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UNO/110: CDM-Mechanismus - UN muß Klimaskandal beenden (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

UN muss Klimaskandal beenden

Missbrauch des Kyoto-Mechanismus zu Lasten des Klimas

Von Eva Filzmoser


Eine neue Analyse von Daten zeigt, dass der Clean Development Mechanism (CDM) Anreiz für die erhöhte Produktion von klimaschädlichen Industriegasen in China, Indien, Süd- und Zentralamerika geschaffen hat. Denn je mehr Emissionen erzeugt werden desto mehr Geld fließt durch deren Reduzierung in die Taschen der Beteiligten. Dieser Betrug verwandelt einen Großteil der Emissionsreduktionen, die bis jetzt im Rahmen des CDM getätigt wurden, zu Scheinreduktionen. Um diesem Skandal ein Ende zu bereiten hat CDM Watch die UN nun aufgefordert den Missbrauch einzugestehen und sofortige Maßnahmen zu setzen.


Rahmen dieses Klimaskandals ist der sogenannte "Clean Development Mechanism" (CDM), ein Instrument, das mit dem Klimaschutzabkommen von Kyoto geschaffen wurde. Durch diesen "Mechanismus zur umweltgerechten Entwicklung" können sich europäische Industrieunternehmen anderswo erbrachte CO2-Einsparungen zu Hause auf die Klimabilanz anrechnen lassen. Für jede eingesparte Tonne CO2 erhalten die Investoren ein Zertifikat mit dem sie ihre Klimaschutz-Vorgaben erfüllen können. Für die Firmen ist das wesentlich billiger als selbst den Ausstoß von CO2 zu reduzieren.


Gasvernichtung - ein besseres Geschäft als Gaserzeugung

Die lukrativste Form dieses Mechanismus ist die Vernichtung von HFC-23. Dabei handelt es sich um ein hochwirksames Treibhausgas, das als unerwünschtes Nebenprodukt bei der Herstellung des Kältemittels HCFC-22 entsteht. Weil das Gas HFC-23 als Treibhausgas 11.700-mal schädlicher als CO2 ist, wird dessen Beseitigung überdurchschnittlich hoch belohnt. Bei einer Investition von ca. 0.17 EUR pro Emissionskredit für die Zerstörung des Gases bekommt man zur Zeit ca. 12 EUR vom Erlös der Kohlekredite, die sich Industrieländer auch auf Ihre Klimabilanz anrechnen können - also ca. 70mal soviel.

Aufgrund dieser niedrigen Investitionskosten und der hohen Rendite für den Verkauf der Emissionskredite sind von den über 2.000 zur Zeit registrierten CDM-Projekten, die 19 HFC-23 Zerstörungsprojekte für rund die Hälfte der CDM-Kredite verantwortlich.

Diese Sachlage ist seit längerem bekannt, doch eine kürzliche Analyse von Daten aller registrierten CDM-HFC-23-Projekte ergab, dass Kühlmittel-Anlagen absichtlich in einer Weise betrieben werden, die die Produktion von CDM-Krediten erhöht. Die Analyse zeigt, dass wegen der zusätzlichen Einnahmen mehr Kühlmittel produziert und somit weit mehr HFC-23 erzeugt wird, als dies ohne CDM der Fall wäre. So zeigen die Daten, dass zwei Anlagen den HFC-23-Ausstoß reduzierten als dieser unprofitabel war und den Ausstoß sofort erhöhten als sie wieder Kredite für die Zerstörung verlangen konnten. Eine Anlage stoppte sogar die HCFC-22-Produktion in dem Zeitraum indem keine Emissionskredite erzeugt werden konnten und nahm den Betrieb wieder auf, sobald der Anspruch auf Gutschriften wieder bestand. Außerdem ergab die Analyse, dass viele Anlagen genau die Menge an HCFC-22 produzieren, ab der sie für die Zerstörung von HFC-23-Gasen belohnt werden. Die genaue Höhe der Umweltschäden die durch die erhöhte Produktion von HCFC-22 entstanden sind, ist kann nicht genau bestimmt werden. Die Daten zeigen aber, dass wahrscheinlich die Hälfte aller bis zum heutigen Tag ausgestellten Emissionskredite keine realen Emissionsreduktionen darstellen.


Deutsche Unternehmen im Klimaskandal

Auch Deutsche Unternehmen sind an diesem Klimaskandal beteiligt. Der Essener Konzern RWE hat Kredit-Kaufrechte für ein Industriegasreduzierungsprojekt in China erworben, das pro Jahr Emissionen im Wert von 8,5 Mio. Tonnen CO2 reduziert. Bis 2012 soll allein dieses Projekt über 50. Mio. Tonnen CO2 reduzieren. Laut Emissionsrechner der Environmental Protection Agency [1] entspricht das den jährlichen Emissionen von 12 Kohlekraftwerken. Auch die KfW Bankengruppe, das Chemieunternehmen Solvay Flour, E.On und Deutsche Bank haben Kaufrechte an insgesamt sechs HFC-23 Projekten erworben. [2] Bis 2012, würden die 19 Projekte nach den derzeit geltenden Regeln um die 500 Mio. Emissionskredite erzeugen. Davon wurden allein 14 Mio. Kredite in 2008 und 7 Mio. Kredite in 2009 von Deutschen Unternehmen im Rahmen der Europäischen Emissionshandelsrichtlinie zur Erreichung der Klimaziele eingereicht. An oberster Stelle steht der Essener Konzern RWE der allein in 2009 rund 2,3 Mio. Kredite für sein Kraftwerk in Westfalen und knapp 700.000 Kredite für das Kraftwerk in Goldenberg geltend gemacht hat. Auch Anlagen von Salzgitter und Vattenfall haben im Jahr 2009 gemeinsam knappe 3,5 Mio. Kredite, die aus den kritisierten Industriegasen resultieren, verwendet. [3]


Kein Platz für Industriegase im CDM

HFC-23-Projekte führen weder zu nachhaltiger Entwicklung noch tragen sie zu Technologietransfer bei. Stattdessen überfluten sie den Markt mit billigen Emissionskrediten, nutzen chinesischen und indischen Chemieunternehmen und verhindern, dass umweltfreundliche Projekte im Rahmen des CDM finanziert werden.

CDM Watch hat das Entscheidungsgremium des CDM in einem offiziellen Antrag aufgefordert, die Ausgabe von HFC-23 Krediten unter den derzeitigen UN-Regeln sofort zu stoppen. Die Vernichtung von HFC-23 soll am besten außerhalb des CDM durch das Montrealer Protokoll geregelt werden. Um diese Entwicklung anzukurbeln sollen Deutschland und andere am Emissionshandel beteiligte EU-Mitgliedstaaten davon absehen Kredite aus diesem Projekttyp für die Erreichung ihrer Ziele zu verwenden. Das UN-Gremium wird voraussichtlich Ende Juli eine Entscheidung über diesen Antrag treffen.


Die Autorin ist Koordinatorin von CDM Watch, einem Projekt des Forums Umwelt und Entwicklung gemeinsam mit zahlreichen NGOs aus aller Welt.


Anmerkungen

[1] www.epa.gov/RDEE/energy-resources/calculator.html

[2] UNEP Risoe centre CDM-Pipeline

[3] www.sandbag.org.uk
Weitere Infos unter:
* http://www.cdm-watch.org/?p=979

* NYT: http://www.nytimes.com/cwire/2010/06/14/14climatewire-cdm-criticsdemand-investigation-of-suspect-63522.html

* Guardian: http://www.guardian.co.uk/environment/2010/jun/16/un-review-carbon-offset-abuses


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 23
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2010