sich die Politik von der Autolobby vor sich hertreiben. Bereits jetzt klaffen ambitionierte Ziele der Klimagesetze und wirksame Maßnahmen weit auseinander. Doch statt die Anstrengungen zu intensiveren, will Kanzler Scholz das Klimagesetz aufweichen und die Möglichkeit schaffen, die Ziele an das eigene Versagen anzupassen."

Obwohl seit Jahren der Verkehrssektor die gesetzlich vorgeschriebenen Ziele verfehlt, konnte sich FDP-Verkehrsminister Wissing mit dem beschleunigten Ausbau von bis zu 144 Straßenbauvorhaben durchsetzen. Sie sollen als Verkehrsprojekte im "überragenden öffentlichen Interesse" deklariert werden und tragen so zu massiver Naturzerstörung und erheblich mehr Treibhausgasemissionen bei. Gerstner weiter: "Die FDP baut damit ihr trauriges Image als Klimakrisen-Leugner-Partei weiter aus. Doch auch SPD und Grüne geben ein erschreckendes Bild ab: Dass die Koalitionäre den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik entlang von Autobahnen als wirksame Lösung für den Klimaschutz verkaufen, während durch den Straßenausbau Moore und Wälder zubetoniert werden, ist eine leicht durchschaubare Mogelpackung."

Dass der für Niedersachsen geplante Autobahnneubau der A 20 und der A 39 nicht zu den beschleunigten Autobahnprojekten gehört, ist aus Sicht des BUND eins der wenigen positiven Ergebnisse. Jede andere Bewertung wäre aufgrund des nachweislich geringen Bedarfs und der massiven Auswirkungen auf Klima- und Naturschutz völlig haltlos gewesen. Beim dringend notwendigen Ausbau der Schiene fordert der BUND Niedersachsen eine klare Priorisierung. Primär müssen schnell umzusetzende Kapazitätserweiterungen im Bestandsnetz realisiert werden, die auch dem Nah- und Güterverkehr dienen. Die Mittel dürfen nicht in umstrittene Prestigeprojekte wie den Bau neuer ICE-Strecken zwischen Hamburg/Bremen und Hannover gesteckt werden.

Völlig unzureichend sind die Berliner Beschlüsse zum Thema Naturschutz: Statt Eingriffe in den Naturhaushalt in der Fläche angemessen auszugleichen, soll die Kompensation von Eingriffen durch Ersatzzahlungen erleichtert werden. Gerstner kritisiert: "Der Zerstörung der Natur und der Lebensräume für heimische Arten ist mit Zahlungen nicht geholfen. Es braucht dringend ausreichend Flächen für Schutzgebiete und einen wirksamen Lebensraumverbund. Mehr als Prüfoptionen und Absichtserklärungen finden sich im Ausschusspapier jedoch nicht. Stattdessen zielt die Ampel-Koalition darauf ab, das EU-Naturschutzrecht per Notfallverordnung dauerhaft auszuhebeln." Bislang ist es befristet möglich, Windenergiegebiete zu genehmigen, ohne die Auswirkungen auf dort vorkommende Arten oder die Umwelt zu prüfen. Dies langfristig zu etablieren, käme einer Bankrotterklärung des Naturschutzes gleich.

Der BUND fordert die Landesregierung in Niedersachsen dringend auf, ihren Einfluss bei der Umsetzung des so genannten "Modernisierungspakets" der Ampelkoalition geltend zu machen. Ziel muss es sein, eine naturverträgliche Energie- und Mobilitätswende voranzubringen, die gleichzeitig Klimaschutz und den Erhalt unserer biologischen Vielfalt berücksichtigt.

Mehr Informationen:

Faktenblatt: BUND-Auswertung der im Koalitionsausschuss am 26.1.2023 verhandelten Projektliste mit 144 BVWP-Projekten
https://www.bund-niedersachsen.de/fileadmin/niedersachsen/publikationen/pressemitteilungen/2023/230202_Faktenblatt_Planungsbeschleunigung_Autobahnbau.pdf

BUND-Forderung "Autobahnneubau stoppen"
https://www.bund-niedersachsen.de/newsletterordner/newsletter-nds/ergebnisse-koalitionsausschusses/?mid=1699&rid=P_655&aC=b6818155489a4686f7a5f4c569c7a4b7e66bdeec&jumpurl=2

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Quelle:
Presseinformation vom 29.03.2023
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
Tel.: 0511/965 69-0, Fax: 0511/662 536
E-Mail: presse.nds@bund.net
Internet: www.bund-niedersachsen.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 31. März 2023

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